Gibt es Unterscheidungsmerkmale des Erwachtseins?

In den Kommentaren zum Beitrag vom 04.08. („Das Verwechseln von Erwachen und moralischer Reinheit“) findet sich eine kritische Nachfrage, die am 24.08. präzisiert wird: Für mich persönlich stellt es sich immer mehr so dar, dass der Buddhismus tatsächlich einfach nur eine Lehre unter vielen ist, mit vielen interessanten und auch einzigartigen Ansätzen und Wegen, aber genauso vielen Irrwegen und Ungereimtheiten wie andere Lehren auch.Um es nochmal auf den Eingangstext zu beziehen: ich kann mir immer noch nicht vorstellen, was "in echt" (also ohne Rückgriff auf spekulative nächste Leben oder nicht-teilbare und diskursive nicht mitteilbare angebliche Einsichten in die "Struktur der Wirklichkeit") einen buddhistischen Erwachten einzigartig machen soll. Wenn es aber im echten, realen, konkreten Leben keine signifikanten Unterschiede gibt ("Unterschiede, die einen Unterschied machen"), dann ist sind Erwachte entweder eine Fiktion oder trivial.
Das ist ein interessanter Punkt, und ich habe mich entschlossen, daraus eine ausführliche Antwort im Blog zu machen. Zunächst ist es richtig, etwa auf die Stoa als Alternative hinzuweisen, da ihre Ethik Gleichmut, Selbstgenügsamkeit, Altruismus und die Kontrolle von Leidenschaften kennt und damit eine von zahlreichen Alternativen zum Buddhismus darstellt, wenn man seinen Charakter entsprechend justieren will. Auf dieser Ebene – und auch auf der rituellen, die ich angesprochen hatte – ist der Buddhismus also insofern „trivial“, weil er wenig Überraschendes zu bieten hat. Wenn wir hier noch den rational-kritischen Zugang zu einer Lebensphilosophie einfordern – wie bei den Griechen –, dann können wir tatsächlich nicht bei Spekulationen über nächste Leben und dem rein Unsagbaren spiritueller Erlebnisse stehen bleiben. Dieses kann dem Einzelnen subjektiv sehr wichtig sein, aber es macht dem anderen nicht klar genug, welches Potential der Buddhismus haben könnte. Ich setze im Folgenden Buddhismus in der Regel gleich „Zen“ (also meinem Verständnis davon), weil ich mich im Zen auskenne.
Eine Frage, die m. E. auch den „Unbuddhisten“ in den letzten Jahren umtrieb, ist also: Gibt es denn tatsächlich ein Unterscheidungskriterium für Erwachtsein? (Ansonsten wäre dieses als nichts Besonderes oder nicht vorhanden anzusehen.)
Hier in diesem Blog und in vielen Foren habe ich mir jahrelang die Finger mit der Kritik solcher Lehrer wund geschrieben, die vom Nimbus des Erwachtseins zehrten. Der Grund ist, dass ich mich für fähig halte, Erwachtsein zu erkennen. Kürzlich ging im „beliebtesten“ meiner Beiträge zu Lama Ole Nydahl wieder mal eine Hasstirade über mich ein, deren ersten Teil ich noch veröffentlichen und kontern wollte, allerdings scheint die Kommentar-Funktion gerade Zicken zu machen. Die Userin meinte sinngemäß, laut Gampopa müsse man erleuchtet sein, um zu erkennen, ob andere Erleuchtung hätten, und ich könne das ja nicht sein, so wie ich lästern würde (das übliche Missverständnis der Rechten Rede, die im Gegenteil ja gerade darauf abzielt, die Dinge so zu sagen, wie sie sind). Die Userin versteht nicht, dass der Buddha des Palikanons selbst einen wie den Lama Ole als „Schleimfresser“ bezeichnen dürfte, so wie er es damals mit Devadatta machte. Die Userin will nicht akzeptieren, dass ich erwacht sein könnte, weil sie ganz anderer Meinung bzgl. Nydahl ist. Der Witz an dieser Konstellation ist, dass sich mein „Erwachen“ – gemäß der Schriften (da hat Gampopa ja recht) – sozusagen beweisen würde, wenn die Kritisierten überführt wären. Würde das genügen, wäre Erwachen also recht leicht, und ein wie im obigen Kommentar gewünschtes Unterscheidungskriterium würde schlicht im Durchschauen von Posern liegen. Hier wird schon klar, dass man gar nicht im Zen stehen muss, um über solche Fähigkeiten zu verfügen. Ein kritischer Verstand genügt häufig.
