Global denken – Lokal handeln: Filz in der Kommunalpolitik auflösen

Die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen ist meistens erschreckend niedrig. Von den Wahlberechtigten in den Kreisen und besonders in den Gemeinden und Städten ist immer wieder zu hören, die Vertretungen vor Ort könnten sowieso nicht viel bewirken. Und wenn überhaupt zur Wahl gegangen wird, so werden vielerorts die Listen derjenigen Parteien angekreuzt, die die Dinge schon immer geregelt haben.

Solche Denk- und Verhaltensweisen basieren auf zwei grundlegenden Irrtümern: Der erste Irrtum ist, die ehrenamtlichen Gemeindevertreter oder Stadtverordneten hätten nichts zu bestimmen.
Dabei gibt es vielfältige kommunale Angelegenheiten, beispielsweise: Die Ausweisung von Gewerbegebieten, Bebauungspläne, Standorte für Lebensmittelmärkte, Schulgebäude, Parkanlagen, Radwege, Sportanlagen, Tourismusprojekte oder auch der Bolzplatz um die Ecke. Das ist eine breite Aufgabenpalette – aber hat das alles etwas mit Politik zu tun? Als ob es konservative, grüne oder sozialistische Radwege oder Supermärkte gäbe! Die gibt es natürlich nicht!

KommunaleAufgaben

Grafik aus: “Kommunalpolitik verstehen” Broschüre(PDF), Friedrich-Ebert-Stiftung (Siehe Quellen)

“Politik” ist allerdings immer im Spiel: “Politik findet statt, wenn Menschen zusammen Entscheidungen treffen.” (1) Und zu entscheiden gibt es wirklich vieles, das auch für die zukünftige Entwicklung der Kommune eine große Bedeutung haben kann.

Besonders, wenn das Geld knapp ist, müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden: Was ist wichtiger – Ortsteil-Interessen oder das Interesse der Gesamtgemeinde?
Ein zweiter ganz gravierender Irrtum ist die Annahme, dass “Lobbyismus” in kommunalen Parlamenten kein großes Problem darstellen würde und nur ein Phänomen übergeordneter, nationaler Parlamente oder der EU sei.
Weit gefehlt: Bei Wahl-Desinteresse können sich über Jahre am demokratischen Selbstverständnis vorbei “Interessengemeinschaften” ausbilden, die Entscheidungen auf der “untersten politischen Ebene” zu ihren privaten Vorteilen nutzen oder entsprechend manipulieren. Desinteresse der Wählerinnen und Wähler bereitet den Boden für Klüngelwirtschaft!

Zur Veranschaulichung sei ein ganz konkreter Fall aufgeführt: Da profitieren Einzelne in der Gemeindevertretung durch ihre Ämter persönlich; hier bei dem Bau einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach einer Grundschule. Die Firma der Ehefrau des Vorsitzenden der Gemeindevertretung erhält plötzlich den Auftrag (ohne dass es zuvor eine öffentliche Ausschreibung für das Projekt gegeben hat), während die Anfragen von ortsansässigen Unternehmen abgewiesen oder noch nicht einmal beantwortet werden. Und die Entscheider, die dies zu verantworten haben, sitzen an den Schaltstellen der Kommunalpolitik in der Gemeinde und gleichzeitig im Kreis. Das Thema haben wir hier einmal exemplarisch aufgearbeitet: “Für wen scheint die Sonne in Greifenstein besonders hell?
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Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28, 2 GG). Es gilt das Prinzip der Subsidiarität: Was man vor Ort entscheiden kann, soll nicht auf höherer Ebene entschieden werden.

Da ist es wieder, das Verantwortungsprinzip. Es ist die eigene Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinden, genau hinzusehen, sich einzumischen, wenn etwas falsch läuft und bei den Wahlen dafür zu sorgen, dass diejenigen gewählt werden, die das “Gemeinwohl” anstelle von “Eigeninteressen” im Blick haben. Dazu ist es nötig, sich über die aufgestellten Kandidatinnen und Kandidaten zu informieren und diejenigen zu wählen, denen man am ehesten vertraut und zutraut, die Geschicke so zu lenken, dass sie der Zukunftsfähigkeit des eigenen Wohnorts – aber auch der gesamten Gemeinde – dienen.

