"Geheimagent" / "Secret Agent" [GB 1936]


Mehr Schmackes, mehr Verblüffung hätte "Geheimagent" vertragen können, in dem sich jeder, ob unbewusst oder bewusst, eine falsche Identität verschafft. Eine dick aufgetragene Liebesgeschichte (Madeleine Carroll spult ihr schales Programm als sittenstrenge Zicke ab) musste Hitchcock aus unerfindlichen Gründen genauso angezogen haben wie ein Vergnügungspark an Albernheiten in diesem sonst lebendigen, aufwändig getricksten und nie zu ernst geratenen Spionage- und Kriegsradau. Das Duo aus John Gielgud (ein versunken schauender Gentleman) und Peter Lorre (ein nonchalanter, unverschämter "Mexikaner") repräsentiert in seinem heiteren, bisweilen doppelsinnigen Zusammenspiel der Kulturen hingegen die Quintessenz eines Werks, das als eines der einzigen Hitchcock-Buddy-Movies gesehen werden kann. Von einem toten Orgelspieler, dessen weihevolle Musik wie eine böse Vorsehung in den verlassenen Hallen einer Kirche nachhallt und wogt, bis zu einem Hund, der den durch ein Fernglas parallel gezeigten Tod seines Herrchens auditiv eindringlich betrauert, verspricht "Geheimagent" Hitchcock-Schwank, aber auch erlebnisreich variierende Requisiten: Schneeberge, Züge, eine Schokoladenfabrik, verlorene, sinnverzerrende Knöpfe. Belangloses eben, das sich innerhalb der nächsten Ereignisse als folgenschwer erweist. Die moralische Schwarzseherei, trotz Krieg einen Auftragsmord zu begehen, verglüht, denn viel bedeutender sind die verschlüsselten Briefe (auf Schokoladenpapier!), mit denen "Geheimagent" bezaubernd zum Publikum kommuniziert. So bezaubernd, dass ein angehängtes Kitschbonbon das Ende besiegeln muss. 
5 | 10


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