Andererseits stellt sich die Frage, warum so viele Menschen diese Fähigkeit, schlechte Absichten, Heuchelei oder Dummheit anderer zu durchschauen, nicht besitzen. Es gibt nicht mal einen zählbaren Hinweis auf die Qualität der „Meisterschaft“, mit der Hochstapler sich präsentieren. So schart ein seit Jahrzehnten relativ dämliches Zeug plappernder Lama Ole genauso zahlreich Menschen um sich – nicht zuletzt Spendenwillige, die ihm seinen Lebensstil mitfinanzieren – wie ein (vor seinem Schlaganfall) relativ geschickt agierender Thich Nhat Hanh. Mit schöner Regelmäßigkeit gebärden sich jedoch diejenigen, die dem Lama anhängen, auffallend unangenehmer als diejenigen, die bei TNH Achtsamkeit und Wohlfühlsein einübten. Auch der Dalai Lama, der mit seinen homophoben Äußerungen hinter der Zeit zurückbleibt, ist natürlich wesentlich bewanderter in der buddhistischen Materie als ein Großmissionar wie Ole. Ich habe jedoch erlebt, dass die Tatsache, ihn nicht als erwacht zu bezeichnen, zu ähnlichen Beißreflexen in der Tibeter-Fraktion führte wie bei o.g. Userin – und das, obwohl der DL über sich selbst das Gleiche sagte. Kürzlich hat ein Mönch in dieser Tradition mit den gleichen Zirkelschlüssen die von mir selbstbewusst geäußerte These bzgl. undogmatischer Freiheiten Erwachter in Frage gestellt, also mit dem Hinweis auf alte Schriften, die so formuliert sind, dass sie sich vor äußerer Kritik gleich mitschützen. Wir haben hier also den Fall, dass – gemäß der Schriften und ihrer eigenen Selbsteinschätzung – „Unerwachte“ über einen anderen urteilen wollen, ob er erwacht ist (nämlich der von ihnen geschätzte Lehrer) oder nicht (nämlich der Kritiker wie ich). Das ist ein ziemlich lächerliches Getue. Aufschlussreicher wird es schon, wenn man bei Leuten, die bereits seit Dekaden Meditation praktizieren, erhebliche Defizite in der Menschenkenntnis feststellt. Und da darf man sich schon fragen, ob an den Kennzeichen, die in den Schriften hier und da für Erwachte genannt werden, irgendetwas dran sein könnte.
Zu diesen Kennzeichen, die ich also nicht erfinde, sondern die den Buddhismus etwa von der Stoa unterscheiden könnten, gehören neben einer gewissen Einsicht ins Denken anderer und deren Motivation – was man von mir aus auch als Menschenkenntnis bezeichnen kann – noch andere intuitive Fähigkeiten, etwa zu begreifen (zu sehen, zu hören usf.), was selbst noch in der Ferne geschieht. Die meisten Leser dieses Blogs werden diese Textstellen kennen, und wenn man von den absurderen Fähigkeiten, die zuweilen auch genannt werden (wie Fliegenkönnen oder durch Wände gehen) absieht, dann könnte es einen selbst im Laufe der Praxis zumindest etwas überraschen, sollten hin und wieder solche Fähigkeiten in Erscheinung treten. Damit aber befinden wir uns im Bereich der Transzendenz, den ich für wesentlich halte. Ich nenne das Erwachen „immanente Transzendenz“ (nicht meine Erfindung), weil die mystische Erfahrung eines irdischen Geistes bedarf und im besten Falle „erdet“. Solange ich aber keine besseren Erklärungen für bestimmte Phänomene finde – also auch in der entsprechenden Fachliteratur wie z.B. der Neurologie oder Statistik nicht –, halte ich es für richtig, das wesentliche Unterscheidungsmerkmal des Erwachten als seine transzendente Erfahrung und die daraus folgende transzendente Fähigkeit zu beschreiben. Letztere geht über den subjektiven Wert hinaus und hat nachvollziehbare Auswirkungen auf die Umwelt und andere Menschen.
