Wolfgang Krisai: Vulkanausbruch. Abklatschtecnik, mit Deckfarbe überarbeitet. 1999.
Udine, auf der Rückfahrt von Frankreich, im Sommer 2013: Wir parken zu Mittag in der erstbesten Parkgarage am Rand der Altstadt und haben eine Stunde Zeit, um einerseits etwas zu essen und andererseits Buchhandlungen zu suchen, von denen wir nicht wissen, wo sie überhaupt sind. Doch kaum sind wir 50 Schritt von der Parkgarage entfernt, stoßen wir schon auf eine Buchhandlung, die noch dazu noch offen hat. Es ist eine Buchhandlung vom Typus „Modernes Antiquariat“. Umso besser. Wir stürzen uns also hinein und durchforsten im Eiltempo die Regale. Und unter anderem entdecke ich diesen wunderbar illustrierten Band, der verbilligt nur 10 Euro kostet – statt ursprünglich 29.000 Lire bzw. 14.98 Euro. Es ist ein Band der mir bislang unbekannten Reihe „Penna & Matita“ aus dem Verlag Cartacanta, Milano.
Auf der Insel Stromboli
Der im Titel genannte Vulkan ist der Stromboli auf der gleichnamigen Insel. Dorthin zieht sich ein Drehbuchautor, Sebastiano Guarienti, im März kur vor der Jahrtausendwende zurück, um an einem Drehbuch nach einem Roman zu schreiben. Er nimmt seinen Hund Dromos mit. Auf der Insel kennt er Vermieter, bei denen er sich schon öfter einquartiert hat. Und da die Insel so winzig ist, kennt dort jeder jeden, der sich mehr als 14 Tage dort aufhält.
Im Hafen von Neapel muss er erst einmal in Erfahrung bringen, ob die Fähre überhaupt ablegt, da unglaubliches Sauwetter herrscht. Er trifft schon zwei Insulaner, die eine riesige Kiste nach Stromboli schaffen sollen, worin sich ein Cembalo für Signora Isabella Freney, eine rüstige und vor allem steinreiche alte Französin, befindet, die ebenfalls das Cembalo begleitet. Die Fähre fährt trotz des schlechten Wetters und erreicht am nächsten Morgen Stromboli. Da Guarienti und Signora Freneye bis tief in die Nacht hinein in der Schiffsbar zusammengesessen sind (als einzige Passagiere, die nicht seekrank geworden sind), ist es kein Wunder, dass der Kontakt auch auf der Insel intensiv weitergepflegt wird, zumal sich die beiden ja ohnehin schon kennen und Nachbarn sind.
Signora Freney hat ihren Neffen und dessen Frau zu Besuch, die beide etwas distanzierte Typen sind. Sie haben sich, sagt die Signora, quasi selbst eingeladen.
Zu einem ordentlichen Stromboli-Aufenthalt gehört offenbar auch eine Besteigung des Vulkans, und das gilt auch für die betagte Signora Freney, die also einige Tage später mit ihren Verwandten den Berg besteigt.
Abends wollte sie eigentlich zurück sein, denn sie hat Guarienti auf ein Glas Wein eingeladen. Als dieser erscheint, ist aber niemand da.
Mord?
Am nächsten Morgen trifft er jedoch den Neffen und seine Frau, die mit vollem Gepäck an der Schiffsstation warten, sehr wortkarg sind und ihm so schnell wie möglich zu entkommen suchen. Das ist verdächtig. Als Guarienti zufällig den örtlichen Maresciallo der Carabinieri trifft, schildert er ihm das seltsame Verhalten des Paars, und der Polizist nimmt die beiden Verdächtigen zu einem Verhör mit, während Guarienti nochmals das Haus der Signora aufsucht. Er dringt durch die angelehnte Terrassentür ein, findet die Signora aber nicht. Auf der Polizeistation knickt die Frau des Neffen dann beim Verhör bald ein und verlangt, dass der Neffe die „Wahrheit“ sage. Die sieht so aus:
Auf dem Rückweg vom Vulkangipfel ist es schon dämmrig. Der Neffe gerät mit der Signora in Streit über den Weg, sie will einen anderen zurück wählen – und wurde seither nicht mehr gesehen.
Die Polizei löst nun eine Suchaktion aus, an der sich nicht nur ein Hubschrauber aus Lipari beteiligt, sondern auch zahlreiche Einheimische und natürlich Guarienti mit einer Bekannten namens Frieda und zwei Hunden (seinem eigenen und dessen einheimischer „Freundin“). Doch die alte Dame ist unauffindbar. Schon befürchtet Guarienti einen Mord, doch schließlich entdecken Frieda und er die Signora, die erschöpft, aber lebend am Boden liegt. Sie ist gestürzt und hat sich einen Arm gebrochen.
Als die Signora erfährt, dass ihre Verwandten festgenommen sind, beteuert sie, ganz allein an ihrem Unfall schuld zu sein. Sie wird ins Krankenhaus in Messina gebracht.
Frieda besucht sie dort und erfährt einige Hintergründe für den Streit zwischen Tante und Neffen. Nicht nur fürchtete der Neffe, sein Erbe zu verlieren, da die Tante (selbst kinderlos) ihre Besitzungen verkaufen wollte, statt sie ihm zu vererben, sondern er erfuhr auch, dass er der Spross eines Ehebruchs des Gatten der Signora mit deren Schwester ist. Das alles erklärt zwar die verantwortungslose Verhaltensweise des jungen Paares nicht, das, statt Alarm zu schlagen und nach der Tante zu suchen, davonfahren wollte, aber zu einer hundertprozentigen Aufklärung der Sache wird es nicht kommen, da die Signora steif und fest dabei bleibt, selbst schuld zu sein.
Mit großformatigen Bildern illustriert
Guarienti kommt lt. Klappentext auch in zwei Romanen Farinettis vor.
Der Band ist wunderbar illustriert, und zwar mit großformatigen Acrylbildern (vermute ich), die ganz realistisch und gleichzeitig großzügig abstrahiert sind. Sie dominieren eindeutig den Text, der sich fast verschämt zwischen die riesigen Bilder schieben muss.
Toller Band, inzwischen leider im Ramsch – oder zum Glück. So wie auch die restlichen Bände der Reihe, unter denen mich vor allem „L’uomo senza ombra“, also „Peter Schlemihls seltsame Geschichte“, von Adelbert von Chamisso interessiert hätte. Habe ich mir alle fünf bei Internet Bookshop Italia zum Halbpreis bestellt.
Das Buch:
Gianni Farinetti (Text), Alex Cecchetti (Illustrationen): L’ombra del vulcano. Cartacanta editore, Milano, 2000. 79 Seiten.