Gedankenkreise – round and round and round

Von Carrie W. @CarrieWi

Aufschreiben hat mich bis jetzt immer weitergebracht. Also schreibe ich auf. Wenn ich nur mal meinen verflixten Kopf abschalten könnte, das wäre super. Vor allem wäre es deutlich weniger anstrengend. Aber von vorne. Ob es eine gute Idee ist, mich nochmal mit Martin zu treffen habe ich außen vor gelassen. Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen, hat sich in letzter Zeit als der beste Weg erwiesen, also habe ich entschieden. Aus den Bauch heraus – Wiedersehen: Ja. Martin will sich entschuldigen, Dinge und wahrscheinlich auch sich selbst ins rechte Licht rücken. Da unser Treffen damals zwar toll war, allerdings alles was danach kam nicht wirklich optimal lief, will ich hören was er zu sagen hat. Ich will wissen, was diesen doch sehr deutlichen Unterschied zwischen dem zum Date erschienenen Martin und dem danach wegrennenden, sprunghaften Martin verursacht hat. Also vereinbaren wir ein Treffen. Donnerstag, 15 Uhr. Kaffee. Er holt mich ab.

Aufgeregt? Come on!

Ich bin nicht aufgeregt. Fast nicht. Ich sitze daheim an meinem Laptop und arbeite vor mich hin. Den ganzen Tag ist mein Email Postfach ruhig. Dann vibriert mein Handy. 14:46 – er ist da. Synchron mit dieser Information erscheint eine neue Email nach der anderen in meinem Postfach. Verflixt, ausgerechnet jetzt. Ich schreibe ihm, ich müsse noch ein paar Emails beantworten, und würde runter kommen, sobald ich kann. Immerhin gibt mir das die Möglichkeit nochmal durchzuatmen. Ich schaue ganz kurz heimlich aus dem Fenster und sehe ihn unten stehen, lässig am Auto gelehnt, Fliegerbrille, zerschlissene Jeans, … sexy! Den Gedanken schiebe ich sofort in die hinterste Ecke meiner Gedankenwelt, und widme mich meinen Emails. Verdammt, jetzt bin ich doch ein bisschen aufgeregt. Ich rufe mir die beiden weniger schönen Abfuhren zurück ins Gedächtnis und beruhige mich. Als ich wenige Minute später auf ihn zugehe, sieht er mich einfach nur an. Zerknirscht, ein kleines Lächeln, ein vorsichtiges “Hallo”. Sonst sieht er mich einfach nur an. Da ich nicht so richtig weiß, was ich damit anfangen soll, steige ich schnell ins Auto. Auf der Fahrt zum Café ist die Stimmung angespannt. Nervös trommelt Martin auf Lenkrad und Schaltknüppel herum, ich sehe aus dem Fenster. Ich frage mich immer noch, ob es eine gute Idee war. Jetzt ist es sowieso zu spät.

Espressogeständnisse

Martin sitzt wie ein kleiner Junge mit gesenktem Blick, die Hände in den Hosentaschen vor mir. Schieß mal los mein Freund. Ich ertappe mich dabei, wie ich ihn mit meinem Blick fixiere. Sonst mache ich das nie, sehe eher weg, wenn ich nervös bin. Dann redet er. Über sich und seine zu Beginn des Jahres beendete Beziehung. Über eine versuchte Freundschaft aus Mitgefühl (oder Mitleid?), die sich am Ende wohl als einseitiges Bemühen entpuppte. Seine letzte Partnerin wollte er nicht einfach so alleine lassen, ihr beistehen in den Problemen, die sie zu bewältigen hat. Doch als er ihr mitteilte, er treffe sich mit jemandem, grätschte sie dazwischen und begann, ihn zu manipulieren. Was genau passiert ist, weiß ich nicht, geht mich aber auch nichts an. Sie manipulierte, er ließ sich manipulieren. Ich zog den Kürzeren. Bei unserem Treffen, sei er er selbst gewesen. Danach nicht mehr. Ich erwähne, dass ich mich schwer tue, mich mit solch sprunghaften Menschen, die immer in Extremen leben zu arrangieren. Er beteuert, so sei er eigentlich nicht. Nun, das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen. Wir sprechen über das Helfersyndrom, Gefallsucht und die Tatsache, dass es ihm nun besser geht, jetzt wo er verstanden hat, dass auch er selbst in seinem Leben eine Rolle spielt. Ein schwieriger Wandel, den ich nur zu gut kenne. Martin wirkt aufrichtig und ich maße mir nicht an darüber zu urteilen, ob das Gesagte wahr oder falsch ist. Dann wäre ich bei diesem Treffen fehl am Platz. Er fragt mich, ob ich noch etwas loswerden wollen würde, aber ich empfinde es nicht als angebracht, das alles wieder hervorzuwühlen. Vorbei ist vorbei. Wir reden noch ein bisschen über dies und das, und treten den Heimweg an. Ich fühle mich gut, und bin froh, dass wir gesprochen haben. Ich selbst konnte die Brücke zwischen dem Mann, den ich getroffen hatte und dem, der mich abserviert hat zuvor so ganz und gar nicht ziehen. Auf dem Heimweg macht er Andeutungen in Richtung eines nächsten Treffens. Ich übergehe sie – denn ich weiß schlichtweg nicht, ob ich ihn wiedersehen will.

