Der Hunger nach Daten dient nicht nur dem Zweck der Überwachung. Vielmehr suchen Geheimdienste beidseits des Atlantiks darin nach Mustern, um potentielle Sicherheitsverstöße bereits im voraus errechnen zu können
Anders ist es bei den Zuträgern selbst, den Mitarbeitern in den Schnüffelzentren von NSA, CIA, MI5 und GCHQ. Durch deren Hände fließen tagtäglich die geheimsten und brisantesten Datensätze, die es gibt. Entsprechend wird jeder einzelne Handgriff dieser Mitarbeiter überwacht, protokolliert und analysiert. Ebenso deren Interaktionen im sozialen Umfeld. Wer postet was auf Facebook (FB), Twitter, Youtube und anderen Plattformen? Beklagt sich jemand über aktuelle, politische Entwicklungen? Gibt er kritische Töne von sich? Beabsichtigt er gar wider den Stachel zu lücken, sich also mit der Obrigkeit anzulegen? Aber auch die Arbeitsabläufe in den Datenzentren sind einer feinmaschigen Kontrolle unterworfen. Wer hält sich zu ungewöhnlicher Stunde an einem bestimmten Terminal auf? Wer greift wann und von wo aus auf welche Daten zu? Entwickeln bestimmte Personen eine Vorliebe für besonders heikle und brisante Daten? Wer befindet sich wann und wo unbeaufsichtigt und alleine im Raum? Wer verschickt vom Datenzentrum aus womöglich E-mails?
Dahinter verbirgt sich eine simple Logik. Daten werden generell je nach Sensibilität unterschiedlich stark durch virtuelle Wände gesichert. Während im äußeren Zugriffskreis allenfalls Parksünder oder Biogärtner zu finden sind, sind im mittleren Sicherheitssegment Daten zu finden, wie sie Assange, Manning und Snowden in die Öffentlichkeit getragen haben. Im innersten Zirkel hingegen sind strategische, politische, militärische und wirtschaftliche Datensammlungen von solcher Sprengkraft, dass nur langjährige Mitarbeiter, die sich vielfach bewährt haben, in deren Nähe dürfen. Diese Daten erhalten ihre Sprengkraft unter anderem aus dem Umstand, dass sie schwerkriminelle und zutiefst verabscheuungswürdige Vorgänge dokumentieren und somit beweisen. Würden sie öffentlich, wäre ein globaler Gesichtsverlust die Folge. Das Video Collateral Murder oder die Aufdeckung der Herkunft von Stuxnet und Cable- Gate oder die entüllten Regierungspläne, die Köpfe von Occupy Wallstreet durch Scharfschützen beseitigen zu lassen, sind nur wenige unter vielen Beispielen. Daher gilt es für die Spionskis heute vermehrt, derartige Datendiebstähle bereits im Vorfeld ausfindig zu machen, um nicht hinterher blöd da zu stehen, der Verachtung der Weltgemeinschaft ausgesetzt.
Das Ganze erinnert ein wenig an den den Film Minority Report, ein Science Fiction Klassiker von Steven Spielberg aus dem Jahre 2002. Mit einer Mischung aus Technik und Telepathie gelingt es der Polizei in diesem Film, auf einem Monitor Verbrechen zu sehen, noch bevor sie geschehen. Die Täter werden dann unschuldig im voraus verhaftet und zutiefst sediert eingefroren. Potentiell verdächtige Menschen werden bei uns zwar nicht kryonisiert, Ärger bekommen sie dennoch genügend. Viele Köpfe der Occupy- Bewegung vegetieren heute in Haftanstalten dahin. Oder der junge Mann, der über FB zum gemeinsamen Spaziergang zum amerikanischen Dagger- Komplex bei Griesheim aufrief und sofort unangenehme Bekanntschaft mit unserem Staatsschutz machte. Statt Stasi heute also Staschu.
Sind wir also nur einen kleinen Schritt von einer Diktatur entfernt? Die Antwort wird in jedem Fall Nein lauten. Die einen sagen Nein, weil sie sich das nicht vorzustellen vermögen. Die anderen, weil sie der Meinung sind, dass wir bereits mitten drin sind. Wo so vielen politisch anders Denkenden durch flächendeckende Überwachung ihre Menschenrechte teils abgesprochen werden, könnte in der Tat der Eindruck entstehen. Dabei gibt es keinen wirklichen Unterschied zwischen einerseits Demokratie im Sinne von Freiheit und andererseits nackter Diktatur. Dies sind lediglich die beiden gegensätzlichen Extremwerte, zwischen denen sich unser gesellschaftliches Geschehen abspielt. In der absoluten Freiheit dürfen alle alles. In der Diktatur darf jeder nichts. Das Ergebnis ist ein Kompromis, in dem jeder vieles, aber keiner alles darf. Und dieser Kompromis kann sich mal mehr in die eine oder auch andere Richtung verschieben.
Andererseits dürfen auch nicht die notwendigerweise zu erwartenden Reaktionen auf bestehende Sachzwänge unterschätzt werden. Man stelle sich nur vor, die sozialen Sicherungssysteme brächen vollständig zusammen. Dann würden selbst nette Nachbar sehr schnell zu erbitterten Kontrahenten. Die letzten Nahrungsreserven würden zum Ziel von Kämpfen um Leben und Tod. Ohne eigene Gangster- Gang könnte niemand sich alleine auf die Straße trauen, es gälte das Recht des Stärkeren. Angesichts solcher Aussichten würde auch ich, hielte ich als Regent die Fäden in der Hand, sehr nervös werden. Und seien es auch nur jene Fäden, an denen ich selbst aufgehängt bin als Marionette globaler Konzerne. Andererseits neigen die Mächtigen dieser Welt, denen nicht zuletzt ein soziopathischer Zug anhaftet, dazu, von sich auf andere zu schließen. Daher können sie nicht erkennen, dass ausschließlich ein freundschaftliches und hilfsbereites Miteinander jenen Humus erschafft, auf dem das Überleben gedeiht. Die einen haben dies bereits im Neolithikum begriffen, die anderen werden’s nie lernen. C’est la vie.
Quellennachweis und weiterführende Links:
Big Data – Die Macht der Datensammler | thetechnologicals
DARPA: Mit Data-Mining gegen die Insider-Bedrohung – News – gulli.com
Der Feind in meinem Netz | Technology Review