Ghetto Bitch
Gernot Gricksch
978-3791500065
14,99 €
Hochglanz-Girl im Hochhaus-Schick: Die 15-jährige Nele wohnt mit ihrer Familie im schicken Hamburg-Poppenbüttel und führt ein unbeschwertes Leben. Doch plötzlich nimmt ihr Leben eine gravierende Wendung: Neles Vater stirbt und hinterlässt Berge von Schulden! Neles Mutter ist gezwungen, mit ihr und ihrem 14-jährigen Bruder das Villenviertel gegen eine Hochhaussiedlung in Hamburg-Steilshoop einzutauschen. Schnell ist Nele hier die arrogante Zicke vom Dienst und lässt kein Fettnäpfchen aus. Als jedoch der 17-jährige Skater Rick auftaucht, gelingt es Nele immer besser, sich in ihr neues Umfeld zu integrieren.
Gernot Gricksch kennen bestimmt viele. Eines seiner Bücher wurde sogar verfilmt: „Das Leben ist nichts für Feiglinge„. Meine persönlichen Favoriten sind:
Königskinder
Das Leben ist nichts für Feiglinge.
Letzteres ist fast ein Jugendbuch, denn es geht um ein 15-jähriges Mädchen dessen Mutter gestorben ist. In diesem Buch merkte der Leser, dass Gernot Gricksch mit verschreckten Teens ziemlich gut umgehen kann. Jetzt in „Ghetto Bitch“ steigert sich der Autor, fasziniert mich, die Leserin, und kann sich auf die Schulter klopfen.
Wir finden uns in Poppenbüttel wieder. Dort klingelt man erst, damit das Tor geöffnet wird und der Wagen passieren kann. Dort gibt es Menschen, die 90er Hippies sind, nur Tee trinken und um die Welt gondeln. Sie halten sich nur ein klein bisschen für etwas Besseres. Gut situiert, alles bekommen, was man will – das ist Neles Lebenseinstellung. Sie passt ganz ins Bild eines verwöhnten Kindes. Dann folgt der Schicksalsschlag und es wird klar, dass alles nur ein aufrechterhaltener Schein war, denn die Familie ist pleite.
Der Umzug in ein Lebensumfeld, das das genaue Gegenteil ist, erfolgt. Plattenbau, Kids am Kiosk auf der Straße, Frauen mit Rolltor vor der Tür. All das ist Nele nicht gewohnt. Neue Freunde müssen her, aber sie ist anders, immer noch das Püppchen, beäugt die Assis in ihrer Gegend und denkt oft: „Ihr seid so unterste Schublade!“
Bis Nele umziehen muss, vergehen nur ein paar Seiten. Aber die reichen, um einen guten Einblick in ihr bisheriges Leben zu bekommen. Sie war immer die gute Zuhause, Sportlerin, beliebt und einfach ganz toll. Ihr Bruder war die Schattenseite: ungeliebt in der Schule, ungewaschen und dick. Das lustige ist: ihr Bruder ist von Anfang an der Sympathieträger im Buch. Er ist authentisch, rümpft nicht sofort bei allem die Nase und vor allem hat er keine Vorurteile gegenüber den Steilshoopern. Harzt 4? Das sind sie nun selber und er nimmt es als Herausforderung an und passt nun viel besser in seine neue Umgebung. Er kann sich von seiner Schwester noch eine Scheibe abschneiden.
Ich war genervt von Nele. Meiner Ansicht nach versucht sie bis kurz vor Schluss gar nicht, in dem neuen Leben anzukommen. Assi ist ein Wort, das ich zu oft von ihr höre. Sie beleidigt mit ihren Taten, Wörtern und Blicken oft Menschen in ihrer Umgebung. Sie merkt nicht, dass einige es einfach gut mit ihr meinen. Klar ist so eine Situation schwierig, aber Neles Wandel ist manchmal zu langsam dargestellt und macht sie einfach unsympathisch. Wäre ich ein Klassenkamerad von ihr gewesen oder Rick hätte ich sie viel öfter links liegen gelassen.
Es gibt einige Nebenthemen in diesem Roman. Natürlich ist die Liebe dabei, aber auch Mobbing, Drogenmissbrauch und Kriminalität werden angesprochen. Ich bin froh, dass der Autor nicht zu tief in die Kriminalitätskiste gegriffen hat und der Eindruck vom Stadtteil ist nicht ganz so schlecht. Der Mobbingaspekt hat mir sehr gut gefallen und gibt einen tollen Einblick, in eine Welt, die heutzutage an der Tagesordnung steht. Das Mobbingopfer wehrt sich sogar, denkt aber nicht über seine Konsequenzen nach und das ist ein Einblick, den es in Büchern viel zu wenig gibt. Etwas zu kurz kommt das Thema Drogenmissbrauch. Man hätte es auch weglassen können. Es ist wie ein i-Tüpfelchen, was noch erwähnt werden musste, damit alle Klischees einmal im Text vorkommen.
Zum Schluss vergebe ich vier Bücherpunkte, da die Geschichte gut durchdacht ist und ein Blick auf zwei verschiedene Lebensweisen gibt. Die vielen Klischees werden zum Teil entwertet oder bestätigt. An manchen Stellen hat es mir gefallen, an anderen weniger. Nele ist nicht der Sympathieträger in dieser Geschichte und ich frage mich, warum die Protagonistin unbedingt weiblich sein sollte? Wäre ein Buch aus Sicht von ihrem Bruder nicht genauso effektiv gewesen?