Die Räumung der Liebig 14 erhitzt derzeit die Gemüter nicht nur in Berlin Friedrichshain. Offenbar haben die einstigen Bewohner diese Hauses einiges aufgeboten, um Gerichtsvollzieher und Polizei Widerstand entgegen zu setzen, den Live-Tickern rund um das Ereignis war zu entnehmen, dass sich die Hauseigentümer nun sicherlich über weitaus mehr ärgern müssen als über eine angeblich illegal eingebaute Tür, die den Grund für die Kündigung sämtlicher Hausbewohner lieferte. Denn anders als immer wieder behauptet, handelt es sich bei der Liebig 14 keineswegs um eins der letzten besetzen Häuser in Berlin – die Bewohner hatten Mietverträge und zahlten Miete, was sie durchaus von illegalen Hausbesetzern unterscheidet. Aber legal, illegal, scheißegal -vermutlich war die Miete nicht allzu hoch, weshalb die beiden Eigentümer des Hauses eine Lösung suchten, die unliebsamen Bewohner los zu werden.
Das ist kein Einzelfall. Auch in gutbürgerlichen Gebieten werden Mieter mit alten Mietverträgen, denen man deshalb nicht so viel aus der Tasche ziehen kann, wie neuen Mietern, die Metropolenpreise bezahlen können und wollen, aus ihren Wohnungen vertrieben. Aber natürlich ist Friedrichshain ein besonderes Pflaster. Ich kann nicht mal sagen, dass ich für diese Szene besonders viel übrig hätte – es klingt vielleicht etwas eigenartig, aber die Leute sind mir zu unpolitisch – und das auf eine sehr verbohrte Weise. Ich habe genug Hausbesetzer kennengelernt, die im Grunde ihres Herzen verdammte Spießer sind. Denn alternative Lebensmodelle, die darauf beruhen, die bürgerliche Moral halt durch eine alternative Moral zu ersetzen, bleiben dabei eben furchtbar moralisch – und Moral stellt erstmal immer Anforderungen an die anderen. Moralische Menschen erwarten von anderen, dass sie sich ihrer Moral unterwerfen und sich entsprechend verhalten. Und sie werden sehr humorlos, wenn man ihre Erwartungen nicht erfüllt.
Warum nicht Moral an sich kritisieren?! Was ist das überhaupt und was stellt es mit uns an? Das wäre doch mal eine Frage! Aber wird das hinterfragt? Fehlanzeige! Wer sich nicht an den moralischen Kodex der Gruppe hält, ist ein Arschloch und muss bekämpft werden. Das ist nicht nur im Bürgertum so, sondern auch in der alternativen Szene. Und es ist genauso borniert, genauso engstirnig – weil es eine ehrliche und tiefergehende Analyse verhindert, was denn in der Gesellschaft tatsächlich falsch läuft und wie man das nachhaltig verändern kann.
Natürlich bin ich auch gegen Nazis und für internationale Solidarität, natürlich finde ich es auch schier unerträglich, Miete zahlen zu müssen, und ich hab auch keine Lust, jeden Morgen aufzustehen, um für meinen Chef den Profit zu maximieren, während ich nur die Brosamen abbekomme, die er dabei vom Tisch fallen lässt. Ich halte mich aber nicht für ein unmoralisches Arschloch, nur weil ich meinen Job mache und meine Miete zahle (zähneknischend). Mir ist völlig klar, dass wir ein einem System von Zwang und Repression leben – aber um das zu kapieren, dazu brauche ich keine Wasserwerfer vorm Frankfurter Tor. Da muss man sich nur mal anschauen, wer in diesem Staat davon profitiert, dass die Leute sich um einen schlecht bezahlten Arbeitsplatz streiten. Wenn das kein Beweis dafür ist, dass es einen gnadenlosen Zwang zur Selbstoptimierung und zur Konkurrenz gibt!
Aber was ändern denn die Liebig-Leute und ihre Sympathisanten am System?! Gar nichts. Die freuen sich, dass die Polizei ratlos vor der abgerissenen Treppe im zugemauerten Haus steht. Ja und? Wird die Welt davon irgendwie besser? Klar gönne ich den Typen, die meinen, das es eine gute Geldanlage ist, ein Haus in Friedrichshain zu kaufen, dass sie nun erstmal eine Menge investieren müssen, um das eben noch bewohnte Haus nach der Räumung – die sie offenbar um jeden Preis wollten – nun erstmal wieder bewohnbar machen müssen. Der Preis ist in Friedrichshain nun mal höher. Wobei sich diejenigen unter den Bewohnern, die Geld verdienen, vermutlich warm anziehen müssen, denn erfahrungsgemäß sind Vermieter sehr humorlos, was die Beschädigung der Mietsache angeht. Aber was ändert es daran, dass alle anderen, die sich, genau wie die Leute in der Liebig 14, kein Haus kaufen können, eben Miete zahlen müssen? Es geht nicht nur um alternative Hausprojekte, es geht um alle, die einen viel zu großen Teil ihres Einkommens für Miete aufwenden müssen. Wo bleibt die Solidarität mit den unglaublich vielen, die um überhaupt Miete zahlen zu können, die letzten Jobs machen?!
Warum so viel Energie mit sinnlosen, letztlich destruktiven Aktionen verpulvern, anstatt zu überlegen, was ganz generell schlecht am Miete zahlen und am Geld verdienen müssen ist? Warum nicht an alle denken sondern letztlich immer nur an sich?