“Get The Gringo” von Adrian Grunberg

Erstellt am 12. März 2013 von Denis Sasse @filmtogo

© Concorde Filmverleih GmbH / Mel Gibson mit Kevin Hernandez in “Get the Gringo”

Ein Film, in dem von vornherein klar gemacht wird, dass es weder um Gut oder Böse geht, sondern ums blanke Überleben. Davon zeugen die ersten Szenen zu Adrian Grunbergs „Get the Gringo“, einst bekannt als „How I Spent My Summer Vacation“. Und zweitgenannter Titel wäre eine wunderbare Persiflage auf die eigentliche Filmhandlung gewesen, nach einem Drehbuch von Mel Gibson, der sich selbst in die Hauptrolle eines gescheiterten Bankräubers geschrieben hat. Mit Grunberg arbeitete er bereits an „Apocalypto“ zusammen, der Regie-Assistent von 2006 hat sich nun aber zum Vollblut-Regisseur gemausert. Diese ‘Summer Vacation’ des Gringos mit dem simplen Namen Driver beginnt mit einem missglückten Raubzug, der für Gibson mit übergestreifter Clownsmaske irgendwo an der Grenze zwischen den USA und Mexiko sein Ende findet. Hier stehen sich dann die mexikanische und amerikanische Polizei gegenüber, streiten sich über das Recht den Gringo Mel Gibson verhaften zu dürfen, nicht etwa weil sie scharf darauf wären, sondern weil dieser einen ordentlichen Batzen Geld bei sich hat, von dem man sicherlich ein wenig unterschlagen könnte. Hier greift das fehlende Dasein des Guten, pures Böse auch bei der Polizei. Die Mexikaner geben immerhin zu, dass man zwar ebenso korrupt wie die amerikanische Polizei wäre, aber offen und ehrlich damit umgehen würde. Mit dieser Aussage qualifizieren sie sich zu den Guten und damit wohl ehrlichsten Menschen des Films.

Diese schicken ihn dann nach ‚El Pueblito‘, einem Hochsicherheitsgefängnis der besonderen Art. Vielleicht benötigte es eines solchen Umfelds um das zynische Drehbuch, Mel Gibson weiß selbst am besten wann und wie die Sprüche eines Mel Gibsons funktionieren, gänzlich funktionabel zu gestalten. Mit Zigarettenstummeln in den Ohren kommentiert Gibson aus dem Off – zuerst wortkarg, gibt er den Zuschauern nur seine Gedanken wieder – die Merkwürdigkeiten dieses Großraumgefängnisses, in dem immer dieselbe laute Musik gespielt wird und die Insassen sogar Waffen tragen dürfen. Und das sind nur die ersten Eindrücke einer Umgebung, die sich später noch als wahre Kleinstadt, als Slum herausstellen wird. Hier würde ein jeder zynisch reagieren, nur Actionkollege Sylvester Stallone würden die Worte fehlen und Schwarzenegger würde sie höchstens gekünstelt über die Lippen bringen. Mel Gibson zeigt sich dagegen in bester Form, erinnert teilweise sogar an seine Auftritte als Martin Riggs in der „Lethal Weapon“-Reihe. Zu Recht kommt er dann irgendwann zu der Frage, ob es sich bei ‚El Pueblito‘ tatsächlich um ein Gefängnis handle oder um das beschissenste Einkaufszentrum der ganzen Welt? So sieht es jedenfalls aus, so gehen die freilaufenden Insassen hier miteinander um.

Mel Gibson

In diesem kriminellen Wunderland begegnet er einem ebenso abnormalen 10jährigen Jungen, der bereits ein arges Suchtproblem zu bewältigen hat, aber immerhin, trotz mexikanischen Wurzeln, im besten Englisch die Verständigung mit dem Gringo aufnehmen kann, nach eigener Aussage nur der Sesamstraße zu verdanken. Es sind genau diese Witze, dieser zynische Unterton, den der Film dringendst benötigt und immer voll ausspielt, damit eine karikaturhafte Welt etabliert wird, in der Figuren wie Driver und Kid, Namen nach ihren Eigenschaften, der Fluchtwagenfahrer und das Kind, so funktionieren dürfen wie sie es tun, die kriminellen Laster ihnen nicht den Posten als Filmhelden streitig machen. Der Junge wandert in diesem Gefängnis umher, da hier auch Familien leben, die sich freiwillig in diesem Knast-Stadtkomplex angesiedelt haben. Langsam nimmt ‚El Pueblito‘ immer größere Züge an, das merkt auch Driver, dessen einziges Ziel es aber ist, aus dem Loch zu entkommen. Hierfür bildet er dann ein Team mit dem Jungen, der ihm durch sein gutes Knast-Gassenwissen weiterhelfen kann. Aus Mel Gibson und Jungdarsteller Kevin Hernandez wird ein eigenwilliges Duo, ein Buddie-Movie zwischen Bankräuber und Kettenraucher, zwischen alten Mann und junger Seele.

Bei ihren gemeinsamen Ermittlungen gegen das Oberhaupt des kriminellen Schaffens an diesem Ort, Javi (Daniel Giménez Cacho), erfährt Driver darüber hinaus, dass der Vater des Jungen von Javi ermordet wurde, damit dieser dessen Leber haben kann. Der Junge ist nun die einzig verbliebende Person in dem Gefängnis, die ebenfalls als Leberspender für Javi in Frage kommen würde. Bei Driver setzt der Beschützerinstinkt ein. Hieraus entwickelt sich nicht nur eine Partnerschaft zwischen Driver und Kid, sondern auch eine Form der Vater/Sohn-Beziehung, bei der Mel Gibsons Figur dem 10jährigen Knaben sowohl moralisch wie auch bei diversen nicht für 10 Jahre alte Kinder vorgesehene Tätigkeiten und Verhaltensmustern in seine Schranken verweist.

Mel Gibso und Kevin Hernandez

Aber nicht nur mit dem Kind springt Driver entsprechend um, auch vor seinen Gegnern, von denen er sehr schnell sehr viele sammelt, versteckt er sich nicht, sondern sucht die offene Konfrontation. Dennoch bleiben die Actionszenen rar gesät, was „Get The Gringo“ dann aber auch wieder zu Gute kommt. Im Gegensatz zu Schwarzeneggers Rückkehr in „The Last Stand“, wo dieser sich nach einem Sturz über sein Alter beschwert, nimmt Gibson nur Szenen auf sich, die es ihm ermöglichen noch ebenso frisch wie vor vielen Jahren zu wirken, als er bereits in „Lethal Weapon“ darüber klagte, zu alt für diesen Scheiß zu sein. Gibson konzentriert sich auf wohl eingestreute Feuergefechte, ballt nur selten die Faust, lässt lieber seine Zunge schnalzen, spöttische Kommentare nutzen ihm weitaus mehr als jeder Stuntman der sich für ihn von einem Dach stürzen könnte, sowie jede am Computer entstandene Explosion.

„Get The Gringo“ muss es nun eigentlich auch für die drei weiteren Altherren heißen. Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und Bruce Willis dürfen diesem Mel Gibson gerne nacheifern, denn ganz gleich ob „Shootout“, „The Last Stand“ oder „Stirb Langsam 5“, keiner dieser Filme hat eine solch unterhaltsame Story, ein für einen Actionfilm so gut geschriebenes Drehbuch und schon gar nicht einen so gut aufgelegten Hauptdarsteller. Gibson wirkt wahrlich wenig bemüht und viel mehr wie in seiner ‘Summer Vacation’. Und ganz nebenbei versucht er sich auch noch als Imitator von Clint Eastwood, diesem altgewordenen, aber immer noch harten Haudegen. Ein weitaus besseres Vorbild als das Trio ‚Planet Hollywood‘.


“Get The Gringo“

Originaltitel: Get The Gringo
Altersfreigabe: ab 18 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 97 Minuten
Regie: Adrian Grunberg
Darsteller: Mel Gibson, Kevin Hernandez, Daniel Giménez Cacho, Dolores Heredia, Jesús Ochoa, Peter Stormare, Mario Zaragoza

Deutschlandstart: 28. Februar 2013
Offizielle Homepage: “Get the Gringo“ auf Facebook