Täglich wird hier eine Seite einer Geschichte veröffentlicht – sie trägt den Arbeitstitel Gestatten, Walter und untersteht dem alleinigen Copyright von Pascal Wiederkehr. Die Geschichte stammt aus einem Manuskript, welches nur grob überarbeitet wurde, und kann deshalb Fehler in Grammatik und Rechtschreibung aufweisen.
Sonntagvormittag, Walter
Nottingham
Tote Menschen können nicht gehen, so scheint es mir, der ungeliebte Angreifer hatte sich nicht wie durch ein Wunder erhoben. Wäre auch schwierig geworden, nachdem ich ihm zuerst die Beine gebrochen hatte und beim zweiten Versuch dann der Brustkorb barst, was mit lautem Knacken von sich ging, lautes Knacken, unter dem rechten Vorderrad des Wagens. Ich hasse solche unnötig brutalen Morde, mein ganzes langes Leben lang, seit 1981 war ich schon brutal gewesen, hatte meine Opfer jedoch nie lange leiden lassen, Leid war für die wirklich bösartigen Geschöpfe wie mich vorbehalten, doch statt mir damit zu danken, versucht der Tod nun alles um mir mein hart aufgebautes Leben zu zerstören. Ich glaube der Tod hat mich bereits eingeholt, vielleicht liege ich in meinem Grab und werde durch grässlichste Niederlagen um die ewige Ruhe gebracht. Seit dem Fehler, dem grossen Fehler in London folgen Fehler auf Fehler. Warum bin ich überhaupt geboren worden? Warum musste mein Onkel das gutlaufende Restaurant in den Dreck ziehen? Wieso habe ich nicht sofort diese grässliche Insel nicht sofort nach der Tat verlassen? Warum bin ich wie ein Gestörter in den Norden gefahren, hier gibt es nicht, ich kann nichts mehr tun, ich stecke fest, ich muss zurück nach London oder sofort zum nächsten Flughafen, so schnell es geht, zurück in das Land meiner Träume, das Land in dem man vom armen Kellner zum wohlhabenden Auftragsmörder aufsteigen konnte. Ich stecke total in der Scheisse, wenn das hier nicht die Hölle ist, dann weiss ich auch nicht. Fünfzig Jahre alt und plötzlich bin ich wieder zum ängstlichen Kleinkind geworden, ein Kleinkind das sich lieber unter der Bettdecke in der eigenen Bleibe verkriecht, an der Brust der Mutter. Gott kann ich nicht um Gnade anflehen, Gott wird mich höchstens auslachen, schallend lachen und mit dem blanken Finger auf mich zeigen wie ich zittere. Vorurteile sind schlimm, ärgerlich, so hätte ich nie geglaubt, so kaltblütig wie ich bin, gewissenlos mörderisch, irgendwann nicht mehr kaltblütig und gewissenlos zu sein, ich habe ein Gewissen, es scheint nur aufzutauchen wenn mein Fortbestehen in Gefahr ist, der Gefahr nicht mehr lange die frische Luft einatmen zu können, höchstens noch beim Hofgang. Gibt es überhaupt beweise? Nein, nein, höchstens den Mord in London, alles andere war ja gut gegangen, ach ja und der erdrückte Angreifer auf dem Parkplatz, wenn denn die Verbindung zwischen dem Matsch, des Toten aus Hammersmith und mir hergestellt wird. Das wird nicht geschehen. Ich fahre zurück, lege einen Zwischenstopp in Nottingham ein und esse etwas, es wird mich schon niemand erkennen. Der Wagen fährt unruhig, aber besser als ohne, die Kreditkarte mit der ich den Mietwagen gekauft habe, kann ich jetzt wegwerfen. Tschüss Tobias Sauter, ich werfe den dazugehörigen Pass hinterher, sie landen im Schlamm neben der schmalen Strasse.
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