Gedankensplitter zur Familiensynode

Sünde

“Ich bin ein Sünder.” Das war eine der ersten Aussagen von Papst Franziskus. In einer Gesellschaft, in der die Beichte beim Arzt “Herr Doktor, ich habe gesündigt” den Verzehr eines kalorienreichen Tortenstücks bezeichnet, ist es schwierig, über Sünde zu sprechen. “Was soll ich denn beichten?” ist daher die typische Antwort von Menschen, die kaum bis nie beichten gehen – erlebe ich bei den Schulbeichten.

Sünde ist eine Verletzung der Liebe Gottes. Ein “Sich und seine Bedürfnisse wichtiger als den Heilswillen Gottes zu nehmen.” Sünde ist daher nicht nur “böse” im Sinne eines bösen Objekts, einer bösen Absicht oder von bösen Mitteln. Sie ist zuerst und im Kern Lieblosigkeit: gegenüber Gott und seinem Bund mit uns, gegenüber unseren Mitmenschen oder auch uns selbst – als von Gott Geliebte.

Ehe ist ein Sakrament, das auf die Liebe Gottes zu den Menschen, auf die Liebe zwischen Christus und der Kirche bezogen ist. Es ist ein Ausdruck des göttlichen Lebens in uns, der göttlichen Gnade, die der Vater uns in seinem Sohn durch den Heiligen Geist schenkt. Die Ehe ist ein heiliger Dreierbund, der nur mit der Zustimmung aller Beteiligten aufgelöst werden kann. Diese Zustimmung ist von Gottes Seite her nicht gegeben. Daher ist jeder Ehebruch ein Bruch mit der Liebe Gottes, eine Lieblosigkeit Gott gegenüber, in der ich meine Bedürfnisse nach Nähe, sexueller Erfüllung, etc. über den Heilswillen Gottes stelle. Damit aber verdunkle ich seine unauflösbare Liebe zu uns Menschen.

Ideal und Realität

“Die Ehe ist ein oft unerreichbares Ideal.” Das ist einer der größten Irrtümer, dem ich mit aller Vehemenz widersprechen muss. Ein ideal ist ein Soll. Eine Norm. Zuallererst ist die Ehe aber ein Sein. Der Dreierbund von Gott, Mann und Frau. Da ist noch gar kein Sollen drinnen. Die Ehe nach katholischer Lehre zu leben, ist kein Projekt für eine religiöse Elite. Es ist im Menschen selbst grundgelegt, es entspricht ihm und ist für ihn eine Seinsform, in die er hineinwachsen kann. Das ist aber kein Soll, sondern ein Offensein. Zuallerst für die beiden anderen im Bund. Im Grunde ist die Ehe nichts für mich, sondern für meine Frau und für Gott. Es ist eine große Geschenksgemeinschaft, in der jeder für den anderen zu 100% da ist. Ganzhingabe sagt der Theologe dazu.

Ehe-Kopien und Schein-Ehen

Daher ist eine sogenannte “Homo-Ehe” keine Ehe. Das ist noch vor der Frage, ob eine “Homo-Ehe” sein soll oder nicht. Es gibt kein Quadrat mit vier ungleich langen Seiten, es gibt keine Homo-Ehe. Oder: Es gibt keine zweite Eheschließung, solange es noch die erste Ehe gibt. Aber die Realität ist doch anders – möchte man einwenden: Es gibt homosexuelle Paare, es gibt Wiederverheiratet Geschiedene. Ist das die Realität? Oder ist das Schein? Ein Schüler von mir hat sehr provokant und weise zugleich gemeint: Das, was Homosexuelle machen, ist gar kein Sex. Weil zum Sex die “Offenheit für das Leben” gehört und dazu die leibliche Ergänzung von Mann und Frau.  Und auch mit Verhütungsmitteln ist das gar kein Sex. Ich möchte ergänzen: Es ist vieles nur Schein. Es mag “gefühlsecht” sein, aber es ist ein Fake. Die Tragik besteht darin, dass Menschen diese Seinsdimension ausklammern und stattdessen die Ehe funktionalisieren. Eine Funktionalisierung kann aber nie das fehlende Sein ersetzen, nur einzelne Funktionen. Aber, so könnte eingewendet werden, es funktioniert so wie eine echte Ehe, zum Teil sogar besser! – Das ist derselbe Gedanke wie hinter Generika, Clever-Produkten. Es sind Kopien, nicht das Original.

Gewissen und Gradualität

Die deutschsprachige Moraltheologie müsste ihre Schuld am Missbrauch des Gewissensbegriffs bei Humanae Vitae bekennen – und auch der Gradualitätsbegriff scheint mir so ein gleichartiger theologischer Trick zu sein: Theologisch decken solche Begriffe viele Wahrheiten ab, die damit auch gemeint sind. Das Problem ist, dass die alltagssprachliche Bedeutung einen Unterschied zum theologischen Begriff macht.

Im Volk bedeutet z.B. Gewissen so etwas wie “Ich prüfe eigentlich sorgfältig, aber letztlich mache ich, wonach mir ist”. Das subjektive Gewissen hat sich aber an objektiven Grundsätzen zu orientieren – dieser Grundsatz wird in der Verkündigung gerne unterschlagen.

Gradualität hat für mich die Schlagseite, dass hier Menschen in ihrer Sünde stecken bleiben. Im Alltag würde Gradualität das Zufriedensein mit dem eigenen sündigen Leben bezeichnen, weil das Ideal ja “oft unerreichbar” ist und mir es so ja ganz gut geht und die Kirche (also die aufgeschlossenen Kirchenmänner = die, die so denken wie ich und die mir nicht irgendwelche Vorschriften geben) sich nicht wie ein bevormundendes Kindermädchen aufführen soll, das noch dazu so voyeuristisch ist, dass es sich für das Schlafzimmer statt für das Wohnzimmer der Menschen interessiert.

Die deutsche Kirche und die Wiederverheiratet Geschiedenen

Wäre es nicht ehrlicher, wenn Kardinal Marx einfach sagen würde: Es wird immer schwieriger, Personen für die vielen Leitungspositionen der an Geld so reichen deutschen Kirche zu finden, so dass wir auch Wiederverheiratet Geschiedene ohne schlechtem Gewissen in kirchlichen Leitungspositionen einsetzen möchten? Sonst sind die ganzen kirchlichen Institutionen in Deutschland über kurz oder lang bedroht.

Wäre es nicht ehrlicher, wenn Kardinal Kasper sagen würde, dass er jetzt endlich seine theologische Einzelfallkasuistik zumindest für Deutschland (in Afrika ist ja alles anders ;-)) durchsetzen möchte?

Positive Gradualität

Müsste nicht der moraltheologische Fokus zuerst darauf gerichtet sein, warum es “viele Familien und Paare” gibt, die wirklich gute und großartige Ehe führen? Bräuchte es nicht eine verstärkte Förderung dieser Faktoren, die wirklich gute und großartige Ehen fördern?  Solange wir nur problemzentriert an das Thema Ehe herangehen, wird Ehe immer nur das vom Defizit geprägte Ideal sein können. Mich interessiert aber nicht, was eine schlechte im Gegensatz zu einer schlechteren Form des Zusammenlebens ist, sondern wie eine gute Ehe zu einer besseren werden kann! Das wäre dann eine positive Gradualität.


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