WEIMAR. (fgw) Papst ist immer gefragt. Seit Benedikt XVI. auf dem Stuhle Petri sitzt, ist das ein Thema, dem gewißlich Aufmerksamkeit entgegengebracht werden wird. War kurz nach der Wahl des deutschen Kardinals Josef Ratzinger zum Pontifex Maximus noch die Stimmung groß und voller Jubel, so ist die Freude der Deutschen an „ihrem“ Papst doch in den letzten Jahren merklich abgekühlt.
von Ilka Lohmann
Nach den Augenblicken patriotischer Freude wurde den Menschen mit einem Male wieder bewußt: Die katholische Kirche ist kein Platz der leichtfertigen Ausgelassenheit, sondern vielmehr eine alt-ehrwürdige Institution, mit Regeln, Dogmen und Traditionen, deren Sinn sich Außenstehenden oft nicht erschließt, und Benedikt XVI. ist kein Spaßpapst, sondern ein ernsthafter, tiefgründiger Theologe.
Nicht erst seit dem Papstbesuch im vergangenen September ist Kritik an der Katholischen Kirche en vogue. Freilich wird sie von sehr unterschiedlichen Quellen hervorgebracht, und die Spannbreite geht von „Alle katholischen Priester sind Kinderschänder” über „Die katholische Kirche ist schuld an den Kreuzzügen” bis hin zu ernsthaften Debatten über die Transsubstationslehre, die Interkommunion und die Bedeutung der wahren Nachfolge Christi.
Rudolf Lill ist eine der ernster zu nehmenden Quellen. Auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung allerdings versinkt er mit seinem Buch „Die Macht der Päpste” im Mittelmaß der „Papstkritikerszene”.
Dabei ist der Ansatz dieses Buches durchaus vielversprechend. Lill will beweisen, daß die Macht der Päpste, die er „absolutistisch” nennt, nicht auf der langen Kirchentradition fußt, die Vatikan und Kurie für sich in Anspruch nehmen, sondern „nur” auf das 12./13. Jahrhundert zurückgeht und in ihrer zeitgenössischen Form mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zementiert wurde.
Lill bedient sich des typischen Papstkritiker-Jargons. Und er schreibt mit sehr viel Sachverstand und Detailwissen. Leider ist es ein wenig zu viel Detailwissen, denn es ist unzusammenhängend aufbereitet. Immer wieder vollzieht der Autor Zeitsprünge. Eben noch ist er in der Zeit der Renaissance angekommen, und einen Absatz weiter beginnt er mit dem 2. Vaticanum. Damit ist das Buch für einen interessierten Laien kaum zugänglich.
Die Geschichte des Papsttums wird so erzählt, als sei der Papst immer der Antiheld, der Schurke der Kirchengeschichte, und immer wieder wird eine Dichotomie, eine Gegnerschaft von Papst und Kirche angedeutet.
Auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist das Buch schwierig gestalte. Endlose, kaum zu rezipierende Fußnoten machen den Anhang aus. Die Quellenangaben sind unzureichend. Ein Personenregister sucht man ebenso vergeblich wie die Literaturliste.
Dabei ist das Buch sehr lautstark. Es hat viel Inhalt, aber leider nur wenig Gehalt. Und der Titel spiegelt nicht den Inhalt wieder. Es geht nicht um die Macht der Päpste, sondern letztlich nur um eine Geschichte der Päpste seit 1800. Zudem fehlt dem Buch die Sachlichkeit.
Einen Bonus allerdings, und das sind Exkurse, die zwischen die einzelnen Kapitel gesetzt sind und sich mit dem Konklave, Bischof Lefebvre und der Pius-Bruderschaft befassen. Gleiches gilt für die Kurzbiographien der Päpste von Pius dem VII. bis hin zu Benedikt dem XVI.
Das Buch „Die Macht der Päpste” ist nicht empfehlenswert. Anhand der Biographien dieser Männer wird nicht nur der Wandel des Konzepts „Papst” per se deutlich, sondern auch der gesellschaftliche Wandel, der sich in dieser Zeit in Europa und auch in der katholischen Kirche vollzogen hat.
Nur der durchschnittliche Papst- und Kirchenkritiker wird sich in dieser parteiisch gefärbten, und damit bedauerlicherweise unzulänglichen Pseudo-Geschichtsschreibung verstanden fühlen und bestätigt finden.
Rudolf Lill: Die Macht der Päpste. 308 S., geb. Butzon&Bercker Kevelaer 2011. 19,95 Euro. ISBN: 978-3-7666-4147-2
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]