Gema will Bürgerkrieg

Wer heute morgen nicht über Griechenland schreiben will, hat nicht allzu viel Auswahl, wenn er sich aufregen möchte. Dass auch Frau Merkel zu Deutschland gehört, sei hiermit also am Rande festgestellt, und nein, es wäre falsch, das Bundeskanzleramt anzuzünden: Das wäre ein Angriff gegen alle Bürger. Dass man darauf explizit hinweisen muss, soll mir als Überleitung dienen zu der reisserischen Überschrift, die ihre Wurzeln in einer weit weniger aufregenden Schlagzeile hat:

Youtube erzielt Etappensieg gegen die Gema

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung scheint der Glücksrausch der Deutschen, mittlerweile in einem Atlas zusammengefaßt, ebenso unaufhaltsam zu sein wie ihr stetig wachsender Reichtum und mittlerweile sogar die Löhne. All diese Erhebungen verleugnen zwei nicht unwesentliche Faktoren: Verteilung und Relativität, und ein Sprichwort, von dem ich sonst dankbar bin, das es ausstirbt: Auch Kleinvieh macht Mist.

Wir wissen zum Beispiel, wie dieser sagenhafte Reichtum verteilt ist, an dem wir uns erfreuen. Es tröstet einen Hartz-IV-Empfänger nicht, dass er in Kenia ein reicher Mann wäre, und das ist der Grund, warum die Kenianer beim allgemeinen Glückstaumel durchaus mit uns mithalten können.

In der direkten Umgebung von vielen reichen Deutschen mit vielen schönen Sachen fühlt sich der in Kenia so reiche Hartz-IV-Empfänger eben da, wo ihn nicht nur die reichen Deutschen ebenfalls sehen: Ganz unten. Sie wissen schon: Da, wo Hoeness und Wulff kürzlich auch waren. Nämlich aus der Sicht des so reichen Hartz-IV-Empfängers immer noch unerreichbar weit oben. Man darf davon ausgehen, dass sowohl Wulff wie auch Hoeness in diesen Jahren dennoch weit unter dem Durchschnitt von 7/10 Punkten im Glücksatlas gelegen hätten.

Was zum Henker hat das jetzt mit Youtube zu tun?

Eine berechtigte Frage. Ich muss trotzdem noch weiter auf der Relativität von Unglück herumreiten. Denn trotz all des Glücks und Reichtums hatten wir Pegida, wurde es unumgehbar, einen Mindestlohn einzuführen, vertrauen die Menschen weder der Politik noch den Medien, und ergeht sich fast sämtliche einsehbare Kommunikation im Internet in Schimpftiraden, Beleidigungen und Selbstmitleid. Das schiere Volumen an Wut, dass tagtäglich in Twitter, Facebook, Internetforen und über diverse Apps in Worte gefaßt wird, ist noch nie gemessen worden, aber vor allem, weil es längst nicht mehr zu messen ist. Es ist völlig unwesentlich, ob das 1 oder 10 oder 50 Prozent der Deutschen sind: Es sind genug. Kleinvieh macht auch Mist - dahinter verstecken sich Millionen.
Nun war der Deutsche, bewußt im herbeigesehnten Singular, noch nie dafür bekannt, ein besonders erfreulicher oder erfreuter Zeitgenosse zu sein. Wer aber bei welt.de oder vergleichbaren Publikationen schon die Krise bekommt, darf sich nicht mal in die Nähe der völlig unzensierten und unmoderierten Kommentarbereiche entsprechender US-amerikanischer Publikationen wagen. Selbst die rührige Vorstellung Obamas mit Gesangseinlage auf einem Begräbnis half nicht: 20.000 Kommentare allein bei Politico trollten und kübelten Haß in Wagenladungen aus. Die Amerikaner wären in punkto Glücksatlas durchaus vergleichbar mit uns, aber dort offenbart sich diese Extase sogar noch weniger.
Und ja, das hat immer noch nichts mit Youtube zu tun. Aber es ist bitter nötig, darauf hinzuweisen, was für ein ungeheures Potential an Unglück und Wut auch in der reichen, glücklichen, freien westlichen Welt vorhanden ist, bevor ich dann schreibe:

Urheberrechtsverletzungen machen glücklich

Ich muss überhaupt nicht das Urheberrecht und geistiges Eigentum diskutieren, sondern mir nur das Ergebnis vorstellen, wenn all diese Menschen, über die ich gerade geschrieben habe, nicht mehr in der Lage wären, kostenlos und jederzeit auf all die Inhalte zuzugreifen, um die zum Beispiel die Gema mit Zähnen und Klauen kämpft. So gerne weist die Contentindustrie darauf hin, wieviele Millionen es sind, die sich an Software, Filmen, Serien und Spielen vergreifen, und ja: Das ist falsch. Man stelle sich aber für fünf Minuten eine Welt vor, in der es der Gema und Freunden gelingen würde, diesen Zugriff in dem Ausmaß einzuschränken und abzustellen, den sie anstreben. Stellen Sie sich nur für fünf Minuten vor, was aus dem bereits so zweifelhaften deutschen Glückstaumel würde, gelänge es der Contentindustrie, uns alleine den Zugriff auf Internetpornographie zu verwehren. Sie würden nicht mehr auf die Straße gehen wollen.
Das Internet hat vielleicht nicht zu einem Informationszeitalter geführt, aber für Millionen da draussen ist es bei aller herausgekreischten Wut erfolgreicher als Alkohol und Fußball, was die Beruhigung der Massen geht. Und die Grundlage dafür ist, dass die Leute darauf unbeschränkt zugreifen können, anonym und kostenfrei. Wer ernsthaft daran rüttelt, wer ernsthaft danach strebt, diese Pille abzusetzen, sollte sich einen Bunker suchen und Vorräte einlagern. Ähnliches gilt für jene, die verzweifelt versuchen, die Anonymität im Netz zu bekämpfen und damit Millionen Irren das einzige Ventil nehmen wollen, dass ihnen noch geblieben ist. Den Autor dieses Artikels eingeschlossen.

Jetzt verstanden, was das mit Youtube zu tun hat? Dann haben Sie meine Erlaubnis, sich jetzt wieder darüber auszukotzen, was für ein entsetzliches Volk die Griechen sind und warum die Merkel in der Hölle brennen soll.

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