Passend zum Thema „Fleisch essen“, das ja auch die Haltung von Legehennen beinhaltet, ist mir beim Einkaufen im nahen kaufpark eine Werbung für Eier aus artgerechter Haltung übel aufgefallen. Der Geflügelhof Kottsieper wirbt mit „besonders schicken Nestern“ und „Trimm-Dich-Scharrflächen“. Die Werbebeauftragten hatten sichtlichen Spass am Ausdenken von plakativen, humorvollen Formulierungen, die die Kaufentscheidung vereinfachen, haben aber leider die Realität und ihren Einfluss auf die Konsumenten ausgeblendet. Wie es bei Kottsiepers den Hühnern wirklich geht, weiss ich nicht, aber mit dem ironisch anmutenden Unterton und den witzigen Formulierungen haben sie total danebengegriffen.
Auch wenn es auf ihrem Hof hühnergerecht zugeht, sollte das Thema sensibler angepackt werden, und nicht zu Witzchen über schicke Nester und sich trimmende Hühner führen !?
Kottsieper orientiert sich an dem was vorgegeben ist und an dem was wirtschaftlich ist. Ein Hof, der stellvertretend ist für viele kleinere Geflügelhöfe, die versuchen den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Tierschutz zu schaffen.
Doch wie tiergerecht geht es da eigentlich zu? Mit ihrer Werbung suggerieren Sie ihre Konzentration auf besonders artgerechte Tierhaltung. Ein eingehender Blick auf die Internetseite zeigt was das wirklich heisst:
Vorweg noch eins: Eier aus wirklich artgerechter Haltung, z.B. demeter gibt es in Hofläden und mittlerweile auch in Bio-Supermärkten (z.B. denns). Sie sind natürlich etwas teurer, daher ist es sinnvoll Einkaufen und Kochen auf die Preise abzustimmen, d.h. letztendlich weniger Eier zu sich zu nehmen.
Die Rahmenbedingungen auf dem Geflügelhof Kottsieper werden ohne Zweifel eingehalten, und das Wohlwollen, das Beste für ihre Tiere herauszuholen (natürlich dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit untergeordnet), unterstelle ich den Betreibern einfach mal. Bei einem Blick auf die Seite des Geflügelhofs machen die vielen wohlklingenden Versprechungen zum Tierschutz erst einmal einen guten Eindruck, aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Da fallen dann einige Auslegungen als merkwürdig auf:
„Bei Modernisierungen und Umbauten achten wir deshalb auf besonders tierfreundliche Haltung. So verfügen unsere Hühner im neuen Bodenhaltungsstall nicht nur über separate Legenester und uneingeschränkten Zugang zu Trink- und Fressplätzen, sondern zusätzlich auch über einen großen, geschützten Freilauf, der der Freilandhaltung sehr nahe kommt.„
(Quelle: http://www.kottsieper.de/wDeutsch/unsere-huehner/tierschutz.php?navanchor=1010036)
Der als selbstverständlich vorausgesetzte uneingeschränkte Zugang zu Trink- und Fressplätzen fällt für die Bertreiber hier unter das Prädikat „besonders tierfreundlich“, was wäre dann die übliche Alternative, die nicht mit diesem Prädikat ausgestattet ist?
Ein Teil der Eier von Kottsieper stammt aus Kleingruppenhaltung, eine Haltungsform, die in Deutschland seit Ende 2009 die Käfighaltung abgelöst hat. Ein tolles Besipiel für Schönfärberei seitens des zuständigen Ministeriums, denn Kleingruppe klingt allemal besser als Käfig. Aber Kleingruppenhaltung findet in einem größeren Käfig statt, ist also immer noch eine Käfighaltung.
Fakten dazu:
Je Henne stehen – einschließlich der Nestfläche – in der Kleingruppenhaltung 890 qcm Fläche zur Verfügung (bei schweren Hennen 990 qcm).
