Der erste Mai, der internationale Tag der Arbeiter, ist der internationale Tag der Solidarität der Arbeiter und deren Protest gegen Unterdrückung und Ungleichheit im kapitalistischen System. An diesem Tag erinnern die Arbeiter immer wieder an ihren weltweiten Kampf zur Realisierung ihrer Menschenrechte. Die Arbeiter Irans zusammen mit den Arbeitern weltweit feiern diesen Tag jedes Jahr und halten ihre Kundgebungen im Protest gegen die unmenschlichen Verhältnisse ab und versuchen, ihre Stimmen zur Erlangung ihrer selbstverständlichen Rechte zu erheben.
Während die Arbeiter weltweit leidenschaftlich und kämpferisch millionenfach in den meisten Ländern der Welt auf den Straßen gegen ihre Lebensverhältnisse protestieren, sind die Arbeiter im Iran nicht nur ihres Rechtes auf Versammlung und Demonstration beraubt, sondern sie sind auch tagtäglich Opfer schärfster Angriffe auf ihren Lebensstandard. Den Protesten und Forderungen der Arbeiter wird mit Verhaftungen und Gefängnis begegnet. Mit dem sogenannten „Plan zur Rationalisierung der Subventionen“ des herrschenden Kapitalismus, der die Unterstützung der internationalen kapitalistischen Institutionen genießt, sind sie dabei, noch mehr Arbeiter und deren Familien ins Elend zu treiben und eine freie Meinungsäußerung über diesen Plan wird auch nicht toleriert. Der drastische Anstieg der Energiekosten und die Stilllegung von Fabriken stürzen einerseits tagtäglich tausende Arbeiter in die Arbeitslosigkeit, andererseits wird das Arbeitslosengesetz zum Nachteil der Arbeiter geändert, in den Krankenhäusern und Kliniken der Sozialversicherungen eine Selbstbeteiligung für die Versicherten eingeführt und neue Voraussetzungen für die Auszahlung von Rentenanwartschaften geschaffen sowie die Versicherungsleistungen für die Bauarbeiter gekürzt. Die Anhebung des Mindestlohns um nur 9% wirkt wie ein Hohn, wenn gleichzeitig der Preis für die Grundversorgung astronomisch steigt.
Für Millionen von Arbeiterfamilien, die bereits jetzt nicht in der Lage sind, ihr Existenzminimum zu verdienen, bedeutet diese Entwicklung nicht anderes als eine zunehmende Armut und Verelendung. Wir, die Arbeiter, werden aber nicht untätig dem langsamen Tod unserer Familien zusehen. Wir werden uns gegen den Angriff auf unsere Existenz wehren. Wir werden in geschlossenen Reihen der aufgezwungenen Armut und Verelendung Widerstand leisten. Deshalb rufen wir alle Arbeiter Irans auf, ihre Empörung gegen die aktuelle Lage zum Ausdruck zu bringen und gemeinsam ihre Forderungen zu formulieren. Wir fordern die sofortige Realisierung folgender Forderungen:
1. Bedingungslose Freiheit zur Bildung unabhängiger Arbeiterorganisationen und zur Ausübung von Streiks, Protesten und Demonstrationen. Die Freiheit zur Gründung von Parteien, Versammlungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit gehören zu unseren Grundrechten.
Sämtliche von der Regierung geschaffenen Institutionen in den Fabriken und in unserer Nachbarschaft müssen verschwinden, und die vorgenannten Rechte müssen als Grundrechte der Arbeiter und aller Menschen anerkannt werden.
2. Wir lehnen eine Gesellschaft ab, in der sich Reichtum und Kapital in den Händen einer Minderheit konzentrieren, während die Mehrheit der Bevölkerung um das Überleben bangen muss. Während die Streichung der Subventionen für die Grundlebensprodukte zu einer astronomischen Steigerung der Preise führt, ist die Anhebung des Mindestlohns um 9% ein Hohn und eine Beleidigung für die Menschenwürde und das Existenzrecht der Arbeiter. Für uns ist die Anhebung der Löhne um nur 9% gleichzusetzen mit einem Aufzwingen von mehr Armut und Elend in Millionen Arbeiterfamilien. Wir lehnen die jetzige Art und Weise der Bestimmung der Mindestlöhne ab und fordern deren Festsetzung durch legitime Vertreter der Arbeiter und entsprechend dem höchsten Lebensstandard in der Welt. Die Umsetzung des Plans zur Abschaffung der Subventionen muss sofort gestoppt werden.
3. Wir fordern die Abschaffung von befristeten und Blanko-Arbeitsverträgen1 sowie die Abschaffung von Subunternehmen. Wir verlangen den Abschluss von Verträgen unmittelbar mit den Arbeitern und kollektive Tarifbestimmungen, Arbeitsplatzsicherung und Realisierung höchster Hygiene- und Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz.
