Und das kam so: Der Gatte stellte mir die ersten vier Bände des Zyklus Ein Lied von Eis und Feuer auf den Tisch, mit den Worten „Das gefällt Dir bestimmt.“ Ich stellte die hübsche Sammelbox vom Tisch ins Regal und ignorierte sie dort ein gutes halbes Jahr lang. Denn es handelte sich um die englische Ausgabe. Geständnis: Weil ich gerne zügig lese, vermeide ich meist das englische Original – was soll’s, es dürfte jedem klar sein, dass sich dies hier nicht als Mutterschiff intellektuellen Anspruchs versteht.
Wenig später zeigte mir der begeisterte Gatte einen Trailer der HBO-Serie „Game of Thrones“ – da gab ich seiner Penetranz zähneknirschend nach und kaufte uns kurzerhand die komplette erste Staffel. Und fand sie brillant. Ganz autoritär musste ich mich zwingen, nicht alle Folgen am Stück anzuschauen, sondern mir den Genuss brav einzuteilen, um länger davon zehren zu können. So gut fand ich die Serie. Tja, und nach der letzten Folge ereilte mich dann der Entzug, den jeder kennt, der Serien in Buch- oder Filmform liebt. Man weiß ja bereits, die Geschichte geht weiter; man will um alles in der Welt wissen, wie sie weitergeht; man kann es quasi kaum ertragen, von der Geschichte getrennt zu sein.
Und auf einmal erschien mir die englische Pappbox mit den vier Bänden darin unheimlich attraktiv.
Ich muss also zugeben: Ich habe den ersten Band als Methadon für meine Entzugserscheinungen missbraucht. Nur deshalb habe ich ihn aufgeschlagen. Um mich hundert Seiten später dafür zu schämen, denn das haben die Romane wahrhaftig nicht verdient. Die Sprache ist überraschend gut zu bewältigen. Gelegentlich schlage ich einen Begriff nach, aber das stört den Lesefluss nur unerheblich. Ich bin jetzt im ersten Drittel des zweiten Bandes und heilfroh, dass ich noch so viele Seiten vor mir habe. So viele Seiten, die ich in der Geschichte verbringen kann. Ich ganz allein. Mein Schaaaatz.
Viele von Euch werden Ein Lied von Eis und Feuer in Buchform schon kennen, oder aber den ersten Band als Serie, oder beides. Ausufernde Klappentextereien spare ich mir daher, zumal eine sinnvolle Inhaltsangabe ohnehin sehr viel mehr Text in Anspruch nähme, als mir und Euch lieb wäre. Die Handlung von Game of Thrones ist in einer Welt angesiedelt, die in ihrem Charakter dem recht düster anmutenden europäischen Mittelalter ähnelt. Sieben Königreiche umfasst der Kontinent Westeros, der von König Robert Baratheon regiert wird. Als Baratheon stirbt, erheben gleich mehrere Anwärter den Anspruch auf den Thron – ein raffiniertes und grausames politisches Ränkespiel beginnt.
Aus wechselnden Subjektiven breitet sich die raue Geschichte vor uns aus. Das schafft eine intensive Nähe zu den Figuren und sorgt nicht zuletzt dafür, dass der Leser sich schnell im Geflecht der vielen Parteien zurechtfindet. Die stimmige, mittelalterlich-magische Welt von Westeros wurde mit großer Sorgfalt und einem Blick für originelle Details erschaffen. Ein schönes Beispiel: die Rolle der Jahreszeiten. In Westeros kann ein Sommer durchaus Jahre, ein Winter sogar Jahrzehnte dauern. Entsprechend gefürchtet sind die Winter im Königreich. So lässt GRRM der unerbittlichen Natur eine ganz eigene, fast mystische Bedeutung zukommen, die als mehr oder weniger subtile Bedrohung ständig präsent ist.
Die Melange aus diesem beeindruckenden Weltentwurf, den absolut überzeugenden Figuren und der spannenden Story hat mich unverzüglich gefesselt. Während ich dies hier schreibe, möchte ich eigentlich viel lieber weiterlesen. Mehr Empfehlung geht wohl nicht.