Gesundheit wird privatisiert
Als Fortsetzung zum gestrigen Beitrag des neuen „Aufsichtsgremiums“ des Wiener Krankenanstaltenverbundes und eines seiner Mitglieder (DDr Christian Köck http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=53877) geht es heute um etwas Hintergrundwissen, um meine gestrige (von einigen Beobachtern geteilte) These zur absehbaren Entwicklung des Österr. Gesundheitssystems in Richtung Privatisierung verständlich zu machen.
In persönlichen Gesprächen hat man immer den Eindruck, als würden die Menschen (die früher oder später alle auch die Rolle des Patienten übernehmen), eine staatliche garantierte Gesundheitsversorgung als ihr persönliches Recht ansehen:
WAS ES NUR IM PRINZIP ABER NICHT IM DETAIL IST!
Im Artikel 10 (1) des Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist geregelt:
Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:
12. Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens …
Der Bund hat also die verfassungsrechtliche Verpflichtung das Gesundheitswesen gesetzlich zu regeln und leistet sich daher ganze Thinktanks (Gesundheit Österreich, HCC, Uni Linz, …) (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=31614 , http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=33160 ),
die u.a. im Östereichischen Strukturplan Gesundheit (ÖSG) (http://www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Gesundheitssystem_Qualitaetssicherung/Planung/Oesterreichischer_Strukturplan_Gesundheit_OeSG_2010 ) festschreiben, was in welchen Gesundheitsregionen vorzuhalten ist. Betrieben werden die Krankenhäuser (noch) in erster Linie von den Krankenanstalten der Länder.
In den Verhandlungen nach §15a des B-VG (Bund und Länder können untereinander Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches schließen) feilschen dann Bund und Länder darüber,
wie die Geldströme verteilt werden, um die Strukturen zu bezahlen, die die Gesundheitsdienstleitungsanbieter bereitstellen.
Nirgends steht aber, dass (1.) das der Staat/die Länder die Strukturen auch selbst betreiben müssen und (2.) wie weit das Ausmaß der Versorgung (auch durch Dritte) zu gehen hat.
Es liegt in der Natur des „Anbietermarktes Medizin“, dass auch die „Kunden“ selten mit dem Gebotenen zufrieden sein werden, weil „Gesundheit“, wenn es als „Rund-um-Wohlbefinden“ (WHO) definiert ist, kann man nie genug haben, nie genug Zuwendung, nie genug Aufmerksamkeit, nie genug Massage, dort wo es gut tut …
Als es noch viel zu verteilen gab, hatte die Politik durchaus ein Interesse zu vernebeln, dass sie nicht der einzige Garant der Gesundheitsversorgung ist.
Der Zusammenhang wer was finanziert (Krankenkassen überwiegend die Ordinationen, der Steuerzahler überwiegend die Spitäler) hätte vielleicht den Menschen zu denken gegeben, wenn vor den Wahlen Zusagen und Versprechungen sehr leichtfertig über die Lippen sprudelten.
Gesundheitsstadträtin Wehsely: „Spitzenmedizin für alle“
Dass schon 2002 nur rund 70 % der Gesundheitsausgaben „öffentlich“ (Krankenkassen, Steuern) finanziert wurden und bereits ein Drittel aus der eigenen Börse (Selbstgehalten, Privatversicherungen, rezeptfreie Medikamenten, Zahnarzt, Brillen, Hörgeräte, Kosten für Leistungen die von den Kassen zurückgenommen wurden) dazugezahlt wurde, ist wenigen bewusst; diese Tendenz steigt weiter rapid an.
Jetzt, wo die Mittel knapp werden und die Kosten aller Dienstleistungen (Gesundheitsversorgung ist überwiegend Dienstleistung) überproportional steigen, sieht die Politik, dass sie mit zunehmenden Wartezeiten auf Ambulanz- und OP-Termine, mit steigenden finanziellen Selbstbehalten, Gangbetten, … etc. kurz dem Auseinanderklaffen von Erwartung und Finanzierbarkeit, kaum mehr Lorbeeren ernten wird und versucht sich aus der operativen Verantwortung zu stehlen. Die Lösung heißt Privatisierung!
