“Äs gommt Rägen”, sagten meine Tomatenpflanzen heute zu mir, als ich kurz bei ihnen vorbeischaute, ehe der Jugendfestumzug begann.
“Erstens heisst das ‘Heute wird es regnen’ und nicht ‘Äs gommt Rägen’ und zweitens: Woher wollt ihr so genau wissen, dass es heute regnen wird? Diesen Sommer regnet es nie.”
“Erstens sagen wir ‘Äs gommt Rägen’, weil du das immer so hinreissend lustig fandest, als Prinzchens bester Freund das so sagte und zweitens hast du gestern Abend das Fenster offen gelassen, als du die Wetterprognose geschaut hast und wir haben jedes Wort mitgehört. Der Wetterfrosch hat gesagt, es werde regnen und zwar heftig und darum möchten wir wissen, was du zu tun gedenkst, damit unsere empfindlichen Blättchen nicht nass werden.”
“Ach, ihr wollt doch nicht etwa glauben, was dieser Clown im Fernsehen sagt?”, entgegnete ich. “Der redet ja alle paar Tage eine mittelgrosse Sintflut herbei und am Ende bleibt es trocken wie immer. Ihr müsst froh sein, wenn ihr dieses Wochenende überhaupt nasse Würzelchen bekommt…” “Was, wenn der Clown für einmal recht hat?”, unterbrachen die Pflanzen meinen Redeschwall.
“Ich hab’ ja diese netten Röckchen aus Vlies, die ich euch überziehen kann…”, begann ich, doch die grösste der Tomatenstauden – ich glaube, es ist eine Saucey – unterbrach mich. “Du hast genau fünfzehn von diesen netten Röckchen, wir sind aber mindestens dreissig Pflanzen.” “Unsere Kolleginnen auf dem Balkon nicht mitgezählt”, ergänzte die weisse Ochsenherz, die zwar partout nicht gross werden will, aber trotzdem immer das grosse Wort schwingt. Die weiss halt, dass sie etwas ganz Besonderes ist.
“Nun beruhigt euch doch”, beschwichtigte ich die aufgebrachten Stauden. “Ich fahre jetzt gleich in die Landi und hole euch noch ein paar weitere Röckchen. Noch vor dem Jugendfestumzug, versprochen.” “Okay, wir werden dann ja sehen”, meinte die Saucey mit leicht zynischem Unterton, doch ich hatte jetzt wirklich keine Zeit mehr, mich um sie zu kümmern, denn die Kinder mussten geputzt und gestriegelt werden.
Am Nachmittag fielen dann tatsächlich ein paar Regentropfen, was mir eine willkommene Ausrede bot, die Kinder auf dem Rummelplatz einzusammeln und nach Hause zu gehen. Natürlich ging ich umgehend zu meinen Tomaten. Immerhin hatte ich ihnen ein Versprechen abgegeben.
“Es regnet bereits”, sagte die Gelbe von Thun vorwurfsvoll, als ich mit meinem Vlies angerannt kam. “Es regnet nicht, es tröpfelt ein wenig. Wenn ich den Gartenschlauch mal etwas zu stark einstelle bekommen eure Blättchen mehr Wasser ab als bei diesem kleinen Regen”, entgegnete ich und machte mich daran, das Vlies zuzuschneiden. “Über diesen Gartenschlauch könnten wir uns auch mal unterhalten”, meinte das Baselbieter Röteli spitz. “Wo bist du überhaupt so lange geblieben?” “Mutterpflichten”, antwortete ich knapp, denn ich war gerade dabei, ein widerspenstiges Stück Schnur zu bändigen. “Was für Mutterpflichten denn? Ich hab’ gedacht, du wärest auf einem Fest gewesen”, fragte Black Seaman. “Kinder nach dem Umzug einsammeln, Schülerverpflegung abholen, versalzene Pommes Frites kaufen, Taschengeld austeilen, Begleitung auf dem Rummelplatz, Streit schlichten,… was man halt so macht auf einem Jugendfest”, erklärte ich. “Klingt nicht sehr festlich”, meinte Black Seaman, die anderen Pflanzen pflichteten ihm bei und für einmal an diesem Tag waren die Tomaten und ich uns einig.
Die Einigkeit dauerte nicht lange, denn schon bald fing eine dieser gross gewachsenen Stauden – ich habe ihren Namen leider vergessen – an zu stänkern: “Kannst du mir nicht ein etwas grösseres Kleidchen überziehen? Du klemmst mir ja die Zweige ein.” “Nun hab dich nicht so. Das Vlies muss für alle reichen”, gab ich zur Antwort. “Na, waren wir mal wieder knausrig?”, fragte das Baselbieter Röteli, das noch immer eingeschnappt war, weil es ein paar Regentropfen abbekommen hatte. “Knausrig? Fast 20 Franken habe ich ausgegeben, um euch vor einem Regen zu schützen, der vielleicht nicht mal kommt. Es hat bereits wieder aufgehört…”, sagte ich.
“Es mag zwar für den Moment aufgehört haben”, sagte die Purpurkalebasse, “aber es wird wieder kommen.” “Das will ich doch hoffen. Sonst hätte ich mich jetzt umsonst damit abgemüht, euch allen ein nettes kleines Röckchen überzuziehen, anstatt mich bei einem ausgiebigen Mittagsschlaf von den Feststrapazen auszuruhen”, erwiderte ich.
“Eines Tages wird diese Frau noch verfaulen”, hörte ich die Tigrella zu San Marzano sagen, als ich ins Haus ging, um den verpassten Mittagsschlaf nachzuholen.