Mangels leicht verfügbarer Alternativen habe ich mir jetzt auch mal einen Ken Follett reingezogen und ich muss gestehen: Ich bin tief beeindruckt. Wie viele Male bin ich während meiner Studienzeit im Morgengrauen aufgestanden und mit dem Zug nach Bern gefahren, um einen Sitzplatz in Professor Försters Vorlesung über den Kalten Krieg zu ergattern? Wie oft habe ich mir beim Notieren einen Schreibkrampf zugezogen, weil sich damals nur die pensionierten Gasthörer einen Laptop leisten konnten, auf dem sie für alle hörbar ihre Vorlesungsnotizen tippten? Wie oft habe ich mich darüber aufgeregt, wenn der hochgebildete Professor das “tear” in “Mr. Gorbachev, tear down this wall!” falsch aussprach?
Und was hat mir das alles gebracht? Nichts, gar nichts, denn dass die Weltgeschichte nur eines ist, nämlich ein gigantisches Partnervermittlungsinstitut, das mit vielen Irren und Wirren dafür sorgt, dass die Tanja endlich mit dem Wassili und der George endlich mit der Maria und die Beep mit dem Boop – ach nein, der hiess ja Dave – in die Kiste springt, das hatte uns der Herr Professor verschwiegen. Kein Wort über die Macht der Liebe, die mit Leichtigkeit ein Loch in den eisernen Vorhang brannte, nichts darüber, wie gut so ein Dissident den Gulag überstand, wenn da nur die Liebe war, die ihn am Leben hielt, nicht mal ein Hinweis darauf, dass so ein pubertierender DDR-Flüchtling auch ein paar Mal unbeschadet hin und her flüchten konnte, wenn sich seine Liebste nicht ganz sicher war, ob sie mit ihm kommen, oder das gemeinsame Kind doch lieber im Sozialismus aufziehen wollte.
Das alles und noch viel mehr hat man uns verschwiegen. Stattdessen hat man uns immer erzählt, wie furchtbar schlimm das alles gewesen sei, wie sehr die Menschen darunter gelitten hätten, dass sie ihre Meinung nicht frei äussern durften und nie wussten, wem sie vertrauen konnten. Dabei wäre es doch so einfach gewesen, herauszufinden, wer gut und wer böse war. Die Bösen erkannte man nämlich mit Leichtigkeit an den minderwertigen, verschlagenen Frauen, die ihnen die Weltgeschichte als Gefährtin ausgesucht hatte. Hätten sich die Leute die Mühe genommen, etwas genauer hinzusehen, wer mit wem das Bett teilt, wären sie auch nicht auf fiese Denunzianten reingefallen. Die Guten hingegen lernten die Liebe ihres Lebens meist schon im Teenageralter kennen und wussten spätestens mit achtzehn, dass sich daran nie wieder etwas ändern würde, egal wie viele Knüppel ihnen das Weltgeschehen zwischen die Beine warf, um die wahre Liebe auf die Probe zu stellen.
Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich dieses Prinzip schon in der Mitte meines ersten Folletts erkannt habe, sonst müsste ich mir nämlich noch mehr von seinen Büchern reinziehen und das wäre dann vielleicht doch etwas verwirrend, wo ich doch jetzt schon den Überblick verloren habe, wer mit wem in die Kiste gehört und wer sich irrtümlich ins falsche Bett verirrt hat und deshalb auf einer der nächsten Seiten von der Weltgeschichte eins auf den Deckel bekommen wird.
Schriebe der Herr Follett allerdings eines Tages ein Buch über das aktuelle Weltgeschehen, würde ich dieses natürlich sofort lesen. Zu gerne wüsste ich nämlich, welche Paare die Weltgeschichte mithilfe des ganzen IS-, Terror- und Nationalismuszeugs gerade zu verkuppeln sucht.