Mit der Möglichkeit, bei einer Kommunalwahl mit “Kumulieren und Panaschieren” eben nicht nur Partei-Listen wählen zu können, sondern Kandidaten streichen und andere quer über die Wahlvorschläge verteilt einzeln wählen zu können, hat die Wählerschaft gute, demokratische Möglichkeiten. Dazu gibt es keine “5%-Hürde” bei Kommunalwahlen. D. h. Personen können bereits mit Ergebnissen von ca. 1,2-2% in die Gemeindevertretung (oder ins Kreisparlament) gewählt werden. Wenn mehrheitlich keine geeigneten Kandidatinnen oder Kandidaten zur Wahl zu stehen scheinen, haben Wahlberechtigte das Recht, neue Wählerlisten zu schaffen, eigene Kandidatinnen und Kandidaten zu nominieren und sich selbst zur Wahl zu stellen. (Aktives und Passives Wahlrecht).

Aber auch während einer “Wahlperiode” haben die Bürgerinnen und Bürger Möglichkeiten, sich einzubringen und Fehlentwicklungen zu korrigieren: Durch Gespräche mit den Gemeindevertretern, durch Briefe, Leserbriefe, durch Antragsvorschläge an die Gemeinde. Ein letztes demokratisches Mittel ist ein “Bürgerbegehren”, das eine verbindliche Abstimmung der Bürgerschaft zum Ziel hat und, im Falle von sogenannten kassatorischen Bürgerentscheiden, Entscheidungen des Gemeindeparlaments korrigieren soll. Mit einem Bürgerentscheid können die Bürgerinnen und Bürger ihren Vertretungen das Heft aus der Hand nehmen. So etwas kann erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der Meinung ist, ihr Gemeindeparlament sei auf einem Irrweg. Bereits das Arbeiten für eine solche Initiative, bei der in befristeter Zeit eine gewisse Anzahl an Unterschriften der Wahlberechtigten der Kommune gesammelt werden muss, kann politische Auswirkungen mit sich bringen und Rücktritte von in die Kritik geratenen Lokalpolitikern auslösen.

Eine solche aktive Verantwortungsübernahme und ein konkretes Eintreten von Bürgerinnen und Bürgern für ihre Belange geschieht im Moment in meiner Heimatgemeinde Greifenstein, wo die Gemeindevertreter mehrheitlich den Bau eines Discounters in dem Verwaltungs-Standort abgelehnt haben, dem zentralen und größten Ortsteil mit Versorgungsauftrag für die umliegenden Dörfer und der gesamten Gemeinde. Dieser hat seit Jahren keinen(!) einzigen Lebensmittelmarkt. Mit jener Fehlentscheidung wird nach Ansicht vieler Menschen samt ihres Bürgermeisters die Zukunftsfähigkeit der Gesamtgemeinde beeinträchtigt, das “Gemeinwohl” geschädigt.

Wenn Sie sich also gewundert haben, warum es bei Politropolis derzeit nicht so viele Beiträge gibt, dann deswegen, weil der Redakteur gemeinsam mit einem Autor im Moment “lokal handelt”.

In diesem Sinne, bleiben Sie uns als Leser treu!

von Hans-Udo Sattler

EinflussNehmen

Grafik aus: “Kommunalpolitik verstehen” Broschüre(PDF), Friedrich-Ebert-Stiftung (Siehe Quellen)

Lesen Sie einen Hintergrundartikel dazu:
Streit um Supermarkt in Greifenstein – Spätschäden einer miserablen Gebietsreform?
und auch diesen Artikel:
Rousseau – Die Idee einer transparenten Demokratie – Zum 300. Geburtstag des Vordenkers
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Quellen – weiterführende Links

Grafiken aus: Kommunalpolitik verstehen, frei downloadbare Broschüre(PDF) der Friedrich-Ebert-Stiftung


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