Generationskonflikt

417281_web_R_B_by_Thommy Weiss_pixelio.deDas hat man davon, wenn man mit seiner Mutter, seinem Sohn zu seiner Oma in den Urlaub fährt. Vor allem wenn man dem Klischee so sehr entspricht, wie meine Person das tut. Es ist nie sehr einfach, man hat so seine Reibungspunkte, aber so wie es letztens war, war es noch nie. Ich war es schon zuvor gewohnt den einen oder anderen Seitenhieb von meiner Mutter einstecken zu müssen. Aber diesmal fiel mir auf, dass sie eine Art Zwischenhändler zu sein scheint, der wiederum eine Art Mehrwertsteuer aufschlägt und die erhaltene Ware weiterreicht.

Vielleicht lag es diesmal an meinen Rastas, dass ich so weit drüber stehen konnte, wie nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert, ist der Rest auch schon egal“. Vielleicht ist es einfach nur das Phänomen der Stutenbissigkeit unter Frauen, aber meine Oma, meine Mutter, die schenken sich nichts. Umso gemeiner, desto besser. Meine Oma wird immer seltsamer, immer dreister, immer verletzender. Liegt es daran, dass sie immer unzufriedener mit sich selbst wird? Oder einsamer? Sie lässt kein gutes Haar mehr an den Menschen um sie herum, in erster Front erwischt es meine Mutter, vielleicht weil sie die Erstgeborene ist. Vielleicht weil es damals nicht so einfach war alleinerziehend zu sein. Ich weiß es nicht.

Es ist schon seltsam, worüber man lästern kann, wenn man nicht Größe 0 trägt, aber immer noch weniger auf die Waage bringt als sein Gegenüber. Immer kommentieren zu müssen, was gerade gegessen wird, wie viel und wie man daher aussieht. Dass sie ja nur so und so Essen würde und dann nur das und das und zu der Uhrzeit. Wenn es an ihrer Ernährung liegt, dass sie so kränkend ist, will ich mich an ihre Diät nicht halten. Vor allem weil man ihr ansieht, dass es Futterneid ist, weshalb sie sich so benehmen muss. Tja, Selbstgeißelung hatte schon immer ein anderes Ziel verfolgt als die innere Ausgewogenheit. Aber müssen andere unter ihrem Verhalten leiden? Meine Mutter tat mir so Leid, als sie mir von dem Spruch oder jenem erzählt hat und was sollte ich da schon sagen außer, dass man sie vielleicht in ihre Schranken weisen sollte trotz ihres Alters und dass es keine Argumentation für eine solche Verhaltensweise sein kann.

Nach einer Weile fiel mir auf, dass meine Mutter eine Art Kanal für ihren Frust, der von meiner Oma verursacht wurde, gefunden hatte: meine Wenigkeit. Meine Assistentin hat jetzt so gut abgenommen seitdem sie sie das letzte Mal gesehen hat, wann würde ich denn anfangen mit dem Abnehmen? Was soll man auf so etwas antworten? Völlig stolz, „ich sehe da jetzt kein Bedarf für“ und bloß nicht erwähnen, dass es schon eine Kleidergröße weniger ist oder dass es schon immer einige Kleidergrößen war unter ihrer. Dass ich vielleicht das nicht essen sollte und nicht zu dieser Zeit, witzig wie bei der Diskriminierung, dass man wissen sollte, wie es sich anfühlt diskriminiert zu werden, aber es ungefiltert weitergibt. Dann ist noch die Erziehung meines Sohnes, ich wäre viel zu streng, das Kind weiß ja gar nicht, dass es Ferien hat, ich würde ihn ja viel zu oft anschreien. Und tatsächlich bewusst oder nicht, bei genauer Betrachtung hatte ich auch das Gefühl, dass ich schneller die Stimme erhoben habe als sonst. Habe ich es auch weitergegeben?

Umso mehr sie mich zurecht wies, umso schlimmer fand ich das Ganze. Umso unzufriedener war ich mit mir selbst. Mein Kind kann ja nichts dafür. Ach übrigens, meine Oma fand ich wäre viel zu nachgiebig. Und so verbrachten wir den letzten Abend, der noch mal alle Facetten dieses Konflikts auf einen Punkt gebracht hatte. Meine Mutter wies mich zurecht, dass ich mal wieder mein Kind angeschrien habe, meine Oma sagte meiner Mutter, dass sie nicht so viel essen solle damit sie nicht noch dicker wird, ich sagte meiner Oma, sie solle meine Mutter vor allem nicht beim Essen triezen, dass einem so der Appetit vergehen kann und meine Mutter ermahnte mich, dass ich so mit meiner Oma nicht reden kann und anschließend machte mich noch meine Mutter darauf aufmerksam, dass ich jung verheiratete Paare mit Kindern beobachten sollte, sie würden mit den Kindern ganz liebevoll und ruhig sprechen. Und dann wurde ich schnippisch, weil mir der Kragen platzte und antwortete „ich bin weder verheiratet, noch bin ich jung also kann ich mit meinem Kind reden wie ich will“. So fuhren wir alle schweigend nach Hause, alle eingeschnappt. Zu Hause angekommen meinte meine Mutter, sie wäre ja so verschwitzt und meine Oma wie so ein kleines verzogenes Gör, dass sie ja gar nicht schwitzen würde und ich, da hatte ich schon aus meiner vorhergegangenen Kritik gelernt, sagte nichts. Recht bald verabschiedete sich meine Oma bei meinem Sohn, übrigens mit den Worten „du bist nicht lieb“, und ich sagte wieder nichts. Ob es aus lauter Cleverness oder Sprachlosigkeit kam, weiß ich nicht. Gott sei Dank, der letzte Abend und der Urlaub war vorbei, man konnte sich erholen.

(Foto: Thommy Weiss / pixelio.de)


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