Im roten Zimmer – ein Rot, das anders als so oft in Literatur und Kino nicht mit Dekadenz und Verruchtheit gekoppelt ist – gruppiert man sich vor dem Fernseher, schüttelt die Kissen zurecht und schaut ‘Tagesschau’, zunächst.
Die Liebe kommt dann schnell zu Wissenschaft und Romantik hinzu, in jeder Kombination, mit oder ohne Wissen des Dritten, auch unter seinen Augen. Es ist die Tradition der klassischen Liebesspiele, von der Schäferliteratur bis zu Goethes Romanen, die Thome in seinen Filmen am Leben hält – er hat ‘Stella’ auf die Leinwand gebracht und ‘Die Wahlverwandtschaften’. Die vorpommersche Landschaft liefert den arkadischen Dekor, die Akteure schaffen die phantastische Balance zwischen Naivität und Ritual. Zwei Burgschauspieler hat Thome sich ausgeguckt, Peter Knaack und Katharina Lorenz, als Luzie, eines der beiden Mädchen, und Seyneb Saleh, als die Dritte im Bunde, verstehen es großartig, ihre wahren Gefühle so zu verbergen, dass man nicht im Zweifel sein kann über sie. Die Liebe macht nur Sinn zu dritt – was Tom Tykwer so heftig proklamierte für ‘Drei’ und doch nicht wirklich hinkriegte auf der Leinwand, bei Thome wird es ganz evident. Sein Kino nimmt die Schimäre der idealistischen Liebe auseinander, Liebe bei ihm ist absurd und aufrichtig zugleich, von Impulsen und von Verträgen gleichermaßen dirigiert, von den Frauen dominiert, ihrer Überlegen- und ihre Überheblichkeit, und immer hart an der Grenze zur Prostitution. / FRITZ GÖTTLER, Süddeutsche Zeitung 13.1.