Täglich wird hier eine Seite einer Geschichte veröffentlicht – sie trägt den Arbeitstitel Gestatten, Walter und untersteht dem alleinigen Copyright von Pascal Wiederkehr. Die Geschichte stammt aus einem Manuskript, welches nur grob überarbeitet wurde, und kann deshalb Fehler in Grammatik und Rechtschreibung aufweisen.
Sakina sprach gezielt gutbetuchte Frauen auf der Strasse an und lockte sie zur Besichtigung in die neu angemietete Wohnung einige Meter entfernt. „Ich habe mir hier kürzlich eine Wohnung gemietet und brauche nun Hilfe bei der Einrichtung“, sagte sie häufig oder lud Frauen, die sie öfters sah irgendwann spontan auf ein Wasser ein. Viele der Frauen liessen sich darauf ein, man half als gut situierte Dame ohne wenn und aber jedem, ausserdem; wer in Labban wohnte konnte keine üblen Absichten hegen. „Hier sehen Sie, es sieht doch scheusslich aus hier. Ich brauche dringend Ihre Hilfe“, sprach Sakina weiter auf das erste Opfer ein. Die schlanke, konturlose Frau trug eine dicke goldene Kette um den Hals und Sakina konnte sich verstohlene Blicke nicht verkneifen. Die weiss gestrichene Holztür fiel klickend ins Schloss als Raya mit zugekniffenen Mund und einem metallenen Stock von hinten an die Frau trat. Ein harter Schlag, auf den ein zweiter noch härterer Schlag folgte, liess das Opfer keuchend nach vorne kippen. Die Stange hatte eine Delle am Schädel hinterlassen, der Hinterkopf war eingedellt und Blut sickerte aus der Wunde. „Lebt die noch?“, fragte Sakina unsicher und noch bevor jemand den Puls hatte fühlen können, trat Raya ins Genick der am Boden liegenden Frau. „Jetzt ist sie wohl tot“, sagte Raya trocken und machte sich daran die Goldkette vom schlanken Hals der Toten zu lösen. Sakina kauerte sich äusserst langsam neben Raya und suchte in den Kleidern nach wertvollen Pfundnoten. Am nächsten Tag suchte Sakina wieder nach neuen Opfern und wurde bald fündig. Nach dem gleichen, funktionierenden Ablauf stand wenig später eine dicke Frau mit Perlenkette in der Wohnung. Dieses Mal stach ihr Raya in den Rücken, das scharfe Fleischermesser glitt mehrmals und schnell in den weichen Körper der Frau. Danach legten sie den leblosen Körper zur bereits leicht stinkenden Leiche des ersten Opfers im einzigen freien Zimmer. Glücklich zählten Raya und Sakina ihre Beute und träumten vom möglichen Luxus den sie sich damit leisten konnten. „Sollen wir davon unseren Ehemännern etwas abgeben?“, fragte Sakina eines Tages, worauf Raya nur leise lachte. „Ganz bestimmt nicht. Hasaballah würde mein Teil der Beute nur verprassen und dein geliebter Gatte Abdel-Aal wird wohl auch nicht viel besser sein.“ Doch irgendwann mussten die vermodernden Leichen der vielen Frauen aus der Wohnung geschafft werden und dazu brauchten sie Hilfe. Fortan übernahmen Hasaballah und Abdel-Aal diese Aufgabe und begruben die Körper. Sie begannen ihre Arbeit zu professionalisieren, denn einerseits gingen mittlerweile schon zu viele Personen in der Wohnung ein und aus, andererseits war die Polizei ihnen mittlerweile auf den Fersen. Sakina wurde mehrmals einvernommen, konnte sich jedoch aus der Sache herausreden. Sie gaben die erste Wohnung auf und zogen weiter, immer in der Umgebung rund um Labban. Bald nutzten sie die Vorzüge von Drogen, mischten es in Getränke und boten diese den Frauen auf der Strasse an, damit sie sich weniger wehren konnten. „Lass uns die Opfer erwürgen, das viele Blut verursacht eine zu starke Sauerei“, schlug Sakina vor und so wurden auch die beiden Ehemänner in den Tötungsakt selbst eingeweiht.
Im Jahre 1921 hatten die zwei mordenden Frauen das Glück über alle Massen strapaziert und die Polizei verhaftete Raya, Sakina, Hassaballah und Abdel-Aal. Sieben der siebzehn Opfer konnten nicht vollständig identifiziert werden, für die restliche Aufklärung sorgten die Mörder selbst. Der Vorsitzende des Gerichts Ahmed Bek Mousa verhängte am sechzehnten Mai 1921 die Todesstrafe für beide Frauen und ihre Männer. Raya und Sakina waren somit die ersten Frauen überhaupt, welche in Ägypten zum Tode verurteilt wurden, während sie vermutlich auch die ersten, weiblichen Serienmörder des Landes waren. Zu fünf Jahren Haft wurde Goldschmied Ali Mohamed Hassan verurteilt, da er den gestohlenen Goldschmuck ankaufte.
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