4. Lohnrückstände müssen sofort und ohne Ausreden ausgeglichen werden. Die Nichtzahlung des Lohns muss strafrechtlich verfolgbar gemacht werden, und die Arbeiter müssen einen Anspruch auf Schadensersatz bekommen.
5. Massenentlassungen müssen gestoppt werden. Jeder arbeitslose Arbeiter muss einen Anspruch auf ein Arbeitslosengeld haben, das ihm eine menschenwürdige Existenz bis zur Wiederbeschäftigung ermöglicht.
6. Einerseits gehört die Organisation für soziale Sicherheit dank der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeiter zu den reichsten Institutionen des Landes, andererseits verlangt diese Organisation nach dem Prinzip der kapitalistischen Gewinnmaximierung eine Selbstbeteilung von ihren behandlungsbedürftigen Mitgliedern. Sozialversicherungen müssen für alle Mitglieder der Gesellschaft garantiert werden. Die Verwaltung der Organisation für soziale Sicherheit muss durch gewählte Vertreter der Arbeiter übernommen werden.
7. Wir verurteilen das harte Durchgreifen gegen Arbeiterproteste und andere Proteste der Bevölkerung. Wir fordern die Abschaffung der Todesstrafe. Wir fordern die bedingungslose Freilassung sämtlicher inhaftierter Arbeiter und Aktivisten anderer sozialer Bewegungen. Die Verfolgung von Aktivisten muss sofort gestoppt werden. Dem bestehenden Klima der Einschüchterung durch Sicherheitskräfte muss ein Ende gesetzt werden.
8. Wir fordern die Abschaffung aller Gesetze, die die Frauen diskriminieren. Gleiche Rechte für Frauen und Männer in der Familie und in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens müssen bedingungslos garantiert werden.
9. Allen Rentnern muss ein menschenwürdiges und sorgloses Leben garantiert werden. Die Diskriminierung der Rentner bei der Auszahlung der Rente muss aufhören. Ausreichende Krankenversicherung und andere Sozialversicherungen müssen für sie gewährleistet sein.
10. Kinderarbeit muss verboten werden. Umfassende Sozialversicherungen müssen für die Kinder und ihre Eltern garantiert werden. Bildungschancen für die Kinder müssen unabhängig von ihrem Geschlecht und der ethnischen Herkunft, der religiösen Überzeugung und der sozialen Herkunft ihrer Eltern geschaffen werden.
11. Der Wunsch nach Veränderung ist ein unbestreitbares Recht aller Menschen weltweit. Wir unterstützen die Proteste der Bevölkerung in Nahost. Wir verurteilen die Niederschlagung dieser Proteste und alle Abmachungen, die hinter den Kulissen über die Köpfe der Menschen hinweg getroffen werden, und die den Gang der Geschehnisse zu deren Ungunsten steuern.
12. Wir sind ein Teil der internationalen Arbeiterklasse und verurteilen die Entlassung und Diskriminierung der afghanischen Arbeiter sowie der Arbeiter aus anderen Ländern im Iran.
13. Wir bedanken uns für die weltweite Unterstützung unserer Kämpfe und solidarisieren uns mit dem Kampf der Arbeiter in anderen Ländern und betonen mehr als je zuvor die Notwendigkeit einer internationalen Arbeitersolidarität zur Befreiung vom kapitalistischen System.
14. Der 1. Mai muss im Iran als ein offizieller Feiertag anerkannt und im Kalender aufgenommen werden. Verbote und Einschränkungen für Versammlungen an diesem Tag müssen beendet werden.
Es lebe der 1. Mai.
Es lebe die internationale Solidarität der Arbeiter
1. Mai 2011
Gewerkschaft für die Beschäftigten der Busgesellschaft im Großraum Teheran („Sherkat-e Vahed“)
Freie Gewerkschaft der Arbeiter Irans
Delegation zur Wieder-Eröffnung der Gewerkschaft der Gebäudemaler
Delegation zur Wieder-Eröffnung der Gewerkschaft der Metaller
Gesellschaft zur Unterstützung der Rechte der Arbeiter
Komitee zur Gründung von Arbeiterorganisationen
Koordinationskomitee zur Gründung von Arbeiterorganisationen
- Blanko-Arbeitsverträge sind befristete schriftliche Arbeitsverträge, ohne dass die Befristung im Arbeitsvertrag eingetragen wird. Der Arbeitgeber hat das Recht, das Ende des Arbeitsverhältnisses einseitig zu bestimmen und in den Arbeitsvertrag einzutragen. ↩