Eigentlich wollte ich in dieser Woche über Ulrich Janssen, den Bürgermeister der Stadt Geldern, berichten. Dieser hatte seine Untertanen über Facebook dazu aufgerufen, über die Entwürfe von sieben verschiedenen Investoren für ein großes Bauprojekt in der nordrhein-westfälischen Stadt an der holländischen Grenze abzustimmen. Der vermeintlich clevere Schachzug fiel dem CDU-Mann allerdings gehörig auf die Füße, weil er die Transparenz des Internets unterschätzt hatte und offenbar etwas zu naiv agierte. Um es kurz zu machen: Mehr als 200 mal wurde über Janssens Facebook-Konto für einen bestimmten Investor abgestimmt, und dies in mehreren Serien mit zahlreichen Klicks im Abstand weniger Sekunden. Das kam natürlich heraus, weil es in der Facebook-Abstimmung zu sehen ist. Der zwar in den sozialen Netzwerken sehr aktive, aber offenbar nicht ganz kundige 53-Jährige hatte dafür eine Erklärung, die so hanebüchen daher kam, dass sich die Hälfte der Netzgemeinde vor Lachen schüttelte, während die andere sich einmal mehr darin bestätigt sah, dass man Politikern eben nicht trauen könne. Schwamm drüber, das müssen die Bürger in Geldern mit ihrem Rathaus-Chef klären. Man sieht sich ja regelmäßig…
Der “Klodeckel” geht daher auch nicht nach Nordrhein-Westfalen, sondern nach Sachsen, und zwar an Leipzigs SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung. Dieser hat die für Montag geplante LEGIDA-Demonstration verboten – offiziell, weil man nicht über genügend Polizisten verfüge, um den Streckenverlauf abzusichern, was das sächsische Innenministerium allerdings bereits dementiert hat. Erst kürzlich war in Dresden eine PEGIDA-Demonstration wegen vermeintlicher Terrorgefahr untersagt worden. Das neuerliche Verbot hat nicht nur deshalb einen unschönen Beigeschmack, sondern auch, weil der SPD-Mann fünf linke Gegendemonstrationen erlaubt hat. Dies lässt nur einen Schluss zu: Offenkundig geht von den unentwegt verunglimpften LEGIDA-Teilnehmern keine Gefahr für Leib und Leben der Linken aus, während sich Leipzig umgekehrt außerstande sieht, die Protest-Spaziergänger vor dem linken Mob zu schützen. Doch natürlich geht es hier nicht um Fragen der Sicherheit. In Leipzig benutzt offenbar ein Oberbürgermeister sein Amt, um das eigene Weltbild durchzusetzen. Er verstößt damit eindeutig gegen seine Neutralitätspflicht. Wenn inzwischen die Politik entscheidet, wer demonstrieren darf und wer nicht, sind wir schnell wieder dort, wo wir in unserer jüngeren Geschichte schon einmal waren.
Es ist verstörend, dass die Gesinnungspolizisten dieses Landes inzwischen eine Macht erlangt haben, die es ihnen ermöglicht, Teile des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen. So sehr haben wir unsere Angst vor dem Wiedererstarken rechter Strömungen kultiviert, dass wir nicht nur den linken Radikalismus als selbstverständlichen Teil unserer Nachkriegskultur akzeptieren, sondern jeder Regung einen Riegel vorschieben wollen, die unter dem Verdacht steht, vom Mainstream links-grüner Weltanschauung abzuweichen. Das scheinheilige Verbot der Leipziger Demonstration fügt der Demokratie erheblichen Schaden zu. Zum einen, weil inzwischen klar ist, dass die Begründung einer Prüfung nicht standhält, zum anderen – und das wiegt schwerer – weil die vielen Millionen Menschen der bürgerlichen Mitte spüren, dass sie von weiten Teilen der Politik gegängelt, gebrandmarkt und ausgegrenzt werden. Man kann und muss sich kritisch mit den Organisatoren der LEGIDA-Bewegung auseinandersetzen. Doch während die Antifa hierzulande Narrenfreiheit genießt, nährt Leipzigs Oberbürgermeister die Wut derer, die gegen staatliche Bevormundung, mediale Unaufrichtigkeit und politische Doppelmoral auf die Straße gehen. Ein trauriger Akt politischer Willkür, der die Hilflosigkeit der politischen Klasse offenbart.
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