Ghostpoet
„I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep“
(Play It Again Sam)
Natürlich könnte manche/r fragen, warum man sich ein Album wie dieses überhaupt antut. In Zeiten, die ohnehin nicht die fröhlichsten sind. Die altgewohnten Gewissheiten erodieren, gut und böse sind deutlich schwerer auseinanderzuhalten, Familien, Freundeskreise, die Gesellschaft, es knirscht und bröckelt an allen Enden und wir verlieren die Übersicht, das Verständnis, die Geduld und (womöglich) auch ein Stück weit auch unsere Mitmenschlichkeit. Und dann also dieser Obaro Ejimiwe, genannt Ghostpoet. Nun, einfach zu haben war der schon lange nicht, seit seinem Debüt „Peanut Butter Blues And Melancholy Jam“ hat sich der gebürtige Nigerianer, wohnhaft in London, der dunklen Seele der Musik verschrieben. Und die sucht sich, um die Eingangsfrage zu beantworten, nun mal ihre Adressaten. Wobei er wohl noch nie so düster war, uns Zuhörer noch nie so tief hat in den Abgrund blicken lassen wie auf dieser, seiner fünften Platte. Der Köder ist bei jedem ein anderer – hier war es der kurz an Billie Eilishs Geniestreich „When We Fall Asleep, Where Do We Go?“ gemahnende Titel, der hier doch um so vieles ernster und dystopischer angelegt ist. Und das buchstäblich pechschwarze Video zur ersten Single „Concrete Pony“: Ejimiwe sitzt, äußerlich unbewegt, in enger Ungemütlichkeit und betrachtet seinen baselitz’schen Dämonen kopfüber an der Decke, ringt jedoch, wird bedrängt in zwischengeschnittenen Albtraumbildern, alles zerfließt, verschwimmt, verklebt auch.
Sinnbilder das alles vielleicht: Die Welt, die Kopf steht, der müde Blick, die Schwere der eigenen Existenz, zurückgeworfen und letztlich einsam – eben dieser Welt müde sein und doch Angst davor haben, einzuschlafen. Bedrohlicher, verletzlicher kann man es kaum formulieren und düsterer nicht arrangieren. Der Sound, mit dem Ghostpoet uns an seinen Gedanken teilhaben läßt, ist ein äußerst spannender – elektrischer Blues, trockenes, bleischweres Schlagwerk, verstörende Geräusche, Streicher, Piano, Jazzsequenzen, alles sehr reduziert und LoFi, dennoch sehr komplex und dicht. Ejimiwe bringt in Interviews selbst The Fall mit Mark E. Smith (er nennt ihn einen „un-musician“) und Mark Hollis‘ Talk Talk ins Spiel, natürlich sind auch Massive Attack und die Bad Seeds von Cave als Orientierungspunkte nicht weit. Für die klaustrophobische Stimmung des Werkes könnten alle Genannten ihren Beitrag leisten, der Monolog auf engstem Raum, Dunkelkammermusik ohne Fluchtweg.
„Nowhere To Hide Now“ heißt ein Titel und der könnte eigentlich nicht besser zur gegenwärtigen Situation von uns allen passen. Quaratäne-Blues, auch wenn er darauf keinen direkten Bezug nimmt. Denn dieser Bezug, das weiß er wohl, verbraucht sich auch schnell. Vielmehr geht es in den Songs um Grundsätzliches, um unsere Verlorenheit in der Zeit, überwacht, überfordert, überdreht, ausgelaugt und nicht selten frustriert und machtlos. Mit „I am alive“ beginnt er die gut vierzig Minuten („Breaking Cover“), doch schnell heißt es dort: „I wanna die … I wanna know. What’s it all mean? What are we here? Is this the end? Can we turn back?“ – Ratlosigkeit in Worte gefaßt. Fast jeder Song des großartigen Albums dealt mit dieser Ohnmacht, er selbst sei, so sagte er kürzlich dem Onlinemagazin CLASH, zunehmend abgestumpft und deshalb sehr froh, all diese Gedanken und Gefühle in seiner Musik ansprechen, abarbeiten zu können. Denn andererseits, so seine Meinung, gäbe es ja durchaus Hoffnung, niemand wisse schließlich, wohin die Gesellschaft sich nach überstandener Pandemie hinbewege und ob sie nicht doch etwas dazugelernt habe. Wachsam bleiben, wach bleiben, das ist das Mindeste, das wir tun können – „Call it a mission, call it a inner fear, but I am awake, I am awake“, heißt es dazu im Titelsong.
