Wenn große Bauvorhaben im Desaster enden, kann das viele Gründe haben, betont Psychologin Nicole Torjus von der FU Berlin im Interview gegenüber dem Magazin "Gehirn und Geist" (Heft 10/2012). Der häufige Umstand, dass ein Kollektiv unerwünschte Informationen ausblendet, trägt jedoch oft stark dazu bei. Dieses Phänomen, das Psychologen als »Gruppendenken« bezeichnen, kann dazu führen, dass ein Team schlechtere Entscheidungen trifft als Einzelne, weil in ihnen ein hoher Konformitätsdruck herrscht.
Aus: Gehirn&Geist;, Oktober 2012
Schon bei der gescheiterten Schweinebucht-Invasion der US-Armee auf Kuba kam dieser Mechanismus zum Tragen: Obwohl viele Berater von US-Präsident Kennedy wussten, dass der Angriff nicht gut geplant war, hatten sie keine Kritik am Vorgehen geäußert – und zugesehen, wie die Operation misslang.
Laut der Psychologin Torjus gibt es bekannte Risikofaktoren für Gruppendenken. Dazu zählen besonders autoritäre Führungspersonen, allzu homogen zusammengesetzte Teams mit starkem "Wir"-Gefühl sowie Zeitdruck und Stress. Vieles davon sei beim Berliner Flughafenbau offenkundig ebenfalls zu beobachten gewesen. So hätten die Verantwortlichen unter starkem Druck gestanden, eine erneute Verschiebung des Eröffnungstermins zu verhindern, nachdem der Termin im Jahr 2010 schon einmal verlegt worden war. Auch das Schönen von Kontrollberichten für den Aufsichtsrat, von dem die Presse mehrfach berichtete, sei "ein klassisches Beispiel dafür, dass eine Information angepasst wird, weil sie nicht erwünscht ist."
Um solche Denkfallen sicher zu umgehen, erklärt die Psychologin, helfe es zum Beispiel, einen "Teufelsadvokaten" zu benenne. Diese Person habe die Aufgabe, sich bewusst gegen die Gruppe zu stellen und den Finger in die Wunde zu legen. Auch sei es im Allgemeinen ratsam, den Informationsfluss in Gruppen von niedrigen zu höheren Hierarchieebenen zu fördern.