Gertrudenhof – Der Bauernhof 2.0

? Herr Zens, Sie haben mit dem Gertrudenhof einen Ort geschaffen, der alt und jung begeistert und immer einen Ausflug wert ist. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, solch einen Erlebnisbauernhof ins Leben zu rufen?

! Zunächst einmal ist der Gertrudenhof ein Familienbetrieb, ich bin also quasi in diesen Hof hineingeboren. Da ich mich nicht mit der Landwirtschaft der Monokulturen identifizieren kann, wollte ich keinen solchen Bauernhof führen, der sich auf eine bestimmte Sache wie beispielsweise eine einzige Kohl- oder Obstart spezialisiert hat. Deswegen habe ich überlegt, wie ich einen Bauernhof schaffen kann, der ganzheitlich ist. Auf dem Besucher frisches Obst und Gemüse, Eier, Fleisch, Käse, Milch und Brot einkaufen können. Mit einer perfekten Lage direkt vor den Toren Kölns und mitten in Hürth, habe ich mir gedacht, dass ich einen Ort schaffe, zu dem Menschen aus dem Umkreis kommen können, um nachhaltige und qualitative Lebensmittel einzukaufen. Zugleich sollen sie aber auch das Leben ein wenig auf unserem Hof genießen, sei es mit ihren Kindern auf dem Spielplatz, im Streichelzoo oder beim Schlemmen auf unserer Gourmet-Meile.

? Wie haben Sie Ihre Idee in die Tat umgesetzt? Das ging ja sicherlich nicht von heute auf morgen?

! Nein, das stimmt. Der Gertrudenhof ist ein Projekt, das gewachsen ist. Vor rund zehn Jahren habe ich das Projekt Gertrudenhof in Angriff genommen und eigentlich war auch alles viel kleiner gedacht. Gestartet bin ich mit dem Streichelzoo, einfach weil ich Tiere mag. Dann kam der Hofladen dazu. Ich hatte schon immer die Affinität, Selbstangebautes zu verkaufen. So habe ich schon als Sechsjähriger an der Straßenecke Tulpen an Passanten verkauft. Mit dem Hofladen habe ich versucht, einen Markt ins Leben zu rufen, den es heute in dieser Form einfach nicht mehr gibt. Ich möchte mit dem Hofladen einen Treffpunkt der Produzenten der Region schaffen. Der Hofladen soll so ein Ort sein wie ein Markt zu der Zeit meines Großvaters war. Auch Blumen sind ein fester Bestandteil des Gertrudenhofs. Denn Blumen gehören einfach zu einem richtigen Markt dazu und so verkaufen wir auf unserem Hof saisonale Blumen.

Aufgrund vermehrter Nachfrage habe ich auch Schulführungen auf dem Gertrudenhof eingeführt. Immer wieder haben mich Besucher darauf angesprochen, ob ich nicht einmal zeigen könnte, wie ein Bauernhof so funktioniert. Da ich es für absolut sinnvoll und notwendig erachte, dass Menschen und allen vorweg Kinder sich bewusst mit Lebensmitteln auseinandersetzen, war für mich ganz klar, dass ich dieser Nachfrage nachkommen würde.

Die jüngste Entwicklung des Gertrudenhofs ist die Gastronomie. Im Prinzip haben wir einen kleinen Bauernhof-Street-Food-Market geschaffen. In verschiedenen Buden sorgen wir für das leibliche Wohl unserer Besucher. Neben Waffeln, Flammkuchen, Suppen, Brot, Kuchen und Reibekuchen bieten wir zum Beispiel auch Pommes mit Currywurst an. Alle Waren beziehen wir von regionalen Partnern oder produzieren wir selber vor Ort. Momentan verarbeiten wir zum Beispiel unsere Zwetschgen im Kuchen oder wir haben jetzt während der Kürbiszeit viele Kürbis-Angebote. Angefangen bei Kürbis-Eis über Kürbis-Brote, Kürbis-Rösti, Kürbis-Flammkuchen bis hin zu Kürbis-Secco. So versuche ich auch mit der Schlemmermeile, Lust auf regionale und saisonale Produkte zu machen.