18.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
17.10. Köln, Club Volta
23.10. Berlin, Columbia Theater
29.10. München, Strom
30.10. Bern, Dachstock
„I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep“
(Play It Again Sam)
Natürlich könnte manche/r fragen, warum man sich ein Album wie dieses überhaupt antut. In Zeiten, die ohnehin nicht die fröhlichsten sind. Die altgewohnten Gewissheiten erodieren, gut und böse sind deutlich schwerer auseinanderzuhalten, Familien, Freundeskreise, die Gesellschaft, es knirscht und bröckelt an allen Enden und wir verlieren die Übersicht, das Verständnis, die Geduld und (womöglich) auch ein Stück weit auch unsere Mitmenschlichkeit. Und dann also dieser Obaro Ejimiwe, genannt Ghostpoet. Nun, einfach zu haben war der schon lange nicht, seit seinem Debüt „Peanut Butter Blues And Melancholy Jam“ hat sich der gebürtige Nigerianer, wohnhaft in London, der dunklen Seele der Musik verschrieben. Und die sucht sich, um die Eingangsfrage zu beantworten, nun mal ihre Adressaten. Wobei er wohl noch nie so düster war, uns Zuhörer noch nie so tief hat in den Abgrund blicken lassen wie auf dieser, seiner fünften Platte. Der Köder ist bei jedem ein anderer – hier war es der kurz an Billie Eilishs Geniestreich „When We Fall Asleep, Where Do We Go?“ gemahnende Titel, der hier doch um so vieles ernster und dystopischer angelegt ist. Und das buchstäblich pechschwarze Video zur ersten Single „Concrete Pony“: Ejimiwe sitzt, äußerlich unbewegt, in enger Ungemütlichkeit und betrachtet seinen baselitz’schen Dämonen kopfüber an der Decke, ringt jedoch, wird bedrängt in zwischengeschnittenen Albtraumbildern, alles zerfließt, verschwimmt, verklebt auch.
Sinnbilder das alles vielleicht: Die Welt, die Kopf steht, der müde Blick, die Schwere der eigenen Existenz, zurückgeworfen und letztlich einsam – eben dieser Welt müde sein und doch Angst davor haben, einzuschlafen. Bedrohlicher, verletzlicher kann man es kaum formulieren und düsterer nicht arrangieren. Der Sound, mit dem Ghostpoet uns an seinen Gedanken teilhaben läßt, ist ein äußerst spannender – elektrischer Blues, trockenes, bleischweres Schlagwerk, verstörende Geräusche, Streicher, Piano, Jazzsequenzen, alles sehr reduziert und LoFi, dennoch sehr komplex und dicht. Ejimiwe bringt in Interviews selbst The Fall mit Mark E. Smith (er nennt ihn einen „un-musician“) und Mark Hollis‘ Talk Talk ins Spiel, natürlich sind auch Massive Attack und die Bad Seeds von Cave als Orientierungspunkte nicht weit. Für die klaustrophobische Stimmung des Werkes könnten alle Genannten ihren Beitrag leisten, der Monolog auf engstem Raum, Dunkelkammermusik ohne Fluchtweg.
„Nowhere To Hide Now“ heißt ein Titel und der könnte eigentlich nicht besser zur gegenwärtigen Situation von uns allen passen. Quaratäne-Blues, auch wenn er darauf keinen direkten Bezug nimmt. Denn dieser Bezug, das weiß er wohl, verbraucht sich auch schnell. Vielmehr geht es in den Songs um Grundsätzliches, um unsere Verlorenheit in der Zeit, überwacht, überfordert, überdreht, ausgelaugt und nicht selten frustriert und machtlos. Mit „I am alive“ beginnt er die gut vierzig Minuten („Breaking Cover“), doch schnell heißt es dort: „I wanna die … I wanna know. What’s it all mean? What are we here? Is this the end? Can we turn back?“ – Ratlosigkeit in Worte gefaßt. Fast jeder Song des großartigen Albums dealt mit dieser Ohnmacht, er selbst sei, so sagte er kürzlich dem Onlinemagazin CLASH, zunehmend abgestumpft und deshalb sehr froh, all diese Gedanken und Gefühle in seiner Musik ansprechen, abarbeiten zu können. Denn andererseits, so seine Meinung, gäbe es ja durchaus Hoffnung, niemand wisse schließlich, wohin die Gesellschaft sich nach überstandener Pandemie hinbewege und ob sie nicht doch etwas dazugelernt habe. Wachsam bleiben, wach bleiben, das ist das Mindeste, das wir tun können – „Call it a mission, call it a inner fear, but I am awake, I am awake“, heißt es dazu im Titelsong.
18.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
17.10. Köln, Club Volta
23.10. Berlin, Columbia Theater
29.10. München, Strom
30.10. Bern, Dachstock