Ganz CobyCounty wartet auf den Frühling: Auf den Sonnenschein und die Touristen, die jedes Jahr anreisen. Wim Endersson ist der Ich-Erzähler des Romans und in CobyCounty aufgewachsen, einer fiktiven Stadt, in der Kreative und Freiberufler leben. Überhaupt ist das Leben dort leicht, sorglos und perfekt. Wim führt ein routiniertes Leben als Literaturagent, trifft sich mehrmals pro Woche mit seiner Freundin Carla oder unternimmt etwas mit seinem besten Freund Wesley.
Eine Veränderung deutet sich an, als Wesley eine „innere Gefahr“ für CobyCounty prophezeit und die Stadt verlässt:
Doch seit Wesley verschwunden ist, hat das Leben Abruptes und Plötzliches bekommen, und das war bislang sehr bedrückend (S. 134).
Daraufhin erscheint Wims Leben zunehmend surrealer: Vom Absturz der Hochseilbahn, Untergrundparties bis zu (Namens-)Doppelgängerinnen…
Wims Erzählstimme ist sehr stilsicher und die Beschreibungen nüchtern – ohne viele Vergleiche oder komplexe Bilder erzeugen sie eine besondere Atmosphäre:
Der Rasen wurde scheinbar lange nicht gemäht, unsere Schuhe verschwinden darin (S. 77).
An diesem dritten März ist es jedoch bedeckt und auf den Straßen steht eine schwere, feuchte Luft, in der man ständig glaubt, unangemessen gekleidet zu sein. Ich gieße mir selbst etwas Wein ins Glas und drehe die Musik lauter (S. 85).
Bis zum Schluss ist Wim mehr Beobachter als Akteur und wenn er seinen Gedanken folgt, erinnert dies stellenweise an Christian Krachts Faserland:
Gut möglich, dass selbst die Kekse in der nussbraunen Holzschale eine bewusste Entscheidung sind. Überhaupt ist sehr vieles möglich und überhaupt bin ich noch relativ jung. Aber das sind Gedanken, die sich immer einstellen, wenn ich anfange betrunken zu sein. Vorübergehend kommt mir die Welt dann komplex und magisch vor (S. 78).
Fazit
Der Roman zeichnet ein Gefühl, das ich in Konturen zwar erkennen kann, doch unterhalb der Oberfläche nicht zu fassen kriegen. Als wäre etwas dabei, zu entgleiten, doch ich bin mir am Ende des Romans nicht sicher, ob es tatsächlich entglitten ist, oder erst noch bevorsteht.
Dass der Roman solch einen Schwebezustand erreicht, zeigt, wie gut er inhaltlich und handwerklich umgesetzt ist und mit der Lesererwartung spielt – dennoch habe ich mich während des Lesens in den scheinbaren Belanglosigkeiten und Wims Teilnahmslosigkeit verloren, sodass mich das Ende unzufrieden zurückgelassen hat.
[Heute Abend besuche ich Leif Randts Lesung in Gießen und bin gespannt, ob sich für mich dadurch neue Blickwinkel auf den Roman ergeben. Ich werde auf jeden Fall einen kurzen Bericht über die Lesung bloggen.]