Gelungene Romanverfilmung

Filmkritik zu ‘Alles, was wir geben mussten’

Mit "Was vom Tage übrigblieb" wurde 1993 ein Roman des Autors Kazuo Ishiguro verfilmt, der mit dem Booker Price die wichtigste, britische Literaturauszeichnung erhalten hat. Neben vielen weiteren interessanten Werken des britischen Autors – mit japanischer Herkunft – erfolgte erst 2010 die Verfilmung eines weiteren Romans aus seiner Feder. Unter der Regie von Mark Romanek, der es zuletzt schaffte Robin Williams in "One Hour Photo" recht unheimlich zu inszenieren, entstand "Alles, was wir geben mussten", basierend auf dem gleichnamigen Roman aus dem Jahr 2005.

Die Handlung erzählt die Geschichte von Kathy (Carey Mulligan), Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley), die gemeinsam ihre Kindheit in Hailsham, einem scheinbar idyllischen, englischen Internat verbringen. Doch der Ort birgt ein dunkles und verstörendes Geheimnis, das die Zukunft der jungen Leute betrifft und worüber niemals gesprochen wird. Nachdem sie den Schutz der Schule hinter sich gelassen haben, kommen die drei Freunde dem grausamen Schicksal, das sie als Erwachsene erwartet, unaufhaltsam näher. Dabei wird ihre enge Freundschaft durch die tiefen Gefühle der Liebe, der Eifersucht und des Verrats auf eine harte Bewährungsprobe gestellt.

 

Filmkritik zu ‘Alles, was wir geben mussten’

Andrew Garfield & Carey Mulligan

Oft wird über eine literarische Vorlage gesagt, sie sei schwer zu verfilmen. Auch bei "Alles, was wir geben mussten" kann in Bezug auf den weitläufigen Handlungsstrang eine solche Aussage getroffen werden. Angefangen im Jahre 1978 mit der Kindheit der drei Hauptfiguren, über deren Teenager-Jahre auf dem Land und dann noch einmal zehn Jahre weiter – die Handlung des Romans erstreckt sich über einen so langen Zeitraum, dass es für einen Film schwer ist, diese inhaltsvolle Geschichte in gerade einmal 103 Minuten zu verpacken. Dennoch gelingt es Mark Romanek, den Facettenreichtum der Vorlage auf die Leinwand zu übertragen. Zugegeben, der erste zeitliche Sprung funktioniert dabei weitaus besser, hat man für die Kindheitsszenen noch andere Jung-Schauspieler verwendet, um das Erwachsenwerden zu den Figuren die Mulligan, Garfield und Knightley verkörpern, stärker abzugrenzen. Wenn diese sich dann aber im letzten Drittel des Filmes an „damals“ erinnern, ist diese Zeit für den Zuschauer gerade einmal zehn Minuten vergangen.

Aber diesen einen Makel macht der Film auf anderen Ebenen wieder wett. Bereits Ishiguors Vorlage wusste mit der Science-Fiction-nahen Handlung gut umzugehen. Hier findet man keine herrschsüchtigen Roboterarmeen, düstere Visionen eines weiteren Weltkrieges, Raumschiffe oder andere fantasievolle Weiterentwicklungen der Wissenschaft. Es ist nur diese eine, kleine Prämisse – der medizinische Vorstoß im Jahre 1952, der es den Menschen ermöglicht länger zu leben. Klone, die gezüchtet werden um Organe für die echten Menschen zu liefern. Doch dies ist eine Begebenheit, die nur am Rande erzählt wird. Die Suche der Klone nach ihren Originalen und die Kontrollarmbändchen, die den Aufenthalt der Klone bestimmen sind kleine, sichtbare Randerscheinungen der Science-Fiction im Film, die nie so sehr ins Auge stechen, dass sie die Grundstimmung des Filmes beeinflussen würden.

Filmkritik zu ‘Alles, was wir geben mussten’

Keira Knightley

Die Atmosphäre ist immer bedrückend und traurig. Hierzu tragen sowohl die gräulich-blassen Bilder, als auch die Musik von Rachel Portman bei. Dann ist da noch diese ständige Unzufriedenheit der Figuren. Der naiv-freundliche Tommy, beeindruckend dargestellt von "The Social Network"-Schauspieler Andrew Garfield, ist mit der Welt außerhalb seiner sicheren Blase des Internats überfordert. Gleiches gilt aber auch für Mulligans unschuldige Kathy und Knightleys eifersüchtige Ruth. Letztgenannte fühlt sich wie ein Geschöpf der Gosse, nur gezüchtet um ihren Zweck zu erfüllen. Und damit trifft sie den Kern ihres Daseins. Alle drei führen ein vorherbestimmtes Leben, bei dem sie keine Wahl haben wie es verlaufen oder enden soll. Das wirkliche Leben wird für sie immer eine Fantasie bleiben. Ruth versucht dennoch dieses wahre Leben zu leben, indem sie nachahmt, was sie im Fernsehen sieht. Durch eine sexuelle Beziehung zu Tommy versucht sie zu empfinden, nicht allein zu sein und vor allem flüchtet sie sich in ein Gerücht, das unter den Klonen umgeht. So soll es einen Aufschub der Organ-Verwertung für Klone geben, die ihre Liebe zueinander beweisen können. Ein ferner Lichtblick am traurigen Horizont, der sich im späteren Verlauf des Filmes aber ebenfalls wieder in die dystopische Grundstimmung einfügen wird.

Am Ende ist es die Bildlichkeit des Meeres, welche die Freiheit für die Figuren symbolisiert. Mehr als einmal flüchten sie sich in die weiten Szenerien des Wassers. Im starken Kontrast zum anfänglichen Internat, auch aber zu ihrem Leben in den ländlichen Hütten und den Aufenthalten in Krankenhäusern, steht das Meer für den freien Willen, für das ersehnte Leben. Am Meer findet die Liebe ihren richtigen Weg und auch Ruth blickt reumütig auf ihre Taten zurück. Am Ende bleibt "Alles, was wir geben mussten" aber eine finstere Dystopie, an deren Schluss ein verzweifelter Schrei steht.

Denis Sasse


Filmkritik zu ‘Alles, was wir geben mussten’

"Alles, was wir geben mussten"

 Originaltitel: Never Let Me Go

Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA/GB, 2010
Länge: ca. 103 Minuten
Regie: Mark Romanek
Darsteller: Carey Mulligan, Andrew Garfield, Keira Knightley, Charlotte Rampling, Sally Hawkings

"Alles, was wir geben mussten" läuft ab dem 14. April in den deutschen Kinos.


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