Imogene (Kristen Wiig) ist ziemlich verzweifelt
Ein kleines Mädchen steht auf einer Theaterbühne, deren Aufbauten an die Smaragdstadt aus Der Zauberer von Oz erinnern. Neben dem Mädchen, dass die markanten roten Schuhe von Dorothy Gale trägt, haben sich andere Kinder als mutloser Löwe, als hirnlose Vogelscheuche und als herzloser Blechmann verkleidet. Die Lehrerin und Regisseurin des Stücks weist das kleine Mädchen an, ihre Schuhe dreimal mit den Hacken aneinander zu schlagen und sich zurück nach Kansas zu wünschen. Hier aber gibt das Mädchen Widerworte. Wozu soll sich zurück aufs Land, wenn sie hier in Oz doch alles hat was sie glücklich macht? Eine berechtigte Frage, über die ein kleiner Streit zwischen der Lehrerin und Imogene ausbricht, das Mädchen, dass sich eine Szene später in Kristen Wiig verwandelt.
Das ist die Handlung von Girl Most Likely, auf dem Toronto International Film Festival 2012 noch schlicht Imogene genannt, in Deutschland unter dem Titel There is No Place Like Home – Nichts wie weg aus Ocean City veröffentlicht. Qualitativ ist es sicherlich zu vertreten, dass dieses seichte Irgendwas – Drama, Komödie, man weiß es nicht so recht – hierzulande auf dem Heimvideomarkt seinen Release bekommt, der Titel allerdings ist irreführend. Es geht für Imogene keinesfalls um die Flucht. Ebenso wie für Dorothy Gale in den Geschichten von Oz (Frank L. Baum schrieb insgesamt vierzehn Episoden), geht es um die Suche nach dem wahren Zuhause. Eigentlich ist es nun also das Märchen von Dorothy Gale, die aus der Smaragdstadt (New York City) heimkehrt und lernen muss sich dort wieder zurecht zu finden.
Kristen Wiig mit Annette Benning
Die Regisseure Shari Springer Berman und Robert Pulcini (American Splendor) hangeln sich noch weiter an der Geschichte um Oz entlang. Gemeinsam mit Lee, der Angst davor hat sein musikalisches Talent auf die Bühne zu bringen (der ängstliche Löwe) und dem verwirrten Bruder Ralph (die hirnlose Vogelscheuche) mitsamt seinem Blechgestell eines menschlichen Schildkrötenpanzers (der Blechmann) geht es noch einmal nach New York, hier aber nicht etwa um den Glanz der Stadt einzufangen, sondern um sie dann zu entzaubern: Passanten die auf den Bürgersteig spucken, Ex-Freunde die schon das nächste Mädchen am Arm halten und Freundinnen, die wie Hexen hinter dem Rücken Imogenes über das Landei lästern: “Du lebst in einer Fantasiewelt und du gehörst nichtmal in sie hinein”.
Mit einem solchen Märchen als Grundlage und Kristen Wiig als Hauptakteurin hätte aus Girl Most Likely (der bessere Titel) ein verträumt-melancholischer Film werden können. Wiig hätte wie in Das Erstaunliche Leben des Walter Mitty eine charmante junge Dame spielen können, bekommt aber eine Rolle aufgedrückt, die sie mal wahnsinnig erscheinen lässt – unsympathisch – und dann wieder wie ein kleines Kind. An diesen Stellen wird Humor eingesetzt, der leider over-the-top ist, nicht aber dieser Quirkiness entspricht, die Kristen Wiig so gut auszustrahlen vermag. Vielmehr wird ihr eine fast unmögliche Bürde auferlegt. Sie muss aus einer Drama Queen und Großstadtnörglerin ein sympathisches Wesen werden lassen. Doch genau daran scheitert Wiig in diesem Fall. Und ihre Begleiter finden weder Mut, noch Hirn und Herz – was auf die Geschichte übertragen werden kann.
Originaltitel: Girl Most Likely
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 103 Minuten
Regie: Shari Springer Berman & Robert Pulcini
Darsteller: Kristen Wiig, Annette Bening, Matt Dillon, Darren Criss, Christopher Fitzgerald, Bob Balaban
Heimvideostart: 23. Januar 2014
Im Netz: constantin-film.de/there-is-no-place-like-home