Cool wie Kloßbrühe

Wenn ich mir eins wünschen könnte, dann wäre es wohl, manchmal ein bisschen cooler zu sein. Im Job kann ich das, privat bin ich darin eine Niete. Ich bin cool wie Kloßbrühe, cool wie warmer Apfelkompott, ihr versteht den Wink? Mein Wunsch war es, nach Hause zu gehen, mir zu denken “schön war’s”, und es dabei zu belassen. Das gelingt mir noch eine Stunde lang (habe Wäsche gewaschen und die Wohnung geputzt…), und dann setzt die unbarmherzige Gedankenmaschinerie ein. Verdammte Hacke, das muss doch nicht sein. Ich will mich nicht fragen was nun. Ich will mir nicht überlegen was wäre wenn, oder wenn nicht oder was überhaupt. STOP! Wenn der Gedanke einmal angefangen hat zu kreisen, bekomme ich es nicht mehr hin, ihn zu stoppen. Der erste Gedanke gilt dem Wollen. Will ich Martin wiedersehen? Was wenn er sich zwar aufrichtig entschuldigt hat, dann aber trotzdem gleich vorgeht. Will er mich überhaupt wiedersehen? Oder hat er das vielleicht einfach nur so gesagt? Und wenn ja, warum sollte er? Er hätte mich verabschieden können, ohne den Kommentar zum Wiedersehen, und die Sache wäre gegessen gewesen. Ich kenne es zu gut, wenn Männer Dinge sagen, die sie eigentlich gar nicht sagen wollen, aber meinen es sagen zu müssen – aus welchem Grund auch immer. Wollen oder nicht wollen mal dahingestellt – wer ist denn jetzt eigentlich dran? und vor allem mit was? Wenn er mich nicht wiedersehen will, sagt er mir das? Wenn ich ihn nicht wiedersehen will, sage ich ihm das? Und wenn doch: WER IST DRAN? Ich bin bereits seit Jahren aus der Pubertät raus, falls euch diese Frage gerade in den Kopf schießt. Ich finde ja, trotz Entschuldigung ist er derjenige, der nach den letzten misslungenen Anläufen einen Move machen sollte. Es ist an ihm, mich davon zu überzeugen, dass es eine gute Idee ist, mich nochmal mit ihm zu treffen. Oder geht er davon aus, dass ich jetzt eine Entscheidung treffen muss? Und sind das nicht schon wieder viel zu viele Gedanken wegen einem läppischen Treffen?? Definitiv.

Schwitz raus den Mist!

Am Sonntag kotzt mich die Denkerei so an, dass ich mich in die Todeszumbastunde schleppe. Das muss aufhören. Ich weiß nicht mal warum ich mir so den Kopf zerbreche. Nach einer Stunde wildem Arschgewackele geht es mir besser. Hat hoffentlich meinen Verstand neu geordnet. Ich analysiere das Problem. Der Typ hat was. Neben Humor, Charme und gutem Aussehen ist da noch was anderes. Irgendwas, das ein Gefühl in mir auslöst, das ich  nicht einordnen kann. Ich kann nicht sagen ob es gut oder schlecht ist. Auf jeden Fall ist es da, in meinem Bauch, wenn ich an ihn denke. Ich würde nur zu gern herausfinden, was es bedeutet. Aber zumindest für den Moment sehe ich mich nicht als diejenige, die am Zug ist. Ob er nochmal einen Schritt auf mich zugeht, oder nicht, muss er entscheiden. Dann kann ich entscheiden, ob ich es zulassen will oder nicht. Auch wenn es wirklich nicht meine Lieblingsbeschäftigung ist, warte ich jetzt einfach ab. Die gedankenverdrängenden Sportkurse werden wenigstens etwas Gutes zu meinem Befinden beitragen. So Martin… der Ball liegt bei dir. Spiel ihn zurück, oder behalte ihn. Your choice.


photo credit: ~Liliana via photopin cc


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