Gewettet und verloren

Gewettet und verlorenNeben dem "Kampf gegen rechts" war es die wichtigste Schlacht gegen einen Popanz, die die deutsche Politik in den vergangenen Jahren zu schlagen vorgab. Sportwetten drohten, die gesamte Mittelschicht verarmen zu lassen, Millionen Süchtige drängten sich vor Wettannahmestellen, im Internet grassierte das Wettfieber als Massenphänomen.
Bis die Bundesregierung im Verein mit den Ländern durchgriff. Der versuch, den Ausgang von Fußballspielen vorherzusagen, wurde untersagt, Werbung für Wettanbieter aus Malta, Gibraltar und Österreich war nur noch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zulässig. Fußballmannschaften, die Werbeverträge mit Wettanbietern geschlossen hatten, mussten sich dagegen Ausweichleibchen besorgen, wollten sie in Kernstaaten des Verbotes wie Sachsen-Anhalt öffentlich auftreten.
Hier hatte das vom bei der NVA ausgebildeten Minister Holger Hövelmann geführte Innenministerium früh entschieden, dass nur die im Landesbesitz befindliche Lottogesellschaft suchterzeugende Spiele anbieten dürfe. Weil nur sie den im Landesparlament vertretenen Parteien einen Teil ihrer Gewinne zur Verfügung stelle, auf dass diese sie in ihren Wahlkreisen für gute Zwecke oder an gute Freunde verteilen können, sei es auch nur ihr erlaubt, öffentlich mit großen Fahnen, Werbeplakaten und Straßenbahnaufklebern für die Teilnahme an charakterschädlichen Glücksspielen zu werben. Wer hingegen bei anderen Wettanbietern tippe, dass Bayern sein Pokalspiel in Großröhrschen gewinne, riskiere einfach zuviel und müsse damit rechnen, von Polizei und Staatsanwaltschaft entsprechend verfolgt zu werden. Zur Not erwäge das Land, die Internetseiten von Wettanbietern sperren zu lassen, hieß es in Magdeburg.
Als gesetzliche Grundlage dafür diente ein "Staatsvertrag", den alle Landesregierungen miteinander geschlossen hatten, um die eigentlich europaweit geltende Niederlassungsfreiheit und das Recht auf freien Dienstleistungsverkehr auf gesetzlichem Wege auszuhebeln. Mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Vertrag wetteten die Landesregierungen darauf, dass ein Verbot jeder Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen im Internet sich gegen geltendes Europarecht durchsetzen lassen würde: Mittel war die Abschottung des deutschen Marktes gegen Anbieter, die in anderen Ländern Europas legal arbeiten, Ziel der Erhalt der Pfründe aus dem Staatslotto, auf die alle Landesregierungen "in Zeiten knapper Kassen" (Angela Merkel) zur Verteilung von gelegentlichen Wohltaten angewiesen sind.
Ein Versuch, den der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) jetzt für unvereinbar mit dem Europarecht erklärt hat. Das in Deutschland errichtete staatliche Monopol für Sportwetten und Lotterien sei unzulässig, teilte der EuGH mit, denn zum einen führten die Inhaber der staatlichen Monopole intensive Werbekampagnen durch, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren, zum anderen betrieben oder duldeten die deutschen Behörden selbst Glücksspiele wie Kasino- oder Automatenspiele, die ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die vom Monopol erfassten Spiele. Dies sei "eine Politik, mit der zur Teilnahme an diesen Spielen ermuntert" und unter diesen Umständen lasse sich das angebliche "präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen, so dass das Monopol nicht mehr gerechtfertigt werden kann.“
Der Gerichtshof wies die als Rechtsbrecher auftretende deutsche Politik darauf hin, dass die nationale Regelung, die gegen die Grundfreiheiten der Union verstößt, "auch während der Zeit, die erforderlich ist, um sie mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, nicht weiter angewandt werden darf". Während Real Madrid bei einem Vorbereitungsspiel in München vor drei Wochen noch ohne Aufdruck seines Trikotsponsors Bwin auflaufen musste, um nicht Gefahr zu laufen, vom Platz weg verhaftet zu werden, dürfen die Spanier beim nächsten Gastspiel in Bayern korrekt gekleidet antreten. Ein kleiner Trost nur für Anbieter wie Sportwetten Gera. Die sind inzwischen auf der Strecke geblieben.


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