Geht man so mit Lesern um?

Geht man so mit Lesern um? Die »Bild« mokiert sich nun unentwegt und schreibt von der »Nazi-Schande«, die dieses Land erschüttert. Sie nennt die Teilnehmer von Aufmärschen »Idioten« und verteidigt die Kanzlerin ihnen gegenüber. Nanana! Wer wird denn seine Leser so rüde beleidigen wollen? Geht man so mit den Leuten um, die die Arbeitsplätze in der eigenen Redaktion sichern? Die Hand beißen, die einen füttert? Wie bescheuert muss man eigentlich sein, sich sein Publikum so zu verprellen? Man muss dieser Zeitung wohl geschäftsschädigendes Verhalten in eigener Sache nachsagen. So geht die Verkaufskurve, die schon lange nach unten weist, nicht wieder hoch. Man muss seine Leser bei Laune halten.

Jahrelang hat man die Sinne der Leserschaft geschärft. Asyl war nach »Bild« nichts weiter, als eine Einladung für Kriminelle und Betrüger, ein voller Trog für Menschen, die aus dem Dunkeln des Auslands ins Licht Deutschlands kommen. Asyl war nicht einfach Asyl. Es war Asyl-Betrug oder Asyl-Schmarotzer. Man berichtete von »Vorfällen«. Und eigentlich nur von Vorfällen. Man erboste sich zum Beispiel, weil Asylbewerber sich Mobiltelefone kauften, um Kontakt zur Heimat, zur Mutter, zum alten Leben zu halten. Von Menschen in Angst, ohne Heimat, verfolgt und alleine in der Fremde, berichtete man eher nicht. Denn dann hätte man von Asyl reden müssen. Aber Asyl alleine und ohne Zusatz nach einem Bindestrich war im Agenda Setting nicht vorgesehen. Man schrieb lieber von den Roma, im Osten Europas ausgegrenzt und verfolgt, wie von einer Seuche. Wortwahl wie aus dem Reichspropagandaministerium teilweise. Man erteilte Menschen eine Stimme, die nochmal betonen wollten, dass Roma eigentlich eine Plage seien.
So lief das. Tagein. Tagaus. Das war das Programm: Deutschland wird abgezockt von Ausländerschwärmen. Von gierigem und faulem Gesindel. Und Einzelfälle sollten exemplarisch für alle sein. Pars pro toto halt. Man musste glauben, dass es auf der Welt keine Kriegs- und Krisenherde gibt, keine Not und kein Elend, keine Verfolgung und Mordlust. Denn wenn alle nur wegen der Kohle kommen, dann kommt ja keiner weil er Schutz sucht. So hat man das natürlich nie geschrieben. Nie behauptet. Man schreibt bei der »Bild« Zeilen, damit man zwischen den Zeilen schreiben kann. Die Leser kapierten es sofort. Und nun gehen sie nicht mehr einfach pegidasieren und mit Plakaten, jetzt wüten sie und drohen und beklatschen Übergriffe. Und was macht der Spiritus rector? Nennt die, die ihn täglich mit 80 Cent über Wasser halten, plötzlich Idioten und spricht von Schande.

Man sagte ja gemeinhin, dass die »Bild« nicht glaubwürdig sei. Aber das stimmt nicht. Sie war es immer. Man konnte ihr durchaus glauben, dass sie das Asylgesetz nicht leiden mochte. Eine Freude am Aufhetzen hatte. Das unterhielt die Öffentlichkeit und ließ wichtige gesellschaftliche Debatten unter den Tisch fallen. Und nun lässt sie ihre eigenen Leser im Stich. Erst jetzt leidet die Glaubwürdigkeit des Blattes. Nie kann man es diesem Blatt rechts machen. Wenn aber in Heidenau und in anderen Dummsdörfern die »Bild« aus Kiosken verschwindet, weil sie die eigenen Leser so beleidigt hat, dann wird man sicher wieder hetzen wie eh und je. Empörende Geschichten liefern. Sich wieder anbiedern bei dem Pack, das den Angestellen bei diesem Printmedium ein Ein- und Auskommen sichert.
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