Den ganzen Tag über gelesen, geschrieben, gelesen, geschrieben, bis mir die Augen weh taten. Beim Lesen wie beim Schreiben vergesse ich zuweilen die Zeit – und mich selbst. Bin nur noch Text, Zusammenhang, Ausdruck, völlig konzentriert, völlig selbstvergessen. Keine Einsamkeit, kein Bedürfnis nach irgend etwas. Selbst zu trinken vergesse ich. Wenn ich dann wieder auftauche aus dem Sprachland, fühle ich mich erst etwas verloren in einer mir fremd gewordenen Welt und möchte am liebsten wieder zurückweichen in die reinen Gefilde der Sprache, wo ich nichts brauche als Worte, Gedanken, Zusammenhänge und Phantasien. Schon als Kind bin ich durch die Seiten eines aufgeschlagenen Bilderbuches wie durch ein offenes Fenster gedanklich entflogen, habe meinen kleinen Körper einfach liegen gelassen. Die anderen sollen sich darum kümmern. Ich bin dann mal weg. Was man einem Kinde verzeihen mag, kann für einen Erwachsenen ungesund werden, wenn er sich auf diese Art zunehmend der Realität verweigert und in Phantasiewelten entflieht. Nur die banale, schmutzige, schmerzliche Wirklichkeit nicht zu nahe kommen lassen. Das war schon als Kind die Devise.
Bild: the sea [iii] von … storrao …, CC-Lizenz via flickr