Wie konnte ich diesen Geheimtipp so lange ungetestet lassen? Das Potlatsch lag doch direkt vor meiner Haustür! Diese Frage muss ich mir tatsächlich stellen, ja gar vorwerfen lassen. Diverse Male hatten mir Freunde ans Herz gelegt, die Taverne mit dem ungewöhnlichen Namen doch mal zu testen. (Potlatsch ist ein indianisches Sprichwort und bedeutet so viel wie “mehr geben als nehmen”). Wie kann ein Grieche schon außergwöhnlich gut sein? Lammkoteletts, Souvlaki und Bifteki mit Pommes und Tomatenreis habe ich dutzendfach gegessen. Immer ganz lecker, aber irgendwie austauschbar. Dass Griechisch aber auch anders kann, beweist dieses kleine, unscheinbare Lokal im Münchner Westen, das von außen aussieht wie eine Kegelbahn und klingt wie ein ungarischer Gemüseeintopf. “Der beste Grieche Münchens” ist mein ganz subjektives Urteil. Ich gebe zu, ich habe noch nicht alle Münchner Griechen getestet.
Es begann schon bei der Tischreservierung. Die Dame, die am anderen Ende der Leitung meinen Namen notierte, weckte Sympathie allein durch die drei Sätze, die wir wechselten. Sie hieß uns auch bei unserer Ankunft willkommen und führte uns direkt in den kleinen Biergarten, der sich hinter dem gelben Haus versteckt. Ein Idyll, direkt an der Agnes-Bernauer-Straße. Ruhig und grün.
Im Potlatsch erschlägt man die Gäste nicht mit einem 40seitigen Speisekarte-Wälzer. Dieser Grieche schafft es, mit zwei Seiten zu begeistern. Einige wenige Klassiker finden sich wieder, doch nicht einmal die klingen wie die tausendmal gegessenen Einheitsgriechen-Gerichte. Lamm kommt als geschmorte Lammschulter, Paputsaki – eine überbackene Aubergine – hatte ich vorher noch nirgends gesehen. Ein Großteil der angebotenen Posten klangen herrlich unvertraut. Man könnte an dieser Stelle natürlich überkritisch fragen, wie griechisch eigentlich Spaghetti mit Flusskrebsen sind. Wer es probiert hat, wird sich die aber Frage getrost verkneifen und sich über das Geschmackserlebnis freuen. Original griechisch hin oder her.
Das Genuss-Erlebnis begann schon bei der Vorspeisenplatte, die wir ohne ouzobetäubten Mund zu uns nehmen durften. Ein Danke zunächst dafür. Ouzo kann man natürlich bestellen, ein inflationärer Ausschank findet im Potlatsch jedoch nicht statt. Die griechischen Meze sollte man unbedingt bestellen: Tolles Gemüse, knuspriges Gebäck mit cremiger Füllung, Austernpilze, Tintenfischsalat, eine rauchige Tomatencreme. Keine gefüllten Weinblätter, keine Oliven. Angenehm anders.
Das teuerste Gericht im Potlatsch kostet 12,50 Euro. Das ist ein Hammer. Eine Fischplatte vom Grill, mit teurem Schwertfisch zu diesem Preis habe ich ehrlich gesagt noch nirgends gesehen. Wir bestellten sie gleich doppelt und sie hinterließ glückliche Gesichter. “Perfekt gebraten” – so das Urteil der geschulten Zungen. Die Karte hat in preislicher Hinsicht weitere Knaller zu bieten: Zum Beispiel das Lachsfilet im Fladenbrot für 5 (f-ü-n-f) Euro. Die Neugierde, was zu so einem Preis aufgetischt werden würde, bewegte ebenfalls gleich zwei Mitesser dazu, den Lachs zu bestellen. Der Kellner servierte kurze Zeit später zwei krosse Fladenbrote, prall gefüllt mit Salat, Sauce und einem zarten Lachsfilet (siehe Bild unten). Nochmal zum mitschreiben: 5 Euro!
Ja, die Preise sind unglaublich – doch das ist es nicht, was das Potlatsch so außergewöhnlich macht. Auch für 3 Euro mehr pro Gericht wären wir hier glücklich geworden. Was wir bestellten, schmeckte durch die Bank großartig. Das war keine Nobel-Küche, sondern gut gemeinte und gut gemachte, herzliche und kreative Griechen-Küche. Auch wenn hinter der kleinen Taverne kein griechischer Familienbetrieb steckt, wie wir ursprünglich vermutet hatten. Mit Freude packte man uns die Reste der riesigen Portionen zum Mitnehmen ein, denn es wäre eine Schande gewesen, sie nicht ganz aufzuessen.
Reichlich unerwartet kam der heftigste Paukenschlag dann jedoch erst mit dem Nachtisch. Wiederum überraschten die günstigen Preise, doch was uns dann serviert wurde, übertraf alle Erwartungen. Und die waren nach dem hervorragenden Hauptgang bereits hoch. Ein Orangen-Tiramisu gigantischen Ausmaßes, 10 auf 10 Zentimeter groß, mit einem tollen Biscuit und einer sanft-orangigen Creme. Ein Galaktobureko, nach dem ich mir heute noch die Finger lecke. Ein Schokokuchen mit traumhaft feuchtem Kern. Außerdem: griechischer Joghurt zum Niederknien und eine riesige Crème Bruleé. Wir hatten uns die Bäuche bereits vollgeschlagen und mir ist bis jetzt schleierhaft, wie dieser Nachtisch noch seinen Platz fand. Tatsächlich nahmen wir auch zwei große Stücke Tiramisu mit nach Hause und dachten an den folgenden Tagen beim Resteverzehren mit Glücksgefühlen an jenen tollen Abend im Potlatsch zurück.
Agnes-Bernauer-Straße 98,80687 München
Öffnungszeiten: Mo. bis Sa. 17-1.30, So. und feiertags 12-1.30 Uhr
Tel. 089/ 58 97 81 91