? Der Gertrudenhof ist also nicht nur ein Ort zum Spielen, Schlemmen und Tiere füttern, sondern auch ein Hof, auf dem Besucher hochwertige Lebensmittel einkaufen können. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Spaß mit dem Nützlichen zu verbinden?

! Wenn die Menschen Spaß an etwas haben, dann sind sie auch bereit, sich mit Dingen bewusst zu befassen. Den Spaß am guten Einkaufen, an gutem Kochen und gutem Essen, den möchte ich vermitteln. Der Gertrudenhof ist ein Projekt, das ich aus vollster Überzeugung verfolge. Ich möchte unseren Besuchern einen rundum schönen Aufenthalt bescheren, möchte ihnen aber auch einen wertschätzenden Umgang mit unseren Produkten vermitteln. Das funktioniert aber nur spielerisch. Niemand kauft dort ein, wo er sich nicht wohl fühlt. Aber wenn jemand sich wohl fühlt, dann kommt er gerne und kommt auch immer wieder. So können wir ihm dann Schritt für Schritt unseren Umgang mit Lebensmitteln vermitteln. Auch unsere Feste setzen dort an. Wir feiern etwa 30 saisonale Feste im Jahr. Jüngst beispielsweise das Kürbisfest, bei dem wir den Besuchern den Kürbis schmackhaft gemacht haben. Unsere Besucher können Kürbisse schnitzen, durch ein Kürbislabyrinth laufen, verschiedene Kürbisarten kennen lernen und unterschiedlichste Kürbisgerichte probieren.

Uns machen diese Feste genauso viel Spaß wie unseren Besuchern und ganz nebenbei stellen wir ein saisonales Produkt vor. Dabei ist es mir ganz wichtig, dass alle Kulturen und Gesellschaftsschichten mit unserem Hof und unseren Festen angesprochen werden. Deshalb verlangen wir auch keinen Eintritt und auch unsere Preise sind alle gerecht kalkuliert. Ich wünsche mir, dass sich auf unserem Hof die Menschen mischen und so eine Verbindung finden. Denn der Gertrudenhof ist für mich auch ein Ort der Begegnung und des Miteinanders. Und genauso wie die Menschen auf unserem Hof bunt gemischt sind, sind es auch die Tiere. Alpakas, Ponys, Schweine, Ziegen, Schafe und noch viele mehr leben hier zusammen, können sich frei bewegen und geben so für uns Menschen das beste Beispiel ab.

? Haben Sie das Gefühl, dass Menschen eher bereit sind, in gute, regionale Lebensmittel zu investieren, wenn sie ihren Einkauf an einem schönen Ort wie dem Getrudenhof erledigen können?

! Jein. Leider ist es immer noch so, dass viele Menschen Lebensmittel nicht wertschätzen. Sie wünschen sich zwar zum Beispiel ein Brot ohne künstliche Zusatzstoffe, das handwerklich vom Bäcker mit Sauerteigen gebacken wurde, wenn dieses dann aber logischerweise ein paar Cent teurer ist als das in den Backshops mittlerweile nur noch aufgebackene Brot aus Fabriken in Osteuropa, dann greifen sie oftmals dann doch zu dem Billigprodukt. Hier ist es mein Ziel, den Menschen das Bewusstsein für unsere qualitativ hochwertigen Lebensmittel zu vermitteln, aber das ist noch ein sehr langer Weg.

Viele Menschen geben gerne 1000 Euro für einen Grill aus, aber grillen dann Discounter-Fleisch. Diese Einstellung stimmt vorne und hinten nicht. Bei uns gibt es eigentlich immer eine Geschichte zum Produkt, diese möchte ich unseren Besuchern vermitteln, daran arbeite ich momentan gemeinsam mit meinen Mitarbeitern. Je mehr Interesse an unserem Hof gezeigt wird, desto mehr Leute kommen auf den Hof und desto mehr Leute erreichen wir mit unserem Konzept. Ich versuche also, mit unserem Hof eine gute Grundlage dafür zu schaffen, dass Menschen überhaupt einmal darüber nachdenken, was sie essen und woher sie ihre Produkte beziehen.

