Gluckenfreie Zone

Bei Luise hat die Glucke nichts zu melden, das weiss ich schon, lange und spüren tue ich es noch viel länger, vielleicht schon seit jenem Tag, an dem sie wie ein Champagnerkorken aus mir rausgeflogen kam und mit wachem Blick aus grossen, himmelblauen Augen den Gebärsaal inspizierte. Klar, auch Luise ist Sentimentalitäten gegenüber nicht ganz abgeneigt, aber den Zeitpunkt für solche Dinge bestimmt sie und dann sind wir gefälligst gemeinsam sentimental. Aber dass Mama einfach so ein wenig die Glucke loslässt, bloss weil Töchterchen für ein paar Tage ins Ski- oder Jungscharlager fährt, sowas geht bei Luise nicht. Und weil man bei so einer Glucke nie ganz sicher sein kann, ob sie nicht doch noch im dümmsten Moment angerannt kommt, tanzt Luise in den Tagen von der Abreise so gekonnt auf meinen Nerven rum, dass sie am Vorabend ganz vergnügt zu mir sagen kann: “Mama, bist du nicht froh, mich für ein paar Tage los zu werden?” und offen gestanden wäre mir das eine oder andere Mal schon fast ein “Ja, eigentlich schon” rausgerutscht. Dieses Verhalten bringt durchaus auch Vorteile mit sich, denn ist es Luise erst mal gelungen, die Glucke in ihre Schranken zu weisen, darf ich meine Tochter nicht nur zum Reisecar begleiten – etwas, was mir Karlsson nie erlaubt hätte -, ich darf sie sogar vor den Augen ihrer versammelten Schulklasse umarmen. 

Was Luise nicht weiss und was ich ihr auch ganz bestimmt nie sagen werde: Die Glucke ist sehr wohl dabei, wenn ich meine Tochter verabschiede. “Du lässt zu, dass Luise mit einem Reisecar verreist?”, fragte sie heute früh ganz entsetzt. “Du weisst aber schon, was passieren kann, wenn so ein Chauffeur nicht richtig gut aufpasst?”

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