Meist beklagen sich Arbeitnehmer über ein zu kurzes, unrichtiges oder insgesamt zu schlechtes Arbeitszeugnis des Arbeitgebers. Von daher macht es – um Streitigkeiten vorzubeugen – oft Sinn, wenn man sich – z.B. im Kündigungsschutzverfahren – gleich auf den Inhalt des Arbeitszeugnisses einigt.
Einigung auf „Note“ für die Beurteilung beim Arbeitszeugnis möglich
Man kann hier eine Gesamtnote (z.B. „gut“) oder sogar den Entwurf des Zeugnisses durch den Arbeitnehmer vereinbaren. So auch im nachfolgenden Fall.
Arbeitnehmer sollte selbst das Zeugnis formulieren
Im Rahmen eines Rechtsstreits vereinbarte man, dass der Arbeitnehmer den Zeugnisentwurf erstellen sollte und der Arbeitgeber von den Formulierungen des Entwurfes nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abweichen durfte. Hier sollte man meinen, dass nun Streitigkeiten um das Zeugnis nicht mehr vorkommen sollten.
Arbeitgeber wich vom Zeugnisentwurf „nach oben hin ab“ und übertrieb
Aber ganz im Gegenteil. Der Arbeitgeber kam auf die Idee das Zeugnis nun so umzuschreiben, dass er die vom Arbeitnehmer verwendeten Bewertungen der Leistung und Führung im Arbeitsverhältnisses noch nach oben steigerte, so wurden nun Begriffen, wie „selbstverständlich„, „äußerst„, „sehr„, „extrem„, „hervorragend„, verwendet, was den Anschein der fehlenden Ernsthaftigkeit auf Seiten des Arbeitgebers erweckte.
Damit aber nicht genug, der Arbeitgeber schrieb auch noch
„wenn es (eine) bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“.
Weshalb der Arbeitgeber diese Formulierungen benutzte, konnte er nicht nachvollziehbar erklären.
Landesarbeitsgericht Hamm entschied für den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer klagte und gewann auch in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 14.11.2016 – 12 Ta 475/16), welches dazu ausführte:
Sinn und Zweck des Zeugnisses ist es, einem potentiellen Arbeitgeber ein möglichst wahres Urteil über die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis zu geben (BAG, Urt.v. 18.11.2014- 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, 437). Insofern leistet das erteilte Zeugnis nichts. Denn aufgrund der an vielen Stellen gesteigerten Formulierungen wird jeder unbefangene Leser des Zeugnisses erkennen, dass diese Formulierungen nicht ernstlich gemeint sind. Es handelt sich um Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Gläubiger zu treffen (vgl. § 109 Abs. 2 S 2 GewO). Dies wird nicht nur durch die Steigerungen deutlich, sondern aus der abschließenden Leistungsbeurteilung „wenn es bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Abgesehen davon, dass dieser Satz grammatikalisch misslungen ist (zum Anspruch auf ein „gehöriges“ Zeugnis vgl. BAG im Urteil v. 3. 3. 1993, AP Nr. 20 zu § 630 BGB), wird dadurch der ironisierende Charakter des Gesamtzeugnisses deutlich, nämlich dass sie ihre Beurteilungen nicht ernst meint.
Rechtsanwalt Andreas Martin