? Sie verkaufen neben Produkten aus eigenem oder regionalem Anbau auch Produkte aus dem Ausland. Worauf achten Sie bei diesen Produkten?

! Zunächst einmal versuche ich, möglichst aus eigenem Anbau oder von regionalen Partnern zu verkaufen. Ich möchte aber, dass unsere Besucher nach einem Einkauf bei uns nicht noch in den Supermarkt fahren müssen, um dort Melonen oder Nektarinen zu kaufen. Ich biete deswegen auch solche Produkte an. Dabei achte ich darauf, dass ich diese Produkte von Händlern beziehe, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen wie zum Beispiel, dass Zitrusfrüchte nicht gewachst und die Produkte Fresenius geprüft sind.

Viele unserer Produkte haben Bio-Qualität, aber nicht alle. Denn Bio ist auch nicht gleich Bio. Leider gibt es auch immer weniger von den wirklich naturnah im Kreislauf wirtschaftenden Biohöfen, weil diese verdrängt werden von einem industriellen, monokulturellen Bio-Anbau. Diese industriellen Bio-Produkte kann man mittlerweile überall in Supermärkten und Discountern finden und sie sind höchstens für das gute Gefühl des Kunden beim Einkaufen gut. Ich arbeite deswegen mit Partnern, die Mittel einsetzen, die nicht schädlich sind. Grundsätzlich weiß unser Besucher immer, woher das Produkt stammt, das er gerade einkauft, denn wir zeichnen jedes Produkt aus. Diese Transparenz ist mir extrem wichtig.

? Sie haben ja schon erwähnt, dass sie auch Schulführungen anbieten. Wie genau laufen diese ab?

! Die Schulführungen sind ein fester Bestandteil von dem Projekt Gertrudenhof. Im Jahr führen wir mittlerweile rund 1000 Führungen durch. Bei diesen Schulführungen bringen wir Kindern unsere Landwirtschaft nahe. Die Kinder tauchen gemeinsam mit uns spielerisch und nicht mit erhobenem Zeigefinger in das Treiben eines Bauernhofs ein und das machen sie in der Regel gerne.

Die Kinder machen bei unseren Führungen Schlüsselerfahrungen, wir holen sie mit allen Sinnen ab. Sie buddeln Kartoffeln aus, lernen, was man genau von der Kartoffel verspeisen kann und essen die selbst ausgebuddelte Kartoffel dann auch mit leckerem Kräuterquark aus eigener Herstellung. Oder sie pflücken eine Zwetschge vom Baum, die sie sofort verspeisen. Sie füttern Hühner und erfahren, dass auch Hühner grüne Eier legen können. Sie führen Ponys und lernen so ganz spielerisch das Treiben und Arbeiten auf einem Bauernhof kennen.

Die Inhalte, die wir vermitteln, brechen wir für die Kinder herunter. Es bringt nichts, ihnen reine Informationen zu vermitteln, sondern sie müssen die Informationen erleben. Nur so verinnerlichen sie diese auch und haben noch jede Menge Spaß dabei. Wir erhoffen uns, dass die Kinder so auch zu einer Art Botschafter werden und ihre Eltern zu einem bewussteren Verhalten mit unseren Lebensmitteln animieren. Durch ihre Kinder können Eltern Freude daran gewinnen, Essen im Allgemeinen zu überdenken.

? Daraus höre ich, dass auch die Eltern Aufklärungsbedarf hätten.

! Absolut! Unser heutiges Konsumverhalten müssen wir unbedingt überdenken. Wir verschwenden viel zu viele Lebensmittel und durch diese Verschwendung werden wir früher oder später immense Probleme bekommen. Denn mit unserem jetzigen Verhalten verbrauchen wir das Land unserer Nachfolge-Generationen. Wir müssen ganzheitlicher denken. Unsere Kinder müssen wir frühzeitig informieren, aber auch die Eltern und Großeltern müssen mitziehen.