Der erste Schritt dieser Kindesweglegung war vorerst eher ein buchhalterischer Trick:
Nahezu alle Gemeinden traten ihre „Stadtspitäler“ an die „Spitalsgesellschaften“ der Länder ab und diese Spitalsgesellschaften bekamen eine eigene Rechtsform, meist GmbH (auch AG – in
Oberösterreich), um dann aus den Maastrichtkriterien heraus zu fallen (inzwischen hat aber auch die EU den Trick erkannt, die Strukturänderungen bleiben, weil sie auch einen anderen Zweck haben).
Parallel zum ersten Schritt und um dem Wähler nicht sagen zu müssen, dass auch die Länder eigentlich kein Geld mehr für die Reinvestition und Weiterentwicklung des Systems haben, suchte man sein Heil in PPP-Modelle (Public-Private-Partnerships), wo Gesundheitseinrichtungen von Privaten errichtet und vom Land geleast werden.
Je nach politischer Wetterlage sonnt sich das Wiener Rathhaus in der Spitzenmedizin des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=35008 ) oder legt Wert auf die Feststellung, dass der KAV eine eigenständige Führung hat, in die man, immer wenn der Hut brennt, zusätzlich einen Aufpasser (Koblmüller http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=43184 ) schickt oder gleich einen „Aufpasserrat“ installiert (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=53877 ) .
Der KAV ist also ausgegliedert, während über alle Personalfragen ohnehin nur wieder die MA 2 entscheidet, wofür der KAV dem Rathhaus auch nicht zu kapp Geld überweisen muss …. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hier schlägt nun die Stunde der großen privaten Player, unter denen der Laie auf viele Bekannte der Österreichischen Szene trifft:
Wer das ist, hat Martin Rümmele, in seinem 2005 erschienenen Buch „Kranke Geschäfte mit unserer Gesundheit“, aufgezählt:
Private Krankenversicherungen (UNIQA, Wr. Städtische, Merkur, …)
Private (zum teil klerikale) Spitals- und Pflegeheimbetreiber (Vamed, Vinzenz,-Gruppe, Barmherzige Brüder, Humanomed, Health Care Company HCC, …),
die Pharmabranche,
Baubranche (Strabag, …),
Großgerätehersteller (Siemens, …) ….
Mit der Zusatzinformation, wer finanziell an dieser Player beteiligt ist (Raiffeisen-UNIQA, Stadt Wien – Wiener Städtische, Haselsteiner-STRABAG-HCC, …etc. wird das Unsittenbild schon klarer.
Zusätzlich gibt es auch zwischen der Politik und einigen dieser Player starke Querverbindungen:
Der Steiermärkische Landeshauptman Voves war z.B. bis zu seinem Wechsel in die Landesregierung 2002 Vorstand der Merkur-Versicherung, die Miteigentümer der Humanomed-Gruppe ist. Weiters war er Geschäftsführer der PKB Privatkliniken BeteiligungsGmbH.
Da nimmt es auch nicht wunder, dass Voves für die steirische Landesspitalsgesellschaft KAGES einen privaten Betreiber für die 24 Spitäler des Landes Steiermark mit ihren 13000 Mitarbeitern suchte. Nur Eigentümer sollte das Land bleiben. Um den Auftrag balgten sich die
deutsche Klinikkette Sana und die österreichische Humanomed, die beide privaten Krankenversicherungen gehören, ein Arzt, die Vamed und die HCC-Krabag (Health Care Company Krabag).
Nach Protesten und Spekulationen wegen Voreingenommenheit von Voves seinem früheren Arbeitsgeber gegenüber, zogen sich alle Bieter bis auf die HCC-Krabag noch während des Bieterverfahrens zurück und der Deal wurde abgeblasen. Die HCC-Krabag erhielt zum Trost einen mehrjährigen Consulting-Vertrag.
In Wien hat man weniger Bedenken wegen allfälliger Unvereinbarkeiten.
