Geduldstraining im Glas: Himbeersenf.

Von Vivi D'Angelo @dangelo_viviana

Der Mensch ist kein Geduldstier.

Und mit Mensch meine ich uns alle, jawohl und mea culpa, angefangen bei mir.

Denn wir ziehen um. Aus unserer heissgeliebten, superzentralen 27-Quadratmeterbude die uns damals vor knapp einem Jahr als gestrandetes Immigrantenpärchen auf Glückssuche aufnahm, inder wir seitdem Menschentangram spielen und einander liebevoll die Füsse zertrampeln, hinaus in eine Zweizimmerwohnung mit Wohnküche, eigenem Hauseingang und Gärtchen.

Jeder normale Mensch würde Glückspurzelbäume schlagen, jauchzend und grinsend durch die Gegend hopsen und nur noch die Minuten bis zum Tag X abzählen. In München noch tausendmal mehr als anderswo.

Mich andererseits beschäftigt seit Vertragsabschluss irgendwie und immerfort ein einziger Gedanke: der 15 Minuten längere Weg zur Arbeit. 15 Minuten am Morgen, 15 am Abend, das sind 30 am Tag und 150 in der (normalen arbeits-) Woche. 600 Minuten im Monat! An die 7200 im Jahr will ich ja garnicht wagen zu denken, das sind ja dann ganze 120 Stunden, rund fünf Tage die ich pro Jahr länger in der U-Bahn sitzen werde. Jetzt nämlich schaff’ ich es vom obengenannten Tangramkäfig in die Arbeit in 25 Minuten. Ab Dezember werden es ganze 40!

Dass es da Leute gibt, die irgendwo in Afrika vier Stunden lang zum nächsten Brunnen wandern, um dann nochmal vier Stunden mit einem randvollen Krug Wasser auf dem Kopf zurückzubalancieren, kommt mir bei sowas garnicht in den Sinn. Wie mir meine argentinische Freundin Silvina erzählte, sie fahre ja nur “poquito” bis nach Buenos Aires hinein in die Arbeit, ein Bisschen nur, knappe zwei Stunden eben, das hab ich auch schon längst verdrängt angesichts meiner unschlagbar allerschlimmsten 15 Minuten. Auch ist es schon längst Geschichte, dass ich selber bis vor drei Jahren aus Flugangst zweitägige Zugfahrten nach Spanien unternahm, mit der brillianten Ausrede, der Körper brauche doch eine so lange Reisezeit, um sich auf die Umstellungen der Ankunft gefasst zu machen.

Muss sich dann der Körper nicht auch an die Ankunft an den Arbeitsort gewöhnen? Auf den Beginn des Arbeitstages vorbereiten? Und ist es nicht etwa auch wunderschön, dass er sich beim Heimweg ganze 15 Minuten länger freuen darf, auf die grosse Badewanne, das geräumige Wohnzimmer wo sowohl Bett als auch Couch reinpassen, auf die Abendstille und das Gärtchen mit Eichhörnchen?

Gute Sachen brauchen eben Weile, und Mensch der Gutes will, der braucht Geduld.

Das ist beim Senfmachen genauso. Je länger er reift, desto milder und aromatischer wird er.

Himbeersenf

(ergibt etwa 900 ml süssen, fruchtigen Senf, der super zu Weichkäse, hellem Fleisch und in Salatdressings passt)

man braucht:

- 400 g Himbeeren (auch TK)

- 200 ml Wasser + 120 ml Wasser

- 160 g Honig + 240 g Honig

- 150 g gelbe Senfkörner (gelbe Senfkörner sind milder, wenn man gerne schärferen Senf möchte, kann man auch einen Anteil braune Senfkörner dazugeben)

- 4 Teelöffel Rohrzucker

- 60 ml Balsamico Essig

- 3 Wochen Zeit

Die Himbeeren mit 160 g Honig und 200 ml Wasser aufkochen und auf die Hälfte reduzieren lassen. Inzwischen die Senfkörner mit dem Rohrzucker fein mahlen. Lieber nicht auf die Idee kommen, dies mit dem Pürierstab zu machen, sonst ist die Küche gleich vollgestreut mit klitzekleinen Senfkörnern…  Also lieber einen geschlossenen Mixer oder am Allerbesten eine Kaffeemühle nehmen.

Das eingekochte Himbeerpüree durch ein Sieb zum Senfpulver geben, dazu noch den Balsamicoessig und 240 g Honig einrühren und mit Wasser verdünnen, bis es die richtige Konsistentz erreicht (bei mir waren es 120 ml Wasser).

Den Senf in abgekochte Einmachgläser füllen, zuschrauben, ganz hinten in den Kühlschrank stellen und nun etwa drei Wochen lang vergessen …