Kinder spielen hier eine ganz wichtige Rolle, denn sie können die Eltern dahin bringen, bewusster mit Lebensmitteln umzugehen. Ein Kind, das beispielsweise eine unserer Schulführungen mitgemacht hat, fragt die Mutter vielleicht, was sie da kocht, wie das Gemüse wächst und wie es geerntet wird.

Ein Thema, das mir auch sehr am Herzen liegt, ist unsere Wegwerfkultur. Ich versuche, möglichst keine Lebensmittel wegzuwerfen. Wenn Radieschen welk sind, ein Kohl Druckstellen oder ein Apfel Katschen hat, dann schmeißen wir ihn nicht weg, sondern legen ihn in unseren Verteiler. Aus diesem können unsere Besucher sich die Waren kostenlos mitnehmen. Das funktioniert. Es bleibt eigentlich nichts im Verteiler liegen. Brot vom Vortag verwenden wir am nächsten Tag als Suppenbrot und wenn Kuchen übrig bleibt, dann dürfen unsere Mitarbeiter diesen mitnehmen. Diesen bewussten und wertschätzenden Umgang vermitteln wir den Kindern auch bei den Schulführungen. Und was meinen Sie, wie effektiv das ist. Wenn Kinder zum Beispiel dazu angehalten werden, eine Woche lang die Lebensmittel zu fotografieren, die bei ihnen zu Hause weggeschmissen werden, dann fangen die Eltern an, nachzudenken. Und die Kinder werden darauf achten, dass eben möglichst wenig weggeworfen wird.

? Wir kommen immer wieder mit Bekannten, Freunden und Verwandten auf einen Besuch vorbei. Bisher waren alle sehr begeistert. Haben Sie dennoch weitere Ideen, wie Sie Ihr Konzept ausbauen können oder wollen?

! Ich möchte mit dem Gertrudenhof ein Vorbild sein für andere Höfe. Ich möchte zeigen, dass Nachhaltigkeit am Ende des Tages doch noch wirtschaftlich sein kann. Dies ist ein langer Weg, den man schrittweise gehen muss, aber er funktioniert, das zeigt der Gertrudenhof auf allen Ebenen. Wir verkaufen nur Produkte, hinter denen ich wirklich stehe. So war es vor sechs Jahren zum Beispiel undenkbar, dass Leute krummes Gemüse kaufen. Heute aber vermarkten wir die ganze Ernte. So werden eben auch die krummen Gurken und die kleinen Erdbeeren im Hofladen angeboten. Die kosten dann ein bisschen weniger als die „normal“ großen Erdbeeren oder die geraden Gurken, sind aber genauso frisch und lecker und werden deshalb gerne gekauft.

Und mit genau solchen Projekten möchte ich weitermachen: Ein Projekt, das gerade in der Konzeption steckt und mir sehr am Herzen liegt, ist der Weltacker. Damit möchte ich das Bewusstsein vermitteln, wie verschwenderisch wir durch unser Konsumverhalten mit unserem Land umgehen. Denn obwohl jedem Menschen auf der Welt nur 2000 m² Land zur Verfügung stehen, verbrauchen wir in Deutschland momentan etwa 3500 m² Land pro Person.

Durch die Verbildlichung auf einem 2000 m² großen Weltacker möchte ich mit den Kindern und Jugendlichen diskutieren, wie sie für sich „ihren“ Weltacker nutzen möchten und wie sie mit ihrem Handeln Dinge verändern und beeinflussen können. Das ist Bildung für nachhaltige Entwicklung wie sie schöner und einfacher nicht sein kann und darauf freue ich mich sehr!

Vielen Dank Herr Zens für das tolle Gespräch!

Peter Zens GertrudehofPeter Zens ist Diplom-Agrarwirt und Inhaber des Erlebnisbauernhofes in Hürth, einem Familienbetrieb, den der 38-Jährige von seinen Eltern übernommen und in den letzten zehn Jahren zu einem Erlebnishof für die ganze Familie weiterentwickelt hat. Alle Informationen zum Erlebnisbauernhof Gertrudenhof findet ihr hier.


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