Mir fallen in diesem Zusammenhang ironischerweise die mystischen Kampfkünstler ein, die mit ihrem chiangeblich Dinge bewegen konnten, ohne sie zu berühren – und dann in wissenschaftlichen Experimenten scheiterten. Um welche transzendenten Fähigkeiten mag es also hier gehen, wo wir die zunächst genannte des „Durchschauens von Unerwachten“ doch in die Kategorie Menschenkenntnis und Intuition einordnen können? Ich muss hier konkreter werden (also etwas tun, was in der Zen-Schulung gern vermieden wird, damit sich nicht falsche Vorstellungen bilden, die dann wieder mühsam zerstört werden müssen). Dazu will ich einige Beispiele aufgreifen, die ich in den vergangenen Jahren hier und dort einstreute, ohne sie besonders kenntlich zu machen.
1) Die Tatsache, dass sich mir Joshu Sasaki zum Zeitpunkt seines Ablebens (wie ich später erst erfuhr) in einem Traum als Tier zeigte, hat für mich Bedeutung. Sie soll dazu führen, dass ich einen wesentlichen Gedanken seiner Lehre in Bälde hier darstellen werde (auf seinen Wunsch hin ist nicht viel schriftlich überliefert, er vernichtete das meiste selbst). Sicher ist es so, dass ich mich zuweilen mit ihm beschäftigte, als er zur Zielscheibe des üblichen linksfeministischen Diskurses zum „Missbrauch“ wurde. Aber das ist kein Grund, genau dann von ihm das erste und bisher einzige Mal zu träumen, wenn er in tausenden Kilometern Entfernung ohne mein Wissen stirbt – und ohne dass wir je Kontakt gehabt hätten, außer dass mein erstes Sesshin bei einem seiner langjährigen Schüler stattfand und ich dort eine tiefe Erkenntnis hatte.
Wenn ich einen Moment zurücktrete, erscheint es mir möglich, dass Fachleute mit allerhand Erklärungen für diesen Vorgang aufwarten. Der Punkt ist nur, dass ich – bereits im Zen verortet – bereits eine gute Erklärung dafür habe. Trete ich nun nochmal zurück und sehe die Gefahr des Zirkelschlusses für mich selbst, so ist doch der Unterschied zu den o.g. Zirkelschlüssen Gläubiger offensichtlich. In meinem Fall geht es lediglich darum, Verantwortung für einen wesentlichen Teil der Zen-Lehre zu übernehmen, den ich bereits erkannt habe und der das Potential hat, den menschlichen Horizont zu erweitern. In den anderen Fällen ging es darum, dass sich Gläubige dieser Horizonterweiterung verschließen. Ich sehe den Grabscher in Sasaki und den Mörder in Sawaki. Sehen die anderen den Dummkopf in ihrem Lama? Ich sehe, dass Brad Warner sich Nishijima als Meister aussuchte, weil er bei ihm leicht die Bestätigung für seine (als Klischee geschilderte) Erfahrung der Grenzenlosigkeit bekommen konnte. Sieht Brad Warner das auch? Usw.
2) In einigen Fällen des „Weltgeschehens“ war mir relativ schnell klar, um was es geht und wie es ausgeht, so etwa bei der Demontage unseres ehemaligen Bundespräsidenten. Ich habe, wenn solche Impulse aus mir eher unklaren Gründen auftauchten, diese Erkenntnisse, diese Intuition, manche würden sagen: diesen Wahn, auch formuliert. So glaube ich daran, dass die Eltern im berühmten Fall des Verschwindens von „Maggie“ verantwortlich sind und gehe davon aus, dass dies mit der Zeit offenkundig wird; diese Überzeugung beruht auf deren ersten Reaktionen vor Kameras nach dem Verschwinden ihrer Tochter. Ebenso habe ich damals die Grenzen von Markus Lanz erkannt, als er eine Extrasendung mit einer jungen Frau machte, die m.E. für den Tod einer anderen jungen Frau verantwortlich ist. Ich sitze dann da und wundere mich, dass Lanz diese Frau nicht durchschaut (ich muss hier vorsichtig sein, weil in einem späteren Urteil die Frau freigesprochen wurde). Über solche Dinge konkret zu reden birgt also mehrere Schwierigkeiten, neben den juristischen auch die, dass es unangenehm ist zu sehen, wenn solches Unrecht (zunächst) ungestraft bleibt. Im Falle dieser jungen Frau wage ich jedoch die Prognose, dass sie sich in Zukunft auf dramatische Weise in eine (für mich: weitere) Straftat verstricken wird.
