Gewalt gegen Derwische im Iran ist Folge einer messianischen Doktrin der Machthaber

Gewalt gegen Derwische im Iran ist Folge einer messianischen Doktrin der Machthaber

01.06.2010Menschenrechte im Iran Artikel zu Iran Hintergrund erstellt von Helmut N. Gabel

Das Regime im Iran setzt Sufi Derwische weiterhin unter Druck und beraubt sie ihrer Rechte.

Gewalt gegen Derwische im Iran ist Folge einer messianischen Doktrin der MachthaberGewalt gegen Derwische im Iran ist Folge einer messianischen Doktrin der MachthaberGewalt gegen Derwische im Iran ist Folge einer messianischen Doktrin der Machthaber

Wer als Tourist die Schönheit und alte Kultur im Iran bestaunen will, wird sicher auch in die nach Mekka bedeutendste Pilgerstadt Maschad im Nordosten des Landes geraten. Von dort fahren Unternehmungslustige weiter nach Yazd, wo sich viele Zeugnisse der Zarathustrischen Religion finden und kommen auf halbem Wege durch die 5.500-Seelen-Gemeinde Beyducht (Bidokht), in Khorasan. Wenn die Reisenden sich nicht nur mit einer glorreichen Vergangenheit beschäftigen, sondern auch wachen Auges für gegenwärtige Verhältnisse im Iran unterwegs sind, wissen sie in etwa, was sich im Land zuträgt. Aber was in Beyducht geschieht, schafft es nicht in die Nachrichten des Westens, viel zu vieles müsste lang und breit erklärt werden. Beyducht ist nicht so sehr bekannt im Westen. Das Regime im Iran hätte gerne, dass das auch so bleibt. Keine Nachrichten in den Westen, außer der eigenen Propaganda. Und Beyducht soll unbekannt bleiben. Die Gemeinde wurde von der offiziellen Landeskarte ausradiert.

Übergriffe auf den Nematollah Gonabadi Sufi Orden
In Beyducht liegen Wurzeln des Nematollah Gonabadi Sufi[1] Ordens. Zahlreiche Derwisch-Familien, die in dem nahen Gonabad leben, haben seit jeher ihre Angehörigen auf dem dortigen historischen Mazare Soltani Friedhof in Beyducht bestattet. Die Pflege des historischen Friedhofs obliegt den Derwischen. Im Juli 2009, zeitgleich mit den landesweiten Protesten gegen die gefälschten Wahlen, untersagten die Behörden der Familie eines verstorbenen Gonabadi Derwischs, ihn in dem von der Familie erworbenen Grab zu bestatten. Die Frau, ihre beiden Söhne und weitere Verwandten protestierten gegen diese behördliche Verfügung und wurden sogleich ins Gefängnis geworfen. Daraufhin versammelten sich weitere Derwische und Verwandte der Familie vor dem Rathaus und forderten die sofortige Freilassung ihrer unrechtmäßig eingekerkerten Verwandten und Freunde. Die Polizei ging dann gewaltsam gegen die friedlichen Proteste vor. Tränengas wurde eingesetzt, viele Protestierende wurden geschlagen, getreten und festgenommen. Die folgenden 24 Derwische wurden jetzt zu Gefängnisstrafen, Peitschenhieben und Deportation in andere Provinzen verurteilt.
1. Abdolreza Kashani
2. Alireza Abbasi

3. Ali Marvi

4. Mohammad Marvi Shahri

5. Shokrollah Hosseini Beidokhti

6. Ali Kashani

7. Mohammed Kashani

8. Saeed Kashani

9. Amir Roshan Sufi

10. Ali Mohammed Amanyan

11. Ruhollah Safari

12. Ehsan Amanyan

13. Ali Abbasi Beidokhti

14. Ibrahim Abbas Zadeh

15. Mohammad Ali Jafari

16. Hossein Mahdavi

17. Hossein Abbaszadeh Beidokhti

18. Rahmat Hosseini

19. Ramin Soltankhah

20. Reza Kakhky

21. Behrooz Mojaver Sufi

22. Ali Mir

23. Zafar Ali Moghimi

24. Hassan Baluchi Beidokhti

Ideologisch motivierte Verfolgungen

Was sich wie eine Randnotiz aus der iranischen Provinz anhören mag, hat System. Als im Jahre 2005 Mahmud Ahmadinedschad Präsident wurde, hatten sich fundamentalistische Kräfte im Iran an die Spitze der Machtelite gesetzt. Sie arbeiteten fieberhaft daran ihre „ideale revolutionäre Gesellschaft“ auf der Grundlage gewisser fundamentalistischer Vorstellungen zu installieren. Mitgliedern der sogenannten Hodschatieh Gesellschaft und Anhänger des radikal-fundamentalistischen Ayatollah Mesbah Yazdi gelang es die Führungsriege der Revolutionsgarden[2] und der paramilitärischen Bassidschi zu ersetzen. Sie legten verstärkten Wert darauf, ihre messianische Ideologie[3] zu verbreiten. Ein Kern dieser Ideologie ist die Säuberung des Volkes von „unreinen“ Elementen. Definiert wird dies nach Kriterien, die dem Islam und der Scharia zugesprochen werden, die aber kein ernst zu nehmender Islamwissenschaftler im Koran oder in sonstigen Grundlagen des Islam findet.

Iraner bezeichnen ihre Machthaber als Wölfe im Schafspelz. Diese nutzen die Religion als Deckmäntelchen für Machtansprüche. Der Schafspelz ist der Islam, die Wölfe sind machthungrige Ideologen, die erbarmungslos und sehr entschlossen zu Werke gehen. Säuberungen werden stets ideologisch in Predigten, Rechtsgutachten und Büchern vorbereitet, um dann bestimmte Bassidschi Gruppierungen in brutaler Weise gegen Minderheiten loszulassen.

Bahai werden pauschal als Spione Israels abgeurteilt und deswegen verfolgt. Sunniten wiederum glauben nicht an die Wiederkehr des Imam Mahdi[4] und müssen daher laut dieser Ideologen auch bekämpft werden. Wer zum Christentum konvertiert oder zu einer anderen Glaubensrichtung wird als Mohareb[5] betrachtet und kann von jedem „wahren Gläubigen“ ermordet werden ohne eine Strafverfolgung fürchten zu müssen.

Sufi Derwische wurden im ersten Frühjahr nach dem Amtsantritt von Ahmadinedschad gleich massiv angegriffen. In Qom wurde ihr Versammlungshaus 2006 unter fadenscheinigen Gründen komplett zerstört, 1.500 Derwische wurden verhaftet. Einige Derwische wurden ernsthaft verletzt. Anwälte, die den Fall vor Gericht vertreten wollten, wurde die Zulassung entzogen, sie wurden verhaftet und ausgepeitscht. Um die „Unreinheit“ der Derwische zu „beweisen“ schleppte man leere Whisky Flaschen in das geräumte Gebäude und behauptete anschließend, dies sei ein Hort von Unzucht. In Qom, wo die Derwische ein hohes Ansehen bei den Bewohnern genossen, glaubte keiner diese Geschichte.

Hetze gegen Derwische in mehreren Städten

Es gibt im Iran nach Angaben der Statistiken des Ordens an die 4 Millionen Mitglieder. Sie sind im ganzen Land verteilt. Dies bietet eine breite Angriffsfläche und die Machthaber gingen in mehreren Städten nach dem gleichen Prinzip vor: Borudscherd, Isfahan, Charmahil und in anderen. Auf der Insel Kisch, in Dezful oder zuletzt in Behbahan wurden die Derwische, in deren Häuser Versammlungen stattgefunden hatten, verhaftet. Sie wurden gezwungen, ein Papier zu unterzeichnen, dass diese Treffen nicht mehr stattfinden würden.

Am 11. Mai 2010 starteten Sicherheitskräfte in Zivil die Kampagne gegen die Derwische in Karadsch, einer Stadt nordwestlich von Teheran. In diesem Fall stellte sich erstmals die Polizei nicht auf die Seite der skandierenden Bassidschi sondern bildete einen Korridor um das Haus der Sufis und blockten die Angreifer.

Menschenrechte ansprechen hat Wirkung

Seit die Sufis in der ganzen Welt ihre Stimmen erheben und die Angriffe öffentlich machen, wird das Regime vorsichtiger mit den Derwischen. Es ist zu beobachten, dass die Angriffe gegen die Minderheiten gerne durchgeführt werden, wenn die internationale Gemeinschaft von anderen dramatischen Ereignissen in der Welt abgelenkt wird. Gleichzeitig ist erkennbar, dass die Machthaber im Iran sofort die Angriffskampagnen verzögern, wenn zu viele Nachrichten aus dem Land dringen und plötzlich die schlechte Menschenrechtslage im Iran zu einem international beachteten Thema wird.

Wenn die Internationale Politik entschlossen das Thema der Menschenrechte auf die Gesprächsagenda mit dem Iran setzt, werden die Minderheiten ihre Kultur, ihre Eigenart und ihr besonderes Menschsein leben können. Iran ist ein Land vieler Minderheiten. Diese werden aus religiösen oder ethnischen Gründen verfolgt, drangsaliert, gefoltert oder getötet. Gespräche über Menschenrechte fürchten die Vertreter des Regimes am meisten. Das Regime im Iran legitimiert sich durch Gott das Land zu führen und die Menschenrechte haben keinerlei Stellenwert. Die Islamische Republik Iran sucht im Westen den Dialog der Religionen und vernichtet im eigenen Land alles Andersartige. Das passt nicht zusammen.

Vielleicht wird man schon bald auf der Route von Maschad nach Yazd in Beyducht Station machen und auf dem Mazare Soltani Friedhof eine Gedenkminute für all die Menschen im Iran einlegen, die im Namen einer Religion gepeitscht, geschlagen, gefoltert, beraubt, verstoßen oder getötet wurden.

 


[1] Sufis sind Mystiker, die nach einer direkten Verbindung zu Gott streben, und aus dieser Verbindung heraus ihren Alltag in Demut und Tatkraft bestreiten.

[2] Pasdaran=Hüter der Revolution von 1979, neben der regulären Armee

[3] Dahinter steckt der Glaube, dass der erhoffte Messias Al-Mahdi auf die Erde wiederkehrt, um Gerechtigkeit und Frieden zu bringen. Diese messianischen Ideologen behaupten, sie müssten aktiv für die Umstände seiner Rückkehr sorgen. Es heißt er kehre auf die Welt zurück, wenn auf der Welt schreckliches Blutvergießen, Chaos und Ungerechtigkeit herrschten.

[4] Kernbestandteil der Ideologie des Regimes ist die Hinarbeit auf das physische Wiedererscheinen des Imam Mahdi, der die gerechte Regierung auf der Welt installieren soll.

[5] Gottesläster, der vom Glauben abfällt

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