Im Herzen bin ich ein uhrzeitfreier und kalenderloser Mensch. Gewisse gesellschaftliche Zwänge lassen mir jedoch keine Wahl als die Teilnahme am regulären Kalendersystem.
Täglich um zehn vor acht muss das große Kind auf dem Schulhof stehen. Spätestens um halb fünf müssen die Gnome abgeholt werden, am Freitag – Achtung! Fallstrick! – schon eine Stunde früher.
Am Montag ist Spielzeugtag im Kindergarten, wehe mir, wenn ich den vergesse! Schließlich drohen noch die jährlichen wichtigen Termine, als da wären Zahnarzt (seit drei Jahren abgesagt), Frauenärztin (eineinhalb Jahre), Gesundheitscheck (drei Jahre), die ich aber liebend gerne vergesse oder in letzter Minute absage.
Die Menschen am Arbeitsplatz würden mir was husten, ließe ich sie – manchmal buchstäblich – im Regen stehen. Solche Termine sind mit dicken Pfeilen markiert, und da, wo der beste Ehemann der Welt nach Dienstreisen in die Höhle zurückkehrt, zieren Smileys die Kalenderspalten.
Aber eine Sache kann mir niemand nehmen:
Wenn mich der Kalender legitimiert, in den Planlos-Modus zu schalten, ignoriere ich die meteorlogische vorgeschriebene Jahreszeit, locke die Kinder aus ihren Institutionen und orientiere mich am gefühlten Zustand von Himmel und Erde.
Lauwarmes Sommerabendgefühl im Februar mit Versteckspielen im Park? Check.
Ende August mit Regenjacken und Gummistiefeln im Herbstwald herumstromern? Check.
Sahara-Hitze im Mai mit den Füßen im Rhein? Check.
Lebkuchenherzen und heißen Tee beim monatlichen Wintereinbruch? Check.
Adventskekse backen bei eisiger Kälte im März? Check.
Zugegeben: Ohne das Lästern über die tägliche Wetterlage wären viele Gespräche noch viel leerer. Aber dem Wetter verdanke ich so viel. Es zeigt mir, wie die Zeit vertickt, es lässt mich spüren, dass ich lebe, wenn Regentropfen auf meine Wangen purzeln oder der Wind meine Haare zerzauselt.
Das Wetter darf so sein, wie es will. Ich will ja schließlich auch akzeptiert werden mit meiner jeweiligen Tagesform. Und – Gott sei Dank – haben die Kinder noch keine Ahnung, wann das Wetter unartig ist. Vielleicht ist es ein bisschen wie ein Kleinkind: Man muss nehmen, was man kriegen kann. Und jetzt lege ich mich erstmal in die Sonne. Unter die Markise. Der nächste Regen kommt bestimmt.