Gelesen – Sabine Kray: Diamanten Eddie

Von Wortgalerie

Sabine Kray ist die Enkelin des brühmt-berüchtigen Diamanten Eddie – als sie zu Hause auf die teuren Pelze in den Schränken und gleichzeitig auf das Schweigen ihrer Familie stößt, beginnt sie nachzuforschen. Am Ende ihrer umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit Zeitzeugen steht dieser 700-seitige Roman über das Leben ihres Großvaters Edward. Eine Geschichte, die das Schicksal der Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkriegs aufarbeitet und eine Nachkriegsgeneration porträtiert, die von der Gelegenheit lebte.

Im Interview mit der Welt spricht Sabine Kray von zwei Eddies: dem Zwangsarbeiter und dem Gangster. Diese beiden Seiten ihres Großvaters werden kapitelweise gegenübergestellt, der Roman erzählt abwechselnd vom 15-jährigen Edward im Gefangenenlager und dem 50-jährigen Eddie in Mönchengladbach. Über all dem steht die Frage, wie aus diesem Jungen der Juwelen- und Pelzhändler geworden ist, der in Europa unterwegs war, in dessen Leben es viele Frauen gab und in dem er so einige krumme Dinge drehte.

Edward wächst in Südpolen auf und verliert durch den Fliegerangriff im Jahr 1939 nahezu seine gesamte Familie.

Die Angst war überall. Sie drang durch die feinen Löcher des Radios ins Haus, schlich durch die Räume, und sie schlief in ihren Betten. Doch niemand sprach darüber, wie es weitergehn würde, wenn die deutschen Truppen Zamość erreichten.

Er wird gefangen genommen und in ein Arbeitslager nach Sachsen-Anhalt gebracht. Die unmenschlichen Transportbedingungen und der Umgangston in den Lagern werden sehr eindrücklich geschildert. „Nie würde er begreifen, was er diesen Menschen getan hatte. Sie hatten ihn hergeholt und hassten ihn doch so“.

Mit dem Ende des Krieges gelingt Edward der Sprung in die Freiheit. In der Zeit des Umbruchs handelt er zunächst mit Pelzen und steigt dann ins Juwelengeschäft ein. Die Erfolge feiert er in den Kneipen: schales Bier, Kassler mit Kartoffelstampf, Dialekte und Stammtisch-Gespräche geben die Stimmung dieser Zeit sehr gut wieder. Über die Vergangenheit, die noch immer schwer auf ihm lastet, wissen die wenigsten. Zu sehr haftet sein Ruf an ihm, dem er selbst immer weniger zu entsprechen scheint.

Fazit

Diamanten Eddie ist sowohl ein Charakter- als auch ein zeitgeschichtliches Porträt der (Nach-)Kriegsjahre. Ein Roman, dem es gelingt, im Ton und in der Sprache die Faszination des Diamanten Eddie darzustellen und in gleicher Weise seine schwachen Seiten und seine Vergangenheit. Dazwischen geht es immer wieder um die Hoffnungen und Träume, die der Krieg genommen oder hervorgebracht hat:

„Und was machen wir dann, wenn wir in Holland sind?“, rief Edward und blinzelte in das helle Sonnenlicht. „Wir warten“, antwortete Juliana und lachte, „wir warten, bis dieser unsägliche Krieg vorbei ist. Und dann werden wir wieder glückliche Menschen.“

Dabei geht Sabine Kray weder moralisierend vor, noch schonend mit ihrem Großvater um, was bei der Nähe zu ihrer Familiengeschichte sicherlich nicht immer leicht war. Diamanten Eddie ist ein facettenreicher Roman, der zurecht als ein literarisches Denkmal für ihren Großvater bezeichnet wird.