(Quelle: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/Legehennenhaltung.html?nn=310198
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz)
Wieviel ist das? Pro Henne sind das 0.089 m2. Auf einen Quadratmeter kommen also ca. zwischen 11 bis 13 Hennen.
Zum Vergleich: bei der bisher üblichen Batteriekäfighaltung waren es pro Henne 0,045 – 0,055 qcm, auf einen Quadratmeter umgerechnet theoretisch also 20 Hennen.
Zur Info: Deutschland gesteht dem Huhn im Käfig mehr Platz zu als die EU vorgibt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, von wünschenswerter wirklich artgerechter Tierhaltung kann aber noch lange nicht die Rede sein.
Kottsieper baut auf wissenschaftliche Fachmeinung, und da heisst es dann:
Die Freilandhaltung mit Hühnern auf grünen Wiesen entspricht laut Dr. Inga Tiemann in erster Linie einer idealisierten Vorstellung der Menschen, jedoch nicht dem tatsächlichen Bedürfnis des Huhns. Der größtmöglichen Bewegungsfreiheit der Hennen stehen Rangordnungskämpfe, Kannibalismus sowie Infektionsgefahr durch eigenen Kot und Kontakt zu frei lebenden Tieren und deren Ausscheidungen entgegen. Auch sind die Tiere den Witterungsbedingungen (Zugluft, Nässe, Unterkühlung) ausgesetzt. Die Legehennen stehen zudem permanent unter Stress, da sie Feinden wie Füchsen und Greifvögeln hilflos ausgeliefert sind.
(Quelle: http://www.kottsieper.de/wDeutsch/unsere-huehner/tierschutz.php)
Kleingruppen in Käfigen geht es also besser als dem Huhn auf der grünen Wiese?
Die Witterungsbedingungen im Käfig sind wohl keine Bedrohung für die Hühner, wohlbekannt ist aber auch – und das gilt für alle Lebewesen, auch für Hühner – dass Bewegung an der frischen Luft die Gesundheit fördert, darauf muss die Kleingruppe leider verzichten. Dafür ist sie im Käfig vor dem permanenten Stress durch natürliche Feinde geschützt? Das Huhn auf der grünen Wiese hat für gewöhnlich einen Stall, in den es sich flüchten kann, wenn ihm die Wachsamkeit draussen zu anstrengend wird. Und was ist mit dem Stress durch die beengten Haltung im Käfig?
Rangordnungskämpfe sind auf der kleinen Fläche (etwas größer als ein Din A4 Blatt pro Huhn) als solche wohl kaum möglich, auf der grünen Wiese haben die Hühner immerhin noch die Möglichkeit zu flüchten. Im Kleingruppenkäfig ist ein Ausweichen nicht möglich, ein enormer Stressfaktor.
Kannibalismus und Infektionsgefahr sind typische Probleme in der Massentierhaltung. Der Stress führt zu Kannibalismus, und die vielen Tiere auf engem Raum sind die ideale Brutstätte für Superviren (die Schweinegrippe entstand in einem Schweinemastbetrieb in den USA).
Diese Fakten bieten einen kleinen Einblick in die Wirklichkeit der Geflügelhaltung. Und das ist nur der offizielle und von Fachleuten abgesegnete Teil. Wie es da aussieht, wo Vorschriften und Gesetze nicht nachgehalten werden, mag man sich gar nicht vorstellen.
Dieser Text richtet sich nicht gegen den angesprochenen Geflügelhof, es geht um die große Maschinerie der Eierproduktion, die durch Verbraucherwille europaweit ähnlich geregelt wird, und der sich Betriebe, die im Großen wirtschaftlich arbeiten wollen, unterordnen müssen.
Jeder sollte aber seinen Beitrag dazu überdenken, denn letztendlich ist die Ursache für die schlimmen Zustände in der Massentierhaltung die allgemeine Gier nach „immer mehr und immer größer“.
Ein passendes Plakat zum Thema gibt’s bei den kreaktivisten