Gelesen – Nora Gantenbrink: Verficktes Herz & andere Geschichten

Von Wortgalerie

Es ist ein Titel, der ins Auge sticht, noch dazu mit neonfarbenem Buchcover. Und gleichzeitig macht er den Lesern nichts vor: Der Umgangston in Gantenbrinks Kurzgeschichten ist direkt, aber gar nicht so emotional aufgeladen wie es scheint. Die Erzählerinnen der 14 Geschichten bewegen sich zwischen Aufschrei, Lethargie und Gelassenheit – schließlich geht es um Liebe und den Kummer, den sie uns allen bereitet.

Menschen bleiben nicht, wenn sie gehen wollen (S. 16).

Wer liebt und geliebt hat, kennt die Trauer und den Schmerz, den Gantenbrink beschreibt. Leicht findet man sich in solchen Sätzen wieder:

Mittlerweile gibt es schlechte und schlechtere Tage. An den schlechteren Tagen entdecke ich noch eine Zahnbürste in meinem Bad, die mal jemand anderem gehört hat. An den schlechten gehe ich ohne Weißwein ins Bett (S. 17).

Es sind die bekannten Themen, die hier sprachlich variiert werden: Verlassen werden, Sex, Großstadt, Partys, Klassentreffen, Silvester, Drogen. Was ich anfangs noch ernst nahm, wurde immer oberflächlicher und klischeehafter. Die meisten Figuren studieren, arbeiten an der Uni oder bei Zeitungen, wie eine 40-jährige Sekretärin, die sich im Online-Dating versucht.

Jede Geschichte hat etwas Markantes, ein Detail, das sich im Nachhinein zuordnen lässt und sie von den anderen unterscheidet. Sie unterhalten, driften ins Satirische und Ironische ab, bleiben ohne Tiefe. Aber es gibt sie, eine der wenigen Stellen, an denen unter der Oberfläche geschürft wird:

Das Leben gaukelt uns vor, wir könnten uns ständig neu erfinden, alles erreichen, uns verwandeln, mehr sein, anders sein. Aber all diese Illusionen existieren nur, damit wir uns nicht hängen lassen. Letztendlich bleiben wir immer das, was wir sind. Das Einzige, was wir verändern können, ist unsere Perspektive (S. 66).

Die Antworten, die Gantenbrink mit Verficktes Herz gibt, sind uns allen bekannt: Ein gebrochenes Herz braucht Zeit. Manchmal braucht es auch eine neue Liebe, um zu vergessen. Es ist ein Kreislauf und doch alles so vergänglich. Wenn man glücklich ist, ist es ein anderer nicht, zumindest derjenige nicht, der kürzlich wegen eines (vermeintlich) neuen Glücks verlassen wurde.

Die Lösung des Problems ist also: Das Warten muss gut sein, verdammt gut. Im Warten braucht es Yoga, braucht es Rausch, braucht es gute Geschichten und noch bessere Kurzgeschichten (S. 11).

Ihre Geschichten heilen zwar keinen Liebeskummer, aber sie lenken zumindest ab, weil Gantenbrink so direkt schreibt, distanziert und mit einer Draufsicht auf die Dinge, ohne viele sprachliche Bilder oder die ganz großen Emotionen.

Fazit

Verficktes Herz vereint 14 Kurzgeschichten von unterschiedlicher Qualität, die sich zwischen Ernst, Nichtigkeit und Witz bewegen. Lesern mit Liebeskummer tun sie nicht weh, weil sie an der Oberfläche bleiben. Genau deshalb wirken die Themen und Geschichten nicht immer authentisch – in diesem gelassenen Stil lässt sich eben nicht jede beliebige Geschichte erzählen. Der schmale Band ist kurzweilig und ein guter Begleiter für zwischendurch, für Zugfahrten oder kurz vor dem Schlafen gehen.

Vielen Dank an den rowohlt Verlag für das Rezensionsexemplar.