Hier kommen also Merkmale des Buddhismus ins Spiel, die sich möglicherweise nicht im „trivialen“ Stadium erschließen: a) statt an eine primitive Karmalehre des notgedrungen gerechten Ausgleichs zu glauben, beschränke ich mich darauf, einzugestehen, dass es tatsächlich möglich ist, zuweilen und punktuell einen Blick in die Zukunft (von Menschen, von Entwicklungen) zu werfen – genau wie es in Schriften gesagt wird (anderes Beispiel: In einem Gespräch über einen Rennfahrer kam mir mal über die Lippen, er sei totgeweiht, und auf Nachfrage sagte ich, er würde ausstrahlen, in sein Unglück zu rasen – was dann auch geschah); b) wie ich schon früher betonte, bin ich Taisen Deshimaru dafür dankbar, anschaulich erklärt zu haben, dass Verstrickung ins Karma vor allem dazu verleitet, etwas zu wiederholen, und dieser Wiederholungszwang ist wichtiger für Prognosen als der Glaube an eine höhere oder selbstregulierende Gerechtigkeit; im obigen Beispiel der jungen Frau hatte ich diesen Eindruck, wobei es mir jedoch so vorkommt, als käme ein solcher Gedanke über mich, d.h. ich kann mich darüber auch selbst wundern.
Wenn ich erneut einen Moment zurücktrete, ist klar, dass meine Beschäftigung mit der Mimikanalyse nach Paul Ekman u.a. meinen ersten Eindruck im Falle „Maggie“ begründet haben kann; das Gleiche gilt für das lange beobachtbare Verhalten der Interviewpartnerin von Markus Lanz. Wie im ersten Beispiel ist es auch mir möglich, profane Erklärungen für solche Erfahrungen zu finden. Doch wie im ersten Beispiel sind diese weniger überzeugend als die von buddhistischen Lehrern gemachte Andeutung, dass sich ebensolche Fähigkeiten mit der Zeit aufgrund meditativer Übungen oder auch konkret der Fähigkeit zum „Nicht-Denken“ einstellen würden.
Ich habe nun ein paar konkrete Beispiele gewählt, die ich hier nicht zum ersten Mal nenne, aber zum ersten Mal aneinandergereiht und derart präzisiert habe. Die folgenden Beispiele sind von Bedeutung, weil sie den Deutungsrahmen von Zen zu sprengen scheinen und eher Anhänger des tibetischen Buddhismus berühren dürften. Dazu muss ich vorausschicken, dass ich als Freund der Lehre vom Nicht-Selbst nicht daran glaube, dass Persönliches sich reinkarniert. Meine Vorstellung von Zeit entspricht vielleicht eher der von Trekkies, die in ihrer Lieblings-TV-Serie gezeigt bekamen, was „Gleichzeitigkeit“ bedeuten könnte. Dies bitte ich im Folgenden zu bedenken, wenn ich nur scheinbar von einer Frau rede, die ich schon in vielen Leben geliebt haben könnte, oder der Reinkarnation einer Erwachten.
