Gefangene im Hungerstreik

19.04.2018Aktionen

mehriran.de/Amnesty International - Acht inhaftierte Angehörige der religiösen Minderheit der Gonabadi-Derwische geben an, in ihrer Haft gefoltert und anderweitig misshandelt worden zu sein. Sie traten am 27. März aus Protest dagegen in den Hungerstreik. Einem der Männer, Abbas Dehghan, soll damit gedroht worden sein, dass seine Frau vor seinen Augen vergewaltigt werden würde, wenn er nicht „gestünde“. Die Männer benötigen medizinische Versorgung für die Verletzungen, die sie bei ihrer Verhaftung am 19. Februar erlitten hatten.

Gefangene im Hungerstreik

im Hungerstreik befindliche Derwische

mehriran.de - Amnesty International hat eine sogenannte urgent action ins Leben gerufen, um das Regime in Iran aufzurufen, die Rechte der Menschen im Land zu respektieren.

Hier geht es zur urgent action: www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/gefangene-hungerstreik

Sachlage

Abbas Dehghan, Javad Khamis Abadi, Kianoush Abbaszadeh, Ahmad Mousavi, Nour Ali Mousavi, Mehdi Eskandari, Amir Labbaf und Mir Sadegh traten am 27. März in den Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen Folter und andere Misshandlungen, denen sie während ihrer Haft ausgesetzt sein sollen. Die Männer sind in der Shapour-Hafteinrichtung inhaftiert, die der Ermittlungsabteilung der iranischen Polizei (Agahi) unterstellt ist. Die Hafteinrichtung ist berüchtigt dafür, „Geständnisse“ durch Folter zu erzwingen. Häufig wird von Foltermethoden wie Tritten und Schlägen, u. a. mit Plastikrohren, Kabeln oder Peitschen, sowie von andauernder Fesselung und verschiedenen Arten der Aufhängung berichtet. So z. B. vom „Chicken Kebab“, bei dem Gefangene an einer Stange aufgehängt und ausgepeitscht werden, während ihre Arme nach hinten an die Fußknöchel gefesselt sind. 

Die acht Männer wurden am 19. Februar festgenommen. Sie hatten an einer Protestveranstaltung teilgenommen, die gewaltsam endete, als Sicherheitskräfte auf Schläge und den Gebrauch von Schusswaffen, Wasserwerfern und Tränengas zurückgriffen, um die Protestierenden auseinanderzutreiben. Über 300 Menschen wurden festgenommen. Zunächst wurden die Männer ins Fashafouyeh-Gefängnis bei Teheran gebracht, dann aber zum Verhör in die Shapour-Haftanstalt verlegt. In einigen Fällen wurden die Familien wochenlang nicht über ihren Verbleib informiert. Nach Angaben der Behörden haben die Männer keinen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen, solange die Verhöre andauern. Amnesty International liegen Informationen vor, nach denen Abbas Dehghan dazu gedrängt wird, die Tötung eines Basidsch-Milizsoldaten in Zivil zu „gestehen“. Er soll „gestehen“, diesen nach der Protestveranstaltung am 19. Februar vorsätzlich mit einem Auto überfahren zu haben. Diese Vorwürfe wurden von Angehörigen der Derwische zurückgewiesen. Sie geben an, der Milizsoldat sei von Polizeikräften für einen Protestierenden gehalten und erschossen worden. Fotos von dem toten Milizsoldaten, die durch die Staatsmedien veröffentlicht wurden, zeigen Schusswunden an seinem Körper. Nach Informationen, die Amnesty International vorliegen, wurde Abbas Dehghan damit gedroht, dass seine Frau festgenommen und vor seinen Augen vergewaltigt werden würde, wenn er nicht „gestünde“. 

Hintergrundinformation

Mehrere Hundert männliche und weibliche Angehörige der Gonabadi-Derwische kamen in der Nacht des 19. Februar vor dem Haus ihres geistlichen Oberhauptes Noor Ali Tabandeh in Golestan Haftom, einem Teil von Teheran, zusammen. Sie wollten dort gegen die verstärkte Verfolgung ihrer Gemeinschaft durch die Behörden protestieren und eine mögliche Festnahme ihres Oberhauptes verhindern. Protestteilnehmer_innen berichteten, dass Polizeikräfte und Mitglieder der Basidsch-Miliz, die Zivilkleidung trugen, die Protestierenden auseinandertreiben wollten, indem sie mit Schlagstöcken, Stromkabeln und scharfen Objekten auf sie einschlugen sowie Tränengas, Wasserwerfer und scharfe Munition einsetzten. Sie nahmen zudem über 300 Menschen, darunter mindestens 60 Frauen, fest. Teilnehmer_innen berichteten desweiteren, Sicherheitskräfte hätten ein nahestehendes fünfstöckiges Gebäude gestürmt, in das Protestierende geflohen waren. Dort hätten sie das Treppenhaus mit Tränengas geflutet, einen „Tunnel“ aus Schlagstöcken gebildet und Protestierenden widerholt auf Rücken, Kopf und Gesicht geschlagen, während sie sie gewaltsam die Treppe hinunter und in die Polizeiwagen zerrten. Fotos und Videos von den Geschehenissen zeigen Protestteilnehmer_innen mit Platzwunden und anderen Verletzungen sowie mit Verbänden an Gesicht und Körper. 

