Wer seine Muskeln aufbaut beugt Rückenschmerzen vor und schützt die Gelenke vor Fehlbelastungen und Verletzungen. Wer seine Knochen stärken und Osteoporose vorbeugen will, kommt an Krafttraining nicht vorbei. Selbst im Kampf gegen Typ-2-Diabetes ist Krafttraining nicht mehr weg zu denken. Und wer abnehmen und sein Wunschgewicht erfolgreich halten will, muss Muskeln aufbauen, um den Verlust an stoffwechselaktiver Muskelmasse auszugleichen. Sogar die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Krafttraining zur Gesunderhaltung an mindestens zwei Tagen pro Woche
Niemand bleib verschont. Der altersbedingte Verlust der Skelettmuskulatur und die damit verbundene Abnahme an Körperkraft beginnen bereits ab dem 25. Lebensjahr. Zwischen dem 30. und 80. Lebensjahr gehen so etwa ein Drittel der gesamten Muskelmasse verloren. Die Hormone, die zum Muskelaufbau beitragen (v.a. Sexualhormone, Wachstumshormon, Insulin), werden mit zunehmendem Alter weniger ausgeschüttet. Häufig fehlt es aber an körperlicher Aktivität, die einen sehr wichtigen Reiz für die Aufrechterhaltung der Muskelmasse darstellt. Ohne dass sich das Körpergewicht maßgeblich verändern muss, findet so im Laufe der Jahre ein Umbau der Körperzusammensetzung statt. Muskelmasse wird kontinuierlich abgebaut und der Anteil an Körperfett nimmt pro zehn Jahre um etwa 7-8% zu. Die veränderte Körperkomposition mit abnehmendem Muskel- und zunehmendem Fettanteil fördert die Entwicklung von Stoffwechselerkrankungen – allen voran Typ-2-Diabetes.
Gesundheitsfaktor Krafttraining – von der Medizin lange unterschätzt
In der Medizin wurde die Bedeutung des Krafttrainings für die Gesundheit sehr lange unterschätzt. Für Herzpatienten galt Krafttraining als kontraindiziert, weil damit ungünstige Auswirkungen auf Blutdruck- und Kreislauf vermutet wurden; heute ist es Bestandteil jedes Rehabilitations-programmes nach Herzinfarkt. Auch die weltgrößte sportmedizinische Vereinigung, das „American College of Sports Medicine“, hat Krafttraining als Bestandteil eines umfassenden Fitnessprogramms für Erwachsene erst 1990 in ihre Empfehlungen aufgenommen. Dann ging es aber Schlag auf Schlag.
Krafttraining gegen Rückenschmerzen und Osteoporose
Zunächst entdeckte man das Potenzial von Krafttraining zur Vorbeugung und in der Behandlung von unspezifischen Rückenschmerzen. Zahlreiche klinische Studien konnten zeigen, dass schon wenige Monate gezieltes Krafttraining bei Rückenschmerzpatienten zu einer deutlichen Schmerzreduktion führen. Inzwischen haben auch viele Rehabilitationseinrichtungen ihre Therapieangebot angepasst und Krafttraining in das Therapieregime mit eingebaut. Auch was die Vorbeugung und Behandlung der Osteoporose betrifft, ist Krafttraining nicht mehr wegzudenken. Übliche Gymnastik reicht nicht aus, um bei Frauen nach der Menopause den Abbau der Knochendichte zu verlangsamen oder sogar zu stoppen. Der Reiz auf den Knochen ist dabei zu gering. Die meisten Studien beinhalteten hier Trainingsprogramme mit hoher Intensität, die an Kraftgeräten durchgeführt wurden. Da die trainingsbedingte Anpassung des Knochens länger dauert als die der Muskulatur, können solche Verbesserungen meist erst nach einem Jahr gemessen werden.
Krafttraining erhält die Unabhängigkeit im Alter
Auch unter dem Aspekt der Altersvorsorge ist Krafttraining nicht mehr wegzudenken und ab dem 50. Lebensjahr sogar wichtiger als Ausdauertraining. Bei älteren Menschen mit vermehrtem Muskelabbau sind Stürze deutlich häufiger. Stürze und Knochenbrüche führen zu Krankenhaus-aufenthalten und Bettlägerigkeit und damit zu weiterem Muskelabbau. Das Resultat ist eine zunehmende Behinderung und der Verlust der Unabhängigkeit und Selbständigkeit. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass regelmäßiges Krafttraining bei 70-jährigen Senioren zu einem Muskelfasergehalt führt, der etwa dem von 30-jährigen Normalpersonen entspricht. Durch Ausdauertraining (Laufen bzw. Schwimmen) konnte diese Verbesserung nicht erzielt werden.
Krafttraining gegen Stoffwechselkrankheiten
Die jüngste Entwicklung beim Krafttraining ist aber sein erfolgreicher Einsatz bei Stoffwechsel-erkrankungen – allen voran Typ-2-Diabetes. Bei Typ-2-Diabetikern ist der Glukosespiegel im Blut erhöht, weil das körpereigene Insulin nicht ausreicht, um den Zucker effektiv genug in die Zellen einzuschleusen, die ihn als Brennstoff benötigen. Die Muskulatur ist dabei der wichtigste Abnehmer. Die abgeschwächte Insulinwirkung an den Zielorganen (=Insulinresistenz) kann nachhaltig verbessert werden, wenn es gelingt, überschüssige Fettdepots im Bauchbereich abzubauen. Dass Ausdauertraining die Glukoseaufnahme in die Muskelzelle fördert und erhöhte Blutzuckerspiegel nachhaltig senkt, ist bekannt. Erst seit wenigen Jahren liegen Studien vor, die zeigen, dass Krafttraining mindestens ebenso wirksam ist. So führt ein intensives Krafttraining über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten bei Typ-2-Diabetikern zu einer deutlichen Verbesserung der Blutzuckerspiegel, zu einer Blutdrucksenkung und zu einer Verbesserung der Blutfette. Der blutzuckersenkende Effekt ist sogar stärker, als er für Ausdauertraining nachgewiesen ist.
Wer abnehmen will, braucht Krafttraining
Das mag paradox klingen, ist aber so. Jede Gewichtsreduktion ist mit einem Verlust an aktiver Muskelmasse verbunden, was das Halten des so erreichten Zielgewichts fast unmöglich macht, weil dadurch auch der Grundumsatz absinkt. Krafttraining kann diesen Verlust zumindest teilweise abfangen und längerfristig den Grundumsatz sogar permanent erhöhen. Menschen mit gut entwickelter Muskulatur haben einen um 10-15% höheren Grundumsatz. Wer Muskeln aufbaut, wird also schlanker.
Krafttraining – aber wie?
Krafttraining für die Gesundheit heißt Hypertrophietraining für alle großen Muskelgruppen. Dadurch wird der Muskelquerschnitt vergrößert und die stoffwechselaktive Masse erhöht. Schon mit fünf bis acht verschiedenen Übungen kann man die großen Muskelgruppen trainieren. Für Anfänger oder ältere Menschen ist das Krafttraining an Kraftgeräten eine sehr gute Einstiegs- möglichkeit, weil die Bewegungen geführt, die Belastung genau dosierbar und das Verletzungsrisiko minimal ist. Wer lieber zeitsparend zu Hause ein Krafttraining durchführen möchte, kann das ebenfalls tun. Hier eignen sich Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht, Kraftübungen mit Therabändern (in unterschiedlichen Stärken erhältlich) und Krafttraining mit freien Gewichten (Kurzhanteln und Langhanteln mit variablen Gewichten bevorzugen). Im Unterschied zum Training an Kraftmaschinen kommt es beim Üben mit z.B. Kurzhanteln auch zu einer Verbesserung der intramuskulären Koordination, weil bei der Übungsausführung mehr Muskeln involviert sind als bei den isolierten Bewegungen an den Geräten. Die korrekte Übungsausführung ist aber etwas schwieriger und sollte am besten unter fachkundiger Anleitung erlernt werden.
Zur Eingewöhnung sollte man mit einem Gewicht beginnen, mit dem man gerade 15-20 saubere Wiederholungen durchführen kann. Nach zwei bis drei Wochen erhöht man die Belastung, so dass man pro Übung gerade noch 8-12 saubere Wiederholungen schafft. Bei dieser Intensität (ca. 70-85% der maximalen Kraft) erreicht man bereits eine gute Wirkung für die Bildung neuer Muskelmasse. Von jeder Übung sollten 1-2 Serien durchgeführt werden mit 1-2 Minuten Erholungspause dazwischen. Zwei Trainingseinheiten pro Wochen mit mindestens einem Tag Pause dazwischen reichen aus, um nach etwa 6 Wochen die ersten Verbesserungen auch sichtbar zu sehen. Zu einer Verbesserung der Kraft kommt es schon nach ein paar Trainingseinheiten. Vor allem Frauen müssen keine Angst haben, durch Krafttraining große Muskelpakete zu entwickeln. Die Sexualhormone setzten hier klare Grenzen.
Mit einer gut ausgebildeten Muskulatur kannst du dich nicht nur ökonomischer, geschickter, schnellkräftiger und ausdauernder bewegen, du bist darüber hinaus gesünder, leistungsfähiger und hast eine ausgewogenere Figur. Deshalb sollte Krafttraining auch auf deiner Agenda stehen.
Literatur: American College of Sports Medicine. ACSM´s Guidelines for Exercise Testing and Prescription. Eight Edition. Lippincott William &Wilkins, Baltimore 2010.
Ratamess NA, Alvar BA, Evetoch TK, et al. Position Stand of the American College of Sports Medicine on Progression Models in Resistance Training for Healthy Adults. Med Sci Sports Exerc. 2009; 41(3): 687-708.