3) Die für mich bedeutendste (und bis jetzt letzte) relevante Liebesgeschichte, die ich selbst als „wahnhaft“ bezeichnen möchte, trug Züge mathematischer Unplausibilität. Auch darüber schrieb ich schon hier, es blieb eine weitgehend unerwiderte Liebe, die zu sehr häufigen „zufälligen“ Begegnungen selbst an Orten führte, die ich üblicherweise nicht aufsuchte. Diese Unwahrscheinlichkeit schien die Frau zu beängstigen, ich war möglicherweise dem Stalkerverdacht ausgesetzt. Mich beunruhigte diese Häufung durchaus ebenfalls, und sie kulminierte sozusagen nach dem Besuch des Nalin Pan-Filmes „Valley of Flowers“, den ich überwiegend weinend durchlitt, damit, dass an der S-Bahn-Haltestelle unmittelbar nach dem Filmbesuch eine Familienangehörige der von mir geliebten Frau stand und sofort diese anrief, um ihr zu sagen, dass ich dort sei und sie mit mir sprechen könne – nachdem ich den Film selbstverständlich permanent auf unsere Geschichte und Verbindung bezogen hatte (dass der Film kitschig ist und eher an die von mir abgelehnte Reinkarnationsidee anknüpft, will ich noch erwähnen). Als ich nach gut drei Jahren einen Schlussstrich unter diese Affäre setzte, ebenfalls tränenreich und jedes Alphamännchengehabe in den Wind schießend, war es auch vorbei mit den zufälligen und unwahrscheinlichsten Begegnungen. Nicht ohne dass ich auf einen (angeblich, aber glaubhaft) ehemaligen Legionär traf, der in Frankfurt auf der Straße lebte, mit dem ich mich manchmal unterhielt und der mir – seinerseits Christ – bestätigte, dass es einen Freund gäbe, dem er immer wieder überall auf der Welt übern Weg gelaufen war.
4) Ich habe ein paar Jahre immer mal den Babysitter gemacht für eine Bekannte. Dass ein Baby oder Kleinkind dann sogar vermutet, man könne der Vater sein (wenn sich sonst keiner zeigt), ist verständlich. Eines Tages, als die Mutter erneut schwanger war, ging es darum, ob sie sich in die Obhut von Christen begibt oder doch zu ihrer eigenen Mutter zurückkehrt, aufs Dorf, in ärmliche Verhältnisse, wo ein weiteres Kind von ihr lebte, dass sie jahrelang weder gesehen noch unterstützt hatte. Sie entschied sich gegen meinen Rat für die Christen (die sie wiederum nach der Entbindung dann doch mit ihrer eigenen Mutter zusammenbrachten). Im Zuge der gespannten Atmosphäre zwischen uns, als diese von mir gebabysittete Tochter ahnte, dass sie in eine andere Stadt zu Fremden und dort in eine strenge „Schule“ musste (sie bat mich schon beim ersten Besuch dort, sie und ihre Mutter von dort wegzubringen), kam es zu einer wirklich rätselhaften Szene. Als ich zurück zu meiner Bude ging, rief mich das Kind noch einmal, und als ich mich umdrehte, machte es eine Mudra, und zwar eine, die ich noch von keinem Menschen überhaupt gesehen habe (außer auf Bildern). Als ich sie verblüfft animieren wollte, etwas dazu zu sagen, ging sie schweigend weg.
Nun sollte es hier ja aber nicht nur um seltsame Geschichten gehen, die jemand im ihm genehmen Referenzrahmen zu deuten geneigt ist. Also nicht nur um eine mögliche transzendente Fähigkeit,sondern auch um die unterscheidbaren Folgen. Ich werde diese also nun für die Fälle 2 – 4 benennen (im Falle 1 werden weitere Auswirkungen in den nächsten Monaten hier oder anderswo noch deutlicher).
Bei Geschehnissen wie im Beispiel 2, auf die ich unmittelbar Einfluss nehmen kann, tue ich das. Ein Sikh-Trickbetrüger wollte mich mit der „You are a lucky man“-Masche einwickeln (Näheres findet man im Internet), aber weil ich ihn durchschaute, gelang ihm nicht nur das nicht. Ich ging ihm nach und warnte einen anderen Westler, den er kurz darauf am Wickel hatte. Das Erkennen der üblen Motive anderer kann dann konkret zum Schutz potentieller Opfer genutzt werden.