Amnesty International liegen Informationen vor, nach denen etwa 170 der Festgenommenen vom Ort des Geschehens zur Notversorgung in Krankenhäuser gebracht wurden. Viele dieser Menschen hatten zuvor das Bewusstsein verloren. In den Tagen darauf wurden einige von ihnen freigelassen, während andere in das Fashafouyeh-Gefängnis nahe Teheran gebracht wurden, obwohl ihre medizinische Versorgung noch nicht abgeschlossen war. Während der folgenden Tage wurden einige der Inhaftierten von dort zur Einzelhaft ins Evin-Gefängnis oder zum Verhör in die Shapour-Hafteinrichtung verlegt. Es besteht die begründete Annahme, dass sie dort der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind, um „Geständnisse“ abzulegen. Ihnen könnte u. a. die medizinische Versorgung ihrer Wunden verwehrt werden. Am 15. März gab Teherans Generalstaatsanwaltschaft an, dass im Namen der nationalen Sicherheit bereits 20 Anklagen gegen Mitglieder der Gonabadi-Derwische vorlagen. Die Anzahl könne sich auf 100 Anklagen erhöhen. 

Am 4. März wurde die Familie von einem der Inhaftierten, Mohammad Raji, von Polizeikräften darüber informiert, dass dieser seinen Verletzungen erlegen sei, die ihm durch wiederholte Schläge auf den Kopf zugefügt worden waren. Angaben zu den Umständen sowie zu Ort, Zeitpunkt und genauer Art seines Todes blieben bislang aus. Die Behörden hatten lediglich angegeben, er sei während der Auseinandersetzungen lebensgefährlich verletzt worden und sei entweder während des Transports ins Krankenhaus oder nach seiner Aufnahme ins Krankenhaus verstorben. Seine Familienangehörigen betonten, dass Mohammad Raji zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 19. Februar zwar verletzt, aber am Leben war. Sie kritisierten die Geheimhaltung seines Verbleibs und Schicksals während der 15 Tage nach seiner Festnahme und dass die Behörden sich weigerten, die Abfolge und den Zeitrahmen der Geschehnisse, die zu seinem Tod führten, aufzuklären. Neben dem Basidsch-Milizsoldaten in Zivil wurden am 19. Februar die drei Polizeikräfte Reza Emami, Mohammad Ali Bayrami und Reza Moradi Alamdar getötet, als sie von einem Bus überfahren wurden. Am 19. März wurde ein Angehöriger der Derwische, Mohammad Salas, für ihre Tode zur Verantwortung gezogen: Er wurde wegen vorsätzlichen Mordes zum Tode verurteilt. Während des Gerichtsverfahrens wies er die Anklagen von sich und gab an, dass er die Polizeikräfte nicht vorsätzlich überfahren hatte. Zu seiner Verteidigung brachte er hervor, der Unfall sei seiner mangelnden Sehkraft, der desorientierenden Auswirkungen seiner Verletzungen – u. a. einer Schädelfraktur und einem gebrochenem Arm – und seiner panischen Flucht vor weiteren Schlägen geschuldet. Am 20. Februar, vor seinem Gerichtsverfahren, strahlte der Rundfunk der islamischen Republik Iran (Islamic Republic of Iran Broadcasting, IRIB) ein Video aus, in dem Mohammad Salas die Tat „gestand“. Das Video war gefilmt worden, während er schwer verletzt in einem Krankenhausbett lag. Dies verletzt die Unschuldsvermutung und weckt die Sorge, dass die Aussage erzwungen worden sein könnte. 

Die Gemeinde der Gonabadi-Derwische im Iran bezeichnet sich als schiitisch. Wegen ihres Sufi-Glaubens und der Sufi-Traditionen werden sie jedoch von den Behörden diskriminiert, schikaniert, willkürlich festgenommen und inhaftiert. Zudem werden ihre Gebetshäuser angegriffen. Am 6. März gab Noor Ali Tabandeh, das geistliche Oberhaupt der Gonabadi-Derwische, in einem Video bekannt, dass die Behörden ihn daran hindern würden, sein Haus zu verlassen. Er machte keine weiteren Angaben zu den Umständen. 

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