“Neues Deutschland”, 28.04.2010
Deutsche Exporte aus der Autoindustrie und anderen Branchen nehmen stärker zu
Die deutsche Exportindustrie dürfte generell von der Schwächephase Nippons profitieren.
Japans Automobilindustrie muss als Folge des verheerenden Erdbebens weiterhin schwere Produktionsausfälle verkraften. Der Ausstoß aller japanischen Fahrzeugfabriken war im März katastrophenbedingt um mehr als 50 Prozent gesunken. Beim weltgrößten Autobauer Toyota verließen nur noch 130 000 Fahrzeuge die japanischen Montagewerke – ein Produktionseinbruch von 62,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ähnlich sieht es bei Nissan und Honda aus. Den Fahrzeugproduzenten machen vor allem die Zerstörungen in der nordostjapanischen Region Tohoku zu schaffen, wo viele Zulieferfirmen wichtige Komponenten fertigen.
Honda hat gestern angekündigt, ab Ende die Bänder im Werk in Brasilien für elf Tage anzuhalten. Toyota sieht sich genötigt, ebenfalls in Brasilien, aber auch in den europäischen Werken die Arbeit für mehrere Tage ruhen zu lassen. Eine Rückkehr zum normalen Produktionsniveau will man erst gegen Jahresende erreichen. Diese Ausfälle werden wohl Toyota die 2008 errungene Position als Weltmarktführer kosten – in diesem Jahr dürften General Motors und Volkswagen vorbeiziehen.
Der Mangel an Komponenten resultiert vor allem aus der »Just-in-time-Produktion«, bei der die Lagerhaltung aus Kostengründen auf die Transportwege ausgelagert wird. Daran ändert sich aber nichts. Als Reaktion auf die Katastrophe sind erste Betriebsverlagerungen von Autozulieferern nach Thailand und Singapur bekannt geworden, was die schwer angeschlagene japanische Volkswirtschaft weiter schwächen dürfte.
Der deutsche IT-Branchenverband BITKOM sieht insbesondere die deutsche Elektronikindustrie als Hauptgewinner der Probleme in Japan. Die Autobranche werde künftig auf Fertigungsteile aus Regionen zurückgreifen, die weniger von Naturkatastrophen gefährdet sind. Ähnlich argumentiert Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, der eine »Sonderkonjunktur für deutsche Zulieferer« prognostiziert. Dies gelte aber auch für hiesige Autobauer selbst. In der deutschen Automobilindustrie sind zudem keine schwerwiegenden Lieferengpässe zu erwarten, da diese nicht so stark auf Komponenten aus Japan angewiesen ist wie etwa ihre US- Konkurrenten, so das Fazit einer Analyse der Unternehmensberatung EFS.
Somit dürften hiesige Fahrzeughersteller zumindest kurzfristig weitere Exporterfolge erzielen. Der Verband der Deutschen Autoindustrie (VDA) geht für das laufende Jahr von einem Produktionswachstum von 12 Prozent und einem Anstieg der Exportquote von 25 Prozent gegenüber 2010 aus. Insbesondere in China gelang es den deutschen Konzernen, mit einem Absatzplus von 30 Prozent im ersten Quartal 2011 deutlich stärker als der Markt zu wachsen.
Dabei dürfte die deutsche Exportindustrie insgesamt von der Schwächephase Nippons profitieren – beide Volkswirtschaften sind stark exportorientiert. Japans Unternehmen zählen auch im Maschinenbau, in der Informations- und Elektroindustrie zu den schärfsten Wettbewerbern deutscher Konzerne. Kein Wunder also, dass der Bundesverband des Groß- und Außenhandels jetzt die Prognose der deutschen Exporte für 2011 angehoben hat – sie sollen sich erstmals auf mehr als eine Billion Euro summieren.