Gedrängel an der Hintertür

Erstellt am 11. Oktober 2010 von Ppq @ppqblog

Langsam wird es eng am Hinterausgang zur Realität, wo es nach Ansicht zahlreicher deutscher Politiker zu neuen Mehrheiten und sicheren Parlamentssitzen geht. Durfte sich der frühere CDU-Vorständler Friedrich Merz vor Jahren noch sicher sein, für ein Wort wie "Leitkultur" wochenlang öffentlich verprügelt zu werden, ist vier Wochen nach der regierungsamtlich schnell unterbundenen Diskussion um die sachliterarischen Werke des SPD-Mitgliedes Thilo Sarrazin alles anders.

Stand am Anfang nicht nur für die frühere Klimakanzlerin Angela Merkel fest, dass Sarrazins "krude Thesen" (Der Spiegel) "nicht hilfreich" sind, wittert der von Volkes donnernden Beifallsbekundungen für den früheren Bundesbanker erschütterte Politikbetrieb jetzt dringendsten Kursbegradigungsbedarf. Eilig ließ Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gewagte Thesen zur "Deutschenfeindlichkeit" hören, die vor zwei Monaten noch nicht existierte, seit Mitte vergangener Woche aber rasant zu einem "großen Problem" (Schröder) werden durfte. Das werde demnächst mit "Geld für tausende Erzieherstellen" bekämpft, verriet die Ministerin der "Saarbrücker Zeitung": "Wir werden von 2011 an vier Jahre lang insgesamt 440 Millionen Euro zusätzlich in die frühkindliche Bildung und in die Sprachförderung investieren."
Rausgeschmissenes Geld, das sich lohnt, wie Leserbriefe an PPQ zeigen. Selbst Maria Böhmer, als Bundesausländerbeauftragte, Vorpredigerin für religions- und abstammungsübergreifende Brüderlichkeit zumindest auf offener Bühne, meldet plötzlich Zweifel an, ob die Erfüllung aller Multikulti-Versprechen der rot-grünen Gründergeneration wirklich ins Paradies auf Erden führt. "Klar ist: Deutsch ist Schulsprache", poltert die Integrationsbeauftragte, die während der gesamten Sarrazin-Debatte nicht zu Wort gekommen war. „Wir müssen die Berichte von Berliner Schulen ernst nehmen: Es sind offensichtlich keine Einzelfälle mehr, dass sich Schüler und Lehrer deutschfeindliche Äußerungen anhören müssen“, wettert Böhmer jetzt fast schon todesmutig. Und noch mehr krude Thesen im Kampf um Rückhalt im Volk: "Multikulti ist gescheitert", sagt sie, während Horst Seehofer als Nachlassverwalter der früheren Volkspartei CSU noch eine Schippe drauflegt: Weil sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer täten mit der Integration in Deutschland, solle hierzulande künftig "eine Beschränkung der Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen" gelten.
Claudia Roth forderte inzwischen, dass Seehofer sich wegen seiner Ansichten "ohne jedes Maß und demokratisches Gefühl" bei allen türkischen und arabischen Einwanderern zu entschuldigen habe. Kanzlerin Angela Merkel allerdings steht inwzischen auch an der Hintertür an. Sie sehe "keinen Grund, CSU-Chef Seehofer zurechtzuweisen", denn "dessen Aussagen zur Zuwanderung seien für sie nachvollziehbar". So spreche man eben, wenn man sich an die Bevölkerungsmehrheit heranschmeißen wolle.
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