Was Liebesgeschichten wie in Beispiel 3 angeht, bin ich sehr vorsichtig mit dem Ausmaß meiner Zuneigung. Man könnte meinen, das sei im Sinne des Buddhismus, der sich Gefühle ja gern als „neutral“ wünscht und den Adepten als gleichmütig und un-erregt. Das meine ich jedoch nicht, sondern dass ich beim nächsten Mal, so es das gibt, meine Energien der Zuneigung besser steuern will, so ähnlich wie ein Boxer, der ursprünglich mit Wut und Hass auf die Welt boxte, diese Wut auf Abruf nutzbar und damit kontrolliert fruchtbar zu machen lernt.  Im Kleinformat geschah etwas Ähnliches, als sich kürzlich ein recht stalkerhaft wirkender Typ für Frauen zu interessieren begann, die seit Jahren zu meinen Kontakten gehören. Dieser Mann benutzte nicht nur einen falschen Namen, er belog sie auch anderweitig, und weil die Frauen teils uneinsichtig waren, habe ich dann Strategien entwickelt, um ihn zu vertreiben und seinen Einfluss zu verringern. Das Unterscheidungsmerkmal ist hier – wenn ich sehe, welche Gewalt mir von Frauen berichtet wird, sobald männliche Eifersucht ins Spiel kommt –, dass eine nicht-anhaftende, gewaltfreie Lösung möglich wurde, weil ich um die Wirkmechanismen profaner Strategien in Verbindung mit den „transzendenten“ Wirkungen von Zuneigung nun mehr weiß.
In Beispiel 4 gehört zu meinen Mantren, der Mutter immer wieder zu sagen, wie wichtig es ist, dass ihre Kinder – also auch das „Mudra-Mädchen“ – einen Helm auf dem Moped tragen (wer in Südostasien war, hat schon gesehen, dass die Eltern zuweilen schon mit Helm fahren, ihre zwei, drei Kleinkinder auf dem Moped aber keinen tragen). Ich bin daran interessiert, dass es dem Kind gut geht, sorge gelegentlich für Unterstützung mit Medikamenten usw. Darüber hinaus ist das kaum ein Thema, ich habe den Vorfall mit der Mudra ein Mal einer Bekannten gegenüber angesprochen, aber der Theravada-Volksbuddhismus hier taugt nicht für eine Einordnung, und das Kind soll von meiner Einschätzung schon gar nichts erfahren.
Nach diesem Exkurs ins eher Private, der aber doch hoffentlich konkret genug war, gilt es noch einmal klar zu sagen, welche Unterscheidungsmerkmale der Buddhismus haben könnte, wenn wir einen Blick auf prominentere Buddhisten werfen.
Die zuvor genannten (Dalai Lama, TNH, Lama Ole) scheitern allesamt zunächst an der Tatsache, dass sie in materielle Umsätze verstrickt sind, die der Selbstgenügsamkeit spotten. Alle drei haben Verfügungsgewalt über Millionen (im Falle TNHs wird diese jetzt wohl von seiner Lebensgefährtin Chan Khong ausgeübt), und diese Millionen bleiben auch in ihrer Gewalt. Alle drei sind damit – im Falle des DL ist das vor allem ein Drama seiner Funktion und Rolle – in einem Modus des Dauerscheiterns bei buddhistischer Praxis. Je nach Erkenntnislage stellt sich dem Betrachter möglicherweise auch ein gewisses intellektuelles Defizit der Genannten dar, in ihren Reden und Schriften. Als Unterscheidungsmerkmal bleibt dann vor allem ihr Status, also das „Triviale“, das kein wirkliches Unterscheidungsmerkmal ist, wie wir festgestellt haben.
In meinen Augen macht es einen Unterschied, ob ich für jemandes Lehre eintrete, der in den Augen vieler Buddhisten und Nicht-Buddhisten als alter Lustmolch in Erinnerung bleibt; es macht einen Unterschied, wenn ich das Spektrum der Liebesverstrickungen auf eine für andere weniger leidvolle Weise reduziere; es macht einen Unterschied, wenn ich andere vor Heuchlern und Scharlatanen warne (die diese nicht erkennen können); und es macht einen Unterschied, ob ich, wenn auch meist aus der Ferne, ein Auge auf die Entwicklung eines Kindes habe, um das sich kein Vater kümmert. Zwar bin ich zu diesen Dingen im Grunde auch von meinen Eltern „gut“ erzogen worden, aber ich habe hier als Beispiele bewusst Erlebnisse und menschliche Kontakte gewählt, die in einem mehr oder weniger deutlichen spirituellen Kontext stehen und eine stärkere persönliche Antwort erfahren, als sie mir „von Haus aus“ wohl einfallen würde. Es gibt auch hier Menschen, die mein Verhalten im Beispiel 4 schon als „Mitleid haben“ beschrieben haben – was dann wohl „trivial“ wäre, aber eben nicht alles umfasst.
Ich kann nicht beurteilen, in welcher Weise Ähnliches sich z.B. bei den drei oben Genannten im Privatleben abspielt. Es ist jedoch offensichtlich, dass aufgrund ihres Einflusses auf größere Massen – den sie bewusst gesucht haben – ganz andere Nöte von ihnen angegangen werden müssten. Mich würde erfreuen, wenn alle Tibeter Organspender wären, wenn Plum Village Wohnraum und Ackerland für syrische Flüchtlinge zur Verfügung stellte oder wenn die millionenschwere Stiftung des Lama Ole ihr Geld an die Anhänger verteilen würde und diese damit Arme speisten und dergleichen. Ich wäre dann von ethischer Fähigkeit überzeugt, wenn sie – ohne sich transzendent herleiten zu müssen – konkret auf aktuelle Probleme eine hilfreiche Antwort fände. Stattdessen dreht man sich dort im Wesentlichen im Dunstkreis buddhistischer Lehren bzw. seiner eigenen Auffassung davon um sich selbst. Das ist so, wie wenn Politiker nur die Schlechtigkeit von Menschen wie Erdogan beschreiben, aber nichts Wirksames tun. Die buddhistische Ethik, also das, was ein Unterscheidungsmerkmal von Erwachtsein oder tiefer (buddhistischer) Erkenntnis sein könnte, bleibt damit gerade in den Kreisen der Aushängeschilder des Buddhismus weitgehend wirkungslos. Wie ich schon sagte, halte ich auch ein Rekurrieren auf die Gebote (shila) dafür verantwortlich, da diese ein „Nicht“(Tun) in den Vordergrund stellen, während die Bodhisattva-Ethik im Mahayana und Zen sich am aktiven Handeln messen lassen muss, statt der Vermeidung (darum kann auch mit Meditation oder Zazen noch nichts Wesentliches verwirklicht sein, und darum gibt es auch z.B. von Dôgen keine Überlieferung eines irgendwie ethisch relevanten Einflusses auf seine damalige Umwelt).  
Hoffentlich erwartet niemand von mir eine mathematische Gleichung, wie man dorthin kommt, einen Unterschied als Buddhist machen zu können. Es heißt in der Chan/Zen-Tradition schon früh, dies ergäbe sich von selbst. Ich bin nun über 30 Jahre auf diesem Weg und kann bestätigen, dass es meist keiner Anstrengung bedarf. Heute früh wollte ich meinen Wäschekorb zu meiner angestammten Wäschefrau bringen. Ihre studierte Tochter hat zwar einen gut bezahlten Job als Architektin in Singapur, sie aber muss noch zusätzlich Flaschen (Leergut) sammeln, um über die Runden zu kommen. Ich hatte einen anderen Termin, und als sie wieder einmal nicht da war, hielt ich es einfach mit der Drei-Atemzug-Regel des Hagakure. Dann brachte ich meinen Korb zwei Häuser weiter zu einer anderen Wäschefrau – obwohl ich der Erstgenannten gern treu bin. Hin und wieder gibt es Schwierigkeiten, für die drei Atemzüge nicht angemessen erscheinen. Meist geschieht „das Rechte“ jedoch ohne Anstrengung.
Ich weiß nicht, ob meine langen Ausführungen und Beispiele die Frage nach dem Unterscheidungsmerkmal von – sagen wir statt „Erwachen“ allgemeiner: einer möglicherweise tiefen Erkenntnis und/oder Erfahrung von Transzendenz beantworten konnten. Die eigentliche Erkenntnis oder Erfahrung von Transzendenz halte ich jedenfalls weder für trivial noch für buddhistisch, und sie ist es zumindest für andere dann nicht mehr, wenn sie ein Handeln bewirkt, dass ohne diese Erfahrung nicht stattgefunden hätte. Dies jedoch spielt sich m.E. in einem den Menschen allgemein zugänglichen Modus ab, der dann lediglich eine jeweils spezifische Deutung (in meinem Fall durch „Zen“) erfahren kann. Findet eine solche Erkenntnis und darauf folgendes adäquates Handeln nicht statt, ist das m.E. für einen Muslim, einen Christen, einen Agnostiker usw. ebenso bedauerlich wie für einen Buddhisten.


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