Er war groß, blond und unzufrieden bei den Rechtspopulisten ausgetreten: Der Mörder von Norwegen kam nicht aus dem "Nichts", sondern aus der Landwirtschaft. Die beeilt sich nun zu versichern, dass Anders Breivik etwas falsch verstanden haben muss.
Als sich über die Medien die Nachricht über das grauenhafte Massaker auf der norwegischen Insel Utøya verbreitete, war gar nicht so schnell klar, dass der Täter nicht aus dem islamistischen Al-Kaida-Lager kam. Obwohl der Mann seit Jahren publizistische Spuren in etlichen einschlägigen Blogs und auf Web-Angeboten hinterlassen hatte, brauchten "Spiegel" und Co. Stunden, ehe sie Beiträge mit den üblichen Spekulationen um islamistische Täter fein säuberlich wieder löschten.
Aber auch andere wollen nichts mehr mit dem Biobauern und ehemaligen Handelsschüler Anders Breivik zu tun haben. Man distanzierte sich - nicht in der Sache, wohlgemerkt, aber in Bezug auf die Wahl der Methoden.
Anders Behring Breivik, so die Botschaft, war wohl Firmengründer und Biobauer, hatte da aber etwas falsch verstanden. Bomben und Massenmord, so die Argumentation, gehörten nicht zum Instrumentarium, das man nutzen wolle, um die westliche Welt zu gesunder Ernährung und zum wahren Glauben zu erziehen. Eigentlich sei die Glaubenslehre Jesu streng friedlich, alles andere sei ein falsch verstandenes Christentum, heißt es in Christen-Kreisen. Christen mordeten per definitionem keine Kinder, "schon gar nicht Kinder von Christen", täten sie es doch, seien sie keine richtigen Christen.
Das deutsche Polit-Blog "Spiegel.de", vom Verfassungsschutz als nicht rechtsradikal eingestuft, weil es pro-amerikanisch und pro-israelisch sei, berichtete über die Anschläge unter der Schlagzeile "Weltbild der Verschwörung". Der Attentäter sei "Narziss und Goldjunge" gewesen, in einer bürgerlichen Gegend aufgewachsen, er habe gute Schulen besucht und sei "leicht durchs Leben" geglitten. Klingt nach Unglück, Naturkatastrophe, Unfall - wenn so einer durchdreht, kann gemeinhin keiner was dafür, und im konkreten Fall sowieso nur der Täter selbst.
Dabei war es der "Spiegel" gewesen, der vor Jahresfrist die "kruden Thesen" des Berliner Provokateurs Thilo Sarrazin vorab veröffentlich hatte und damit nach Überzeugung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel den Boden bereitete für die Gewalttat des Norwegers. Das Massaker wird so zur Katastrophe für das ehemalige Sturmgeschütz der Demokratie, weil die Verwechslungsgefahr so groß ist: Wo immer sich Breivik in der Szene schriftlich äußerte in den letzten Jahren, fiel er nicht als Fremdkörper auf. Was er schrieb, war auch im politischen Feuilleton Thema und wenn nicht, so wissen Beobachter, waren es "großenteils Dinge, die auch in diesem Forum stehen könnten."
Wenn er nicht geschrieben hat, so hätte er doch können. So fürchterlich sieht es aus.
Es ist eine seltsame Szene, die ihren Ausdruck in solchen Blogs findet und in der sich Breivik bewegte: pro-westlich und ausgesprochen pro-amerikanisch, Israel freundlich zugetan, aber durchaus kritisch in Fragen der Integration, der Regeirungspolitik, der Eurokrise und der Art, in der Angela Merkel das Land regiert. Nazis verabscheut das Magazin, berichtet wird hingegen über die US-amerikanische Tea-Party-Bewegung, auch über die FPÖ und die Biolandwirtschaft.
"Die unheimliche Gefahr, die von unauffälligen Bio-Bauern ausgeht", schreibt Netzwerkrecherche, "wurde jahrelang unterschätzt". Erst nach dem Massaker in Norwegen und dem Bombenanschlag in Oslo würden nun Rufe nach einem "schärferen Vorgehen“ gegen Bio-Bauern in Deutschland lauter. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles habe "mehr Polizeibeamte" gefordert, die Aktivitäten von Bauern im Internet beobachten müssten. Weil der Attentäter Düngemittel als Sprengstoff verwendete, müßten umgehend Voraussetzungen für ein Düngemittel- und Nachahmerverbot geschaffen werden. Die CSU will ein besseres Vorgehen gegen die Landwirtschaft in Deutschland, zudem forderten die Grünen mehr Engagement gegen Bio, das sich als gefährlich erwiesen habe.
Ein sofortiger Ausstieg sei nötig, ebenso ein Vorgehen gegen "geistige Brandstifter" wie den Drehbuchautor Quentin Tarantino, der in seinem Film „Inglourious Basterds“, Sprengstoffattentate und blutrünstige Massenerschießungen propagiert habe.