"Nun sind die Blüten überall,und ich kann hingehen, wo ich nie zuvor gewesen bin."
Saigyô (1118-1190) war ein Wandermönch und -poet der Shingon-Schule. Viele seiner Verse wurden eingeleitet von Angaben zu Ort, Zeit und Anlass der Gedichte. Er schrieb gern über die Kluft zwischen Wirklichkeit und Erscheinung und über Handlungen und Ansichten, die die gewöhnliche Gesellschaft aufgrund ihres Hangs zu Illusionen nicht begreifen konnte. Saigyôs Ablehnung dieser Gesellschaft ging einher mit dem Wunsch nach Anerkennung für sein poetisches Talent. Er brachte sowohl sein Vergnügen als auch sein Leiden am Leben eines Einsiedlers zum Ausdruck. Saigyôs Verse tragen zuweilen metaphysische Züge, die in einer tiefen ekstatischen Erfahrung gründen. Die Form des waka-Gedichtes (das aus 5-7-5-7-7 Silben besteht) verstand er als eine Art buddhistisches Mantra. Natürliche Schönheit war für ihn ein Ausdruck der Erleuchtung, und von ihr beeinflusst zu werden bedeutete die Übung des wahren Weges. Doch konnte er diese Schönheit auch in schlichten, farblosen Dingen sehen, wie es der späteren wabi (sabi)-Ästhetik Japans entsprach. Saigyô war insbesondere besessen vom Vollmond, dessen Erscheinung als Konzentrationspunkt ausgedehnter Meditationen diente. Er wollte aware bzw. mono no aware erfassen, die tiefgreifende Schönheit der Dinge gerade aufgrund ihrer Vergänglichkeit. Hier sind ein paar Beispiele seiner Dichtkunst.
shide no yamakoyuru taema waaraji kashinakunaru hito nokazu tsuzukitsutsu
Da ist keine Lücke, keine Unterbrechungin den Rängen derjenigen,die unter dem Hügel marschieren:eine endlose Reihe sterbender Männer,die vorwärts gehen, vorwärts, vorwärts ...
***
hana chiradetsuki wa kumoranyo narisebamono o omowanwaga mi naramashi
Eine Welt ohne Zerstreuen von Blütenund ohne Bewölken des Mondes,würde mich meiner Melancholie berauben.
***
hitokata nimidaru to mo nakiwaga koi yakaze sadamaranunobe no karu kaya
Mein Liebeslebenist nicht so verwirrt,dass es sich nur nach einer Seite neigte.Ein Bündel Schilf beugt sich auchvor jedem Wind, der es bewegt.
***
omokage nowasurarumajikiwakare kananagori o hito notsuki no todomete
Ich werde nie ihren Anblick vergessen,als sie Aufwiedersehen sagte,besonders wo sie als Andenkenihr sorgenerfülltes Gesicht auf den Mond da oben klebte.
***
yoshi sarabanamida no ike nimi o nashitekokoro no mama nitsuki o yadosan
Es wird alles gut.Mag mein Körper sich auchin einen Tränenteich weinen,so wird darin mein unverändert' Herzdem Mond doch eine Herberge sein.
***
toshitsuki oikade waga mi niokurikenkinô no hito mokyô wa naki yo ni
Warum werden in dieser Welt,wo einer, der gestern noch hier war,heute fort in die Welt des Todes ist,mir mehr und mehr Jahreund noch mehr Monate gewährt?
***
ada naranuyagate satori nikaerikerihito no tame ni mosutsuru inochi wa
Nichts ist verloren,da im Satori alles, was abgeworfen wurde,wiederkehrt: Leben, für ein "anderes" aufgegeben.
***
yo no naka ninakunaru hito okiku tabi niomoi wa shiru oorokanaru mi ni
Menschen vergehenund die Tatsache der vergänglichen Weltbeeindruckt mich - hin und wieder. Ansonsten lässt mein träger Verstandauch diese Wahrheit vorüberziehen.
*** (Ein Wintergedicht)
yamagawa nihitori hanaretesumu oshi nokokoro shirarurunami no ue kana
In einem Bergbachtreibt still über das Kräuseln dahineine Mandarinente, nun alleinnach dem Verlust ihrer Gefährtin.Ein Gemütszustand, den ich kenne.
[Literatur: William R. LaFleur: Awesome nightfall: the life, times, and poetry of Saigyô (Somerville 2003)]
Saigyô (1118-1190) war ein Wandermönch und -poet der Shingon-Schule. Viele seiner Verse wurden eingeleitet von Angaben zu Ort, Zeit und Anlass der Gedichte. Er schrieb gern über die Kluft zwischen Wirklichkeit und Erscheinung und über Handlungen und Ansichten, die die gewöhnliche Gesellschaft aufgrund ihres Hangs zu Illusionen nicht begreifen konnte. Saigyôs Ablehnung dieser Gesellschaft ging einher mit dem Wunsch nach Anerkennung für sein poetisches Talent. Er brachte sowohl sein Vergnügen als auch sein Leiden am Leben eines Einsiedlers zum Ausdruck. Saigyôs Verse tragen zuweilen metaphysische Züge, die in einer tiefen ekstatischen Erfahrung gründen. Die Form des waka-Gedichtes (das aus 5-7-5-7-7 Silben besteht) verstand er als eine Art buddhistisches Mantra. Natürliche Schönheit war für ihn ein Ausdruck der Erleuchtung, und von ihr beeinflusst zu werden bedeutete die Übung des wahren Weges. Doch konnte er diese Schönheit auch in schlichten, farblosen Dingen sehen, wie es der späteren wabi (sabi)-Ästhetik Japans entsprach. Saigyô war insbesondere besessen vom Vollmond, dessen Erscheinung als Konzentrationspunkt ausgedehnter Meditationen diente. Er wollte aware bzw. mono no aware erfassen, die tiefgreifende Schönheit der Dinge gerade aufgrund ihrer Vergänglichkeit. Hier sind ein paar Beispiele seiner Dichtkunst.
shide no yamakoyuru taema waaraji kashinakunaru hito nokazu tsuzukitsutsu
Da ist keine Lücke, keine Unterbrechungin den Rängen derjenigen,die unter dem Hügel marschieren:eine endlose Reihe sterbender Männer,die vorwärts gehen, vorwärts, vorwärts ...
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hana chiradetsuki wa kumoranyo narisebamono o omowanwaga mi naramashi
Eine Welt ohne Zerstreuen von Blütenund ohne Bewölken des Mondes,würde mich meiner Melancholie berauben.
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hitokata nimidaru to mo nakiwaga koi yakaze sadamaranunobe no karu kaya
Mein Liebeslebenist nicht so verwirrt,dass es sich nur nach einer Seite neigte.Ein Bündel Schilf beugt sich auchvor jedem Wind, der es bewegt.
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omokage nowasurarumajikiwakare kananagori o hito notsuki no todomete
Ich werde nie ihren Anblick vergessen,als sie Aufwiedersehen sagte,besonders wo sie als Andenkenihr sorgenerfülltes Gesicht auf den Mond da oben klebte.
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yoshi sarabanamida no ike nimi o nashitekokoro no mama nitsuki o yadosan
Es wird alles gut.Mag mein Körper sich auchin einen Tränenteich weinen,so wird darin mein unverändert' Herzdem Mond doch eine Herberge sein.
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toshitsuki oikade waga mi niokurikenkinô no hito mokyô wa naki yo ni
Warum werden in dieser Welt,wo einer, der gestern noch hier war,heute fort in die Welt des Todes ist,mir mehr und mehr Jahreund noch mehr Monate gewährt?
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ada naranuyagate satori nikaerikerihito no tame ni mosutsuru inochi wa
Nichts ist verloren,da im Satori alles, was abgeworfen wurde,wiederkehrt: Leben, für ein "anderes" aufgegeben.
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yo no naka ninakunaru hito okiku tabi niomoi wa shiru oorokanaru mi ni
Menschen vergehenund die Tatsache der vergänglichen Weltbeeindruckt mich - hin und wieder. Ansonsten lässt mein träger Verstandauch diese Wahrheit vorüberziehen.
*** (Ein Wintergedicht)
yamagawa nihitori hanaretesumu oshi nokokoro shirarurunami no ue kana
In einem Bergbachtreibt still über das Kräuseln dahineine Mandarinente, nun alleinnach dem Verlust ihrer Gefährtin.Ein Gemütszustand, den ich kenne.
[Literatur: William R. LaFleur: Awesome nightfall: the life, times, and poetry of Saigyô (Somerville 2003)]