Den letzten Regionalen Strukturplan der Gesundheitsversorgung hat nach öffentlicher Ausschreibung, nicht wie zuletzt das in Gesundheit Österreich aufgegangene ÖBIG (Österr. Bundesinstitut für Gesundheit) gewonnen, sondern eine völlig unabhängige Consulting Firma, die Ebner Hohenauer HC Consult (EHC). Diese hatte natürlich für ihre Tätigkeit Einsicht in alle statistischen Daten der Wiener Gesundheitsversorgung so wie sie es auch schon in einigen anderen Ländern hatte.
Auf der Homepage der EHC (http://www.ehc.co.at/ )liest man, dass Ebner Hohenauer HC Consult als Koeck, Ebner & Partner 1995 gegründet wurde und sich seit dem als spezialisiertes Beratungs- und Know-how-Unternehmen für Problem- und Fragestellungen im Gesundheitswesen etabliert hat.
Bei diesem Koeck handelt es sich um den DDr Christian Köck, der unseren gestrigen Beitrag zierte, weil in die Stadt Wien zum Oberaufpasser des KAV macht ( http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=53877). Köck hat übrigens von 1990 bis 1995 als Leiter des Bereiches Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement bereits im KAV die Grundlagen der jetzigen Misere gelegt ....
Martin Rümmele beschrieb am 08.06.2005, weshalb Gesundheitsökonom Christian Köck seine Firmengruppe umstrukturiert hat:
Gesundheitsökonom Christian Köck, der einerseits als potenzieller privater Spitalsbetreiber auftritt und andererseits öffentliche Krankenhausgesellschaften beraten hat, ordnet seine Firmengruppe neu.
Er scheidet aus der Beratungsfirma Koeck Ebner & Partner, die in Ebner Hohenauer HC Consult (EHC) umbenannt wird, aus. Die EHC wird eine 100-Prozent-Tochter der Spitalsbetriebsfirma Health Care Company AG, die unter anderem Hans-Peter Haselsteiner und der RLB Wien/Niederösterreich gehört. Vorstand dort: Christian Köck. Sein bisheriger Partner, Heinz Ebner, ist neuer Geschäftsführer der EHC, hält aber an beiden Firmen keine Anteile mehr.
Köck und Ebner reagieren damit nicht zuletzt auf den in der Steiermark laut gewordenen Vorwurf von Interessenkonflikten. Die HCC hat einerseits einen Beratungsvertrag mit dem landeseigenen Spitalskonzern Kages und sich andererseits um Betreibermodelle beworben. "Wir gehen den Weg unserer Konkurrenten Vamed und Humanomed, die auch Beratungstöchter haben", sagt Köck. Beide Firmen würden unabhängig am Markt und nur in ihren Segmenten auftreten. "Es gibt eine chinesische Wand und eine Vereinbarung zwischen den Firmen, dass keine Informationen ausgetauscht werden," sagt Köck, der selbst nicht mehr beraten will. Den Kages-Auftrag wird Ebner nun als Projektleiter allein erledigen.
Was Köck nun im Aufsichtsgremium des KAV tun will, wenn er nicht mehr berät, bleibt offen. Sammelt er nur mehr Daten beidseits der chinesischen Wand, um seine privatwirtschaftlichen Ausbaupläne der HCC voranzutreiben?
Das wirklich Grausige ist aber, dass man zum Beispiel einen der wirklich guten Beiträge Martin Rümmeles auf dem Portal MEDIANET.AT lesen kann, das sich natürlich auch mit Content spezifischer Werbung finanziert.
Und was liest man da (siehe Bild)
mediclass „Privatmedizin für alle“ Ihr Zugang zu leistbarer Privatmedizin!
Auch wenn das noch wenige begriffen haben, die Tage einer staatlichen Gesundheitsversorgung sind ebenso gezählt, wie die des staatliche Pensionssystem …
Die Patientenanwälte thematisieren das nicht, weil sie nicht die (staatliche) Hand beissen, die sie füttert.
Es wäre Zeit, wenn sich die Patienten selbst einmal mit diesen Entwicklungen befassen würden....
http://www.beigewum.at/wordpress/wp-content/uploads/036_martin_rammele.pdf
http://www.forba.at/data/downloads/file/212-SR%2002-07.pdf
http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_ak_wien_study_pique.pdf
http://www.linzer-initiative.at/pdf/gesundheit_referat_claudia_naumann.pdf