Gehört_272

Gehört_272

Gavin Friday “Catholic” (Rubyworks)
Ein wenig erinnert einen das alles an ein ähnliches Spektakel aus dem Jahr 2009: In diesem Jahr veröffentlichten die Manic Street Preachers ihre Platte „Journal For Plague Lovers“, doch statt die mehr als durchschnittliche Qualität des präsentierten Materials zu kritisieren, zerriss sich die Musikpresse das Maul über das ach so schockierende Covermotiv der Malerin Jenny Saville. Das malträtierte Kindergesicht war großen Handelsketten in den USA immerhin fast den Boykott des Albums wert, schließlich einigte man sich auf einen hübschen Pappschuber, die Sache war geklärt, die Manics blieben im Gespräch in ihrer Lieblingsrolle als Salonprovokateure, die Musik als Nebenschauplatz interessierte kaum noch. Much ado about nothing – Meister Shakespeare ließ grüßen.
Fast scheint sich nun die Geschichte zu wiederholen, auch wenn die Gemengelage bei genauerer Betrachtung eine andere ist. Denn Gavin Friday, irischer Ex-Frontmann der Virgin Prunes, lässt sich für das Cover seines neuen Soloalbums von Fotokünstler Perry Ogden ikonografisch und detailgetreu als Kopie eines Ölschinkens in Szene setzen, auf dem das aufgebarte Idol des irischen Befreiungskampfes, Michael Collins, zu sehen ist. Natürlich inklusive Holzkreuz und grün-weiß-oranger Trikolore, die Kragenaufschläge werden flugs mit dem Plattentitel „catholic“ bestickt – fertig ist die Irritation.
Dass aber auf die visuelle Aufregung keine akustische folgt, ist die eigentliche Überraschung dieses Albums. Keine straßenkämpferischen Attitüden, keinerlei Politsong, nicht einmal der Anflug einer bonoesken Umarmungsgeste für sein zerrissenes Heimatland. Stattdessen über die komplette Länge fast verstörend intime und selbstreflektierende Songs, musikalisch angelehnt an die Alterswerke der Kollegen Bowie, Cale und Ferry. Der Großteil der Stücke gerät dabei ein wenig theatralisch – das klappt mal gut wie beim berührenden „A Song That Hurts“ oder der hintersinnigen Pianoballade „Blame“ („I love you and that says a lot“), kann aber auch kräftig nach hinten losgehen, wenn die Texte allzu sehr nach bräsiger, altmännerhafter Erbauungslyrik klingen wie in „It’s All Ahead Of You“ – Gemeinplatz rules: „The best is yet to come, it’s all ahead of you, if you want it, it’s all behind you, if you let it go, will you let me know, etc.“
Dass man ihm dies nach dem beschwingten Beginn mit „Able“ vielleicht übel nehmen könnte, muss Friday geahnt haben, für „Perfume“ wird’s deshalb noch mal etwas lebendiger im Trauerhaus, ein paar Drums, Gitarren dazu, schon wirkt er wieder frischer – der alte Mann ist also nicht nur hoffnungsloser Romantiker, er kann auch noch rocken. Für „Where’d Ya Go? Gone“ wird abermals draufgesattelt, lauter, aggressiver, ein letzter Totentanz, bevor es mit „Lord I’m Coming“ selbstredend und endgültig voller Pathos gen Himmel geht. Es wird sich wohl ein Plätzchen finden lassen da droben.
http://gavinfriday.com/

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