Geigen der Hoffnung: Musikunterricht öffnet Roma-Kindern eine neue Welt

Von Robert B. Fishman @RobertB_Fishman

Plovdiv (Plowdiw) / Sliwen, Bulgarien. Zehn bis zwölf Millionen Roma leben in der Europäischen Union – die meisten von ihnen in Armut ausgegrenzt in erbärmlichen Siedlungen auf dem Balkan. Wer kann, versucht sich in der Hoffnung auf Arbeit und Einkommen nach Westeuropa durchzuschlagen. Die, die zu Hause bleiben, finden kaum Arbeit.

Im Mittelalter kamen die Roma (Rom = Mensch) vermutlich aus Indien nach Südosteuropa, wo viele von ihnen blieben. Als Nomaden zogen sie mit Wagen durch die Landschaft und lebten vor allem von Handwerksarbeiten und Kleinhandel, die schon lange niemanden mehr ernähren.

Millionen Roma leben mitten in Europa in Elend und Armut – Warum?

Roma-Viertel Stolipinowo in Plowdiw, 25.10.2018, Foto: Robert B. Fishman

Heute leben schätzungsweise zwölf Millionen Roma in der Europäischen Union, die meisten von ihnen auf dem Balkan. Trotz millionenschwerer Programme der Europäischen Union kommt die Integration von Europas größter Minderheit kaum voran. Wer mit Roma spricht, erhält ein differenzierteres Bild: Ihre angeblich mit europäischen Sitten und Werten unvereinbare „Kultur“ ist vor allem in Osteuropa ein Teufelskreis aus Armut und fehlender Bildung. Viele Kinder brechen die Schule vorzeitig ab. Die meisten Mädchen werden früh verheiratet, oft schon mit zwölf oder 13. So vererbt sich das Elend auf die nächste Generation.

Einer Studie von 2016 zufolge leben in Bulgarien 86 Prozent der so genannten Zigeuner unter der Armutsgrenze, 30 Prozent in absoluter Armut. Die Lebenserwartung der Roma liegt um zehn Jahre unter dem Landesdurchschnitt.

Projekt “Musik statt Strasse” in Plowdiw: Roma-Kinder lernen Geige und klassiche Musik, 25.10.2018, Foto: Robert B. Fishman

Klassische Musik öffnet Türen in eine bessere Welt

Mit seinem Projekt „Musik statt Straße“ öffnen der in Deutschland lebende Stargeiger Georgi Kalaidiyev und seine ehrenamtlichen Mitstreiter bulgarischen Romakindern das Tor in eine andere Welt. Die Musik gibt den jungen Leuten das Gefühl, etwas zu erreichen und andere positiv beeindrucken zu können. Nur starke, selbstbewusste Kinder haben eine Chance, aus dem Kreislauf von schlechter Bildung, Benachteiligung und extrem autoritären, oft bildungsfeindlichen Familien auszubrechen. Immerhin haben von 30 Teilnehmer/innen des Programms sechs den Sprung auf eines der anspruchsvollen bulgarischen Musikgymnasien geschafft. Auch dieses Projekt findet sich auf betterplace.org unter dem Stichwort „Beats und Beethoven“.

Meine Radioreportage zum Nachhören:

https://ecomedia.info/wp-content/uploads/2019/02/MusikstattStrasse_SR.mp3

Mehr aus Plowdiw, Europäische Kulturhauptstadt 2019 auf meinem Reiseblog soscheescho.de