Wolkenfern erschien im Herbst 2013 und ist die Fortsetzung des gefeierten Debütromans Sandberg (2011). Erneut geht es um die junge Protagonistin Dominika, die sich diesmal auf die Suche nach ihrem eigenen Wolkenfern begibt.
Joanna Bators neuer Roman erzählt von suchenden und von reisenden Frauen, von Familien und von Polinnen fernab ihrer Heimat – Lebensgeschichten, die ineinanderfließen und voneinander weg und durch ein Relikt aus der Vergangenheit miteinander verbunden sind: dem Nachttopf Napoleons.
Eine der vielen Frauen, die im Zentrum stehen, ist Dominika. Nach einem Unfall liegt sie im Koma, und als sie erwacht, dreht sie ihrer Heimat Polen den Rücken und zieht in die Ferne: Von Deutschland nach Amerika, England und Griechenland. An jeder ihrer Stationen begegnen dem Leser weitere Frauen, die ihre Geschichte zu erzählen haben und deren Vergangenheit ausgebreitet wird. Zwischen den Zeit- und Ortswechseln setzt sich die Handlung von Wolkenfern zu einem 500-seitigen-Panorama an Lebensentwürfen, Fremdheitserfahrungen und Träumen zusammen.
Grażynka sieht von hier aus ihr Leben, und das ist der einzige Ort, wo Vergangenheit für sie eine Bedeutung hat, und auch jetzt ist sie keine Reihe aufeinanderfolgender Ereignisse, sondern ein Kaleidoskop, in dem sich bei jedem Blick hinein ein anderes Muster zeigt.
Joanna Bator überzeugt mit einer starken Erzählerstimme, die den Leser durch den Fluss des Lebens der Protagonistinnen führt – mal schnell, gerafft, mal langsam driftend die Landschaft betrachtend.
Das Sonnenlicht tanzt um die ins Meer eingetauchten Frauen, die Spiegelbilder der Wolken im Wasser tanzen, die Wellen tragen das Lachen der Frauen davon, und von weitem könnte man denken, sie seien Sirenen […], denn sie […] lockten nur mit ihren Geschichten und verwirrten die Sinne und zeigten damit, dass man nichts braucht als das Meer, eine Wolke, die Weite, und schon geht es, schon fließt es.
Doch der Leser treibt nicht immer ruhig durch die Fahrwasser, manchmal schwankt er, weil das Boot überladen ist an Figuren, Details und Sprachbildern, sich verästelt und viele Nebenflüsse ansteuert.
Fazit
Nach der Lektüre von Wolkenfern fühlt man sich wie nach einer langen Reise: ein wenig müde, froh wieder angekommen zu sein und mit Kleinigkeiten im Gepäck, die einen an Episoden zurückdenken lassen.
Bruchstückhaft fügen sich die Lebensgeschichten der Protagonistinnen zu einem Porträt unterschiedlicher Generationen zusammen. Sprachbilder und Formulierungen wiederholen sich und setzen die Geschichten der Frauen damit in Beziehung zueinander – was den Roman besonders kunstvoll macht und gleichzeitig unausgewogen erscheinen lässt, da er formal und stilistisch deutlich ansprechender ist als inhaltlich.