Geigenspieler und Seifenblasenmann

Von Walter

Der Tag begann neblig. Dann setzte sich mehr und mehr die Sonne durch. Es wurde ein strahlender und warmer Frühlingstag. Als ich am frühen Nachmittag in die Stadt kam, fiel mir ihre hektische Oberflächlichkeit auf. Die Geschäftigkeit in ihren Strassen erschien mir als Lüge, als vergeblicher Versuch, die Verunsicherung unserer Gegenwart zu übertünchen. Auch ich lasse mich belügen, laufe irgendwelchen Dingen hinterher, die mich kurzzeitig befriedigen, kaufe hier etwas, das ich scheinbar brauche, tausche da meine Sehnsucht nach einem erfüllten Leben gegen ein Buch ein, das diese Erfüllung verspricht.

Dann beim Basler Münster vor der Galluspforte ein Geigenspieler. Innig und mit musikalischer Tiefe spielt er eine Partita von Bach. Zweifellos ein Berufsmusiker, ein Geigenvirtuose, aber ohne Schlips und Kragen. Vielmehr im bunten Wollpullover und mit langem, dünnen Haar. Gross und hager steht er da, leicht gekrümmt und verschmolzen mit seinem Instrument. In diesem Augenblick verkörpert er reine Musikalität, vorgetragen ohne jegliche Allüren. Die Musik dringt direkt in mein Herz. Die Touristen stören nur wenig.

Und schon ist sie da, die Erfüllung. An diesem Frühlingsnachmittag in der Stadt erlebe ich einen langen Augenblick der Poesie. Unweit des Musikers hält ein älterer Mann mit wildem Haar und weissem Vollbart seine Seifenblasen feil. Die Kinder tanzen um ihn, jagen den schillernden Kugeln nach, um sie zum Platzen zu bringen. Einzelne dieser Luftschiffe überleben den Tanz, schmiegen sich in den warmen Wind, nur um einen Augenblick später zu vergehen. Mein Tag ist gerettet.


Bild: Bubble – Seifenblase von Dörk_Hö